Kapitel 60

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Drei Tage später

Gedankenverloren saß ich in der Fensterecke und starrte aus dem Fenster. Meine Augen blieben in Liam's Kunstraum hängen, wo die Vorhänge auf die Seite geschoben wurden, sodass man in das Zimmer hineinsah. Unbewusst lief mir eine Träne über die Wange und ein trauriges Lächeln legte sich an meine Lippen. Vor einem Jahr war alles anderes gewesen. Da blieb ich öfters hier sitzen und blickte neugierig in das Nachbarhaus, da der Junge mit den pechschwarzen Haaren mich ein wenig zu sehr interessierte. Der böse Junge vor dem sich jeder fürchtete. Ich lachte etwas über diesen Gedanken und schüttelte den Kopf, dabei konnte ich nicht verhindern, dass ich weitere Tränen verlor. Mit der Hand wischte ich sie mir von der Wange weg und versuchte mich wieder zusammenzureißen. Es war nämlich kein richtiger Zeitpunkt, um zu weinen.

Meine Hände ruhten auf meinem Schoß und mein Kopf lehnte ich gegen die Wand. Ein bedrückendes Gefühl steckte in meiner Brust, was mir das Atmen erschwerte. Manchmal bekam ich Panik, denn ich erstickte daran. Am liebsten würde ich mich selbst umbringen, aber nicht einmal das bekäme ich hin. Die Haare wollte ich mir aus dem Kopf reißen, doch ich verspürte im Moment zu nichts die Kraft.

Ich wusste nicht, ob ich das Richtige oder das Falsche getan hatte, weshalb ich mir hier und jetzt vor Angst, die schlimmsten Szenarien vorstellte.

In der nächsten Sekunde klopfte es an meiner Tür, wodurch ich erschrocken zusammenzuckte und mein Puls sich automatisch beschleunigte. Sofort versuchte ich ruhiger zu atmen und sammelte mich wieder. Als kein Ton von mir ertönte, wurde die Zimmertür langsam geöffnet. Liam tauchte auf und tritt herein. Ein gezwungenes Lächeln lag auf seinen Lippen, was er nicht lange behalten konnte. Es verschwand und er kam näher, um vor mir Platz zu nehmen. Zuerst sagte er nichts und blickte mir nur in die Augen, als ob er darin eine Antwort suchen würde. Schließlich ließ er seinen Blick senken und zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen. Ich schaffte es nicht ihn länger anzusehen, weswegen ich ebenfalls wegschaute und vor mich schwieg.

Meine Augen blieben am Himmel hängen, der allmählich dunkler wurde. Meine Schwester würde spät von der Arbeit kommen, weswegen ich allein mit Liam im Haus war. Eigentlich wollte ich nicht, dass er hier war, aber ich hatte keine Ahnung, wie ich es ihm sagen sollte. Außerdem würde er nicht gehen, solange nicht Katy wieder zurückkam.

"Ist etwas passiert?", unterbrach plötzlich Liam die Stille zwischen uns mit seiner verwirrenden Frage.

"Was sollte denn passiert sein?", lachte ich etwas unsicher darüber und spürte die Nervosität in mir.

"Ich weiß es nicht, deshalb frage ich dich", erklärte er ruhig und blickte mir erwartungsvoll entgegen.

"Es ist nichts", versicherte ich ihm.

"Warum verhältst du dich dann seit Tagen so merkwürdig?", hakte er verständnislos nach.

"Tu ich nicht", widersprach ich.

"Aria", begann er, aber ich schüttelte den Kopf und hielt ihn vom Reden somit ab, denn es reichte mir.

"Liam es ist nichts. Warum willst du das nicht verstehen?", regte ich mich auf und erhob mich.

"Ich bilde es mir also ein?", wollte er fassungslos wissen und er stellte sich ebenso auf die Beine.

"Ja", bestätigte ich.

"Du redest nicht, du isst nichts, du schläfst nicht und das soll alles eine Einbildung von mir sein? Dir geht es also gut?", drängte er mich mit seinen Worten.

"Aria du kannst mir nicht einmal in die Augen sehen, wenn du redest!", platzte es aus ihm heraus und ich brachte kein einzigen Ton mehr über meine Lippen.

"Rede mit mir, bitte", verlangte er verzweifelt.

Die letzten Schritte wagte er in meine Nähe und fasste nach meinen Händen. Er zog mich näher an sich heran, dabei schlang er seine Arme, um meinen Bauch. Mit seiner rechten Hand berührte er mich am Kinn und drehte meinen Kopf in seine Richtung, damit ich ihm in die Augen sah. Ein fast schon flehender Blick strahlte mir entgegen, doch ich konnte ihm nichts erzählen. Es gelang mir nicht, denn es würde alles verschlimmern und das wollte ich nicht. Liam bemerkte, dass ich nicht vorhatte zu reden, weshalb er niedergeschlagen seine Stirn gegen meine lehnte. Ich bewegte mich nicht und ließ es zu, denn ich brauchte ihn, aber gleichzeitig fühlte es sich falsch an. Egoistisch handelte ich und ich hatte nicht das Recht ihm das hier anzutun.

Für einen kleinen Moment verweilten wir in dieser Position, bis sich Liam komplett von mir löste und mich ansah. Seinen Blick konnte ich nicht deuten, aber er wirkte auf einer komischen Weise wacher und konzentrierter, als ob ihm etwas gerade einfiel.

"Hat er dich angerufen?", wollte er plötzlich wissen, worüber ich die Augenbrauen zusammenzog.

"Wer?", hakte ich nach.

"Ace", erklärte er.

"N-Nein, wie kommst du darauf?", verstand ich nicht und er ging sich gestresst durch die Haare einmal.

"Was ist dann mit dir los?", verstand er nicht.

"Habe ich etwas gemacht?", fragte er nun.

"Was? Nein", meinte ich überfordert.

"Du verschweigst mir aber etwas", gab er nicht nach und ließ mich innerlich immer panischer werden.

"Aria ich bin nicht blind", sprach er weiter und ich blickte zum Fenster, um ihn nicht länger anzusehen.

Liam hörte nicht auf zu reden, jedoch hörte ich ihm nicht mehr zu, da etwas meine Aufmerksamkeit nahm. Verwirrt verengte ich die Augen und schaute genauer nach draußen, wobei ich Rauchwolken entdeckte. Daher näherte ich mich zum Fenster und sah nach draußen. Erschrocken riss ich die Augen auf, als ich verstand, was hier gerade passierte.

"Liam", murmelte ich erstarrt.

"Was?", fragte dieser.

"E-Es brennt. Liam euer Haus brennt!", erzählte ich panisch, worauf dieser verständnislos aus dem Fenster sah und anschließend wieder zu mir hoch.

"Nein", flüsterte er schließlich leise und ging einige Schritte zurück, bis er eilig aus dem Zimmer rannte.

"Liam!", rief ich und lief ihm hinterher.

"Liam wohin rennst du?! Du kannst da nicht mehr rein!", verstand ich ihn nicht, doch er hörte nicht.

"Levin war noch im Haus drinnen!", schrie er zurück, wodurch ich erschrocken an den Treppenstufen stehen blieb und ihm nur fassungslos nachschaute.

Der VerstandWhere stories live. Discover now