Kapitel 26

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Nachdem mir Liam mein Handy zurückgegeben hatte, hob er seinen Bruder mit einem Ruck vom Boden auf und schmiss ihn über seine Schulter. Schweigend und mit einer ausdruckslosen Miene im Gesicht trug er ihn ins Wohnzimmer, wo er ihn anschließend vorsichtig auf die Couch legte. Jack half ihm dabei, sodass sich Levin nicht den Kopf anhaute.

Meine Schwester setzte sich auf den Tisch, sodass sie nah genug bei ihm war und Hope rannte schnell ins Badezimmer, um den Verbandskasten zu holen, da seine Wunden behandelt werden mussten.

"Vielleicht sollten wir in ein Krankenhaus fahren", sorgte sich Katy um ihn.

Ihre braunen Augen strahlten mehr als nur Besorgnis aus und sie tat mir unfassbar Leid, denn ich verstand gerade vollkommen, wie sie sich fühlte. Dieser Anblick war nämlich furchtbar und schmerzhaft. Ich selbst musste sehr oft dadurch, denn Liam hatte immer solche Verletzungen gehabt, die er sich sogar meistens selbst angerichtet hatte.

Bei dem Gedanken an seinen Namen hob sich mein Kopf automatisch und mein Blick blieb an ihm hängen. Er starrte weiterhin seinen älteren Bruder an und versuchte nicht die Kontrolle zu verlieren.

"Er hat schon schlimmeres überstanden", meinte er schließlich, worauf Katy nur den Kopf schüttelte und nach Levin seiner Hand griff.

Als Hope endlich mit dem Verbandskasten kam, begann meine Schwester direkt seine Wunden zu säubern. Meine beste Freundin wollte ihr dabei helfen, aber Katy hielt sie davon ab und machte es selbst. Sie schaute sehr konzentriert aus, doch ihre Hände zitterten, was sie aber ignorierte.

Am Ende ertrug ich es nicht sie so zusehen und näherte mich langsam zu ihr. Stumm setzte ich mich neben sie, jedoch reagierte sie nicht darauf und tupfte weiter die blutige Stelle an seinem Mundwinkel ab. Mit viel Anstrengung versuchte sie ihre Tränen zu unterdrücken, weshalb ich meine Arme um sie schlang, sodass sie sich nicht aus meiner Umarmung lösen konnte, denn sie brauchte das gerade.

Zuerst herrschte Stille bis meine Schwester leise zum Weinen anfing, wodurch ich sie fester umarmte und ebenso einige Tränen verlor.

"Es wird alles gut", flüsterte ich ihr beruhigend zu, denn ich wollte selbst daran glauben.

"Solange dieser Mistkerl lebt, wird überhaupt nichts gut", murmelte plötzlich Liam.

Wegen seinen Worten löste ich mich von ihr, weswegen sie über ihre nassen Wangen einmal wischte und sich wieder um Levin kümmerte. Ich stand vom Tisch auf und drehte mich zu Liam um, dessen leerer Blick auf den Boden gerichtet war. Aus diesem Grund ging ich auf ihn zu und nahm in an der Hand, wodurch er mich erst jetzt wahrnahm.

Ohne etwas zusagen, zog ich ihn mit in die Küche, wo ich ihn auch wieder losließ und mit verschränkten Armen ihn beobachtete.

"Was auch immer du vorhast, kannst du gleich wieder vergessen", bestimmte ich.

"Das wird nicht aufhören, verstehst du das nicht?", fragte er daraufhin, dabei waren keinerlei Emotionen in seinem Gesicht zu erkennen.

"Genau wie es Jack vorhin gesagt hat, hat es jemand auf mich abgesehen und das kann niemand außer Ace sein", erklärte er.

"Dann ist es eben er! Was willst du dann machen? Ihn umbringen?", lachte ich humorlos auf.

"Wenn es soweit kommt, ja", antwortete er kalt.

Meine Augen weiteten sich überrascht über seine Antwort und wie leicht er sowas einfach sagen konnte. Ich begann ungläubig den Kopf zu schütteln, denn ich fasste es wirklich nicht. Er dagegen blickte mich mit einem gleichgültigen Gesichtsausdruck an und hatte erneut seine Maske aufgesetzt.

Der VerstandWhere stories live. Discover now