Kapitel 12

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Es war mitten in der Nacht und ich stand vor einer Tür, die ich noch immer nicht betreten konnte. Das Atmen fiel mir immer schwerer und ich wusste nicht, wie ich handeln sollte. Ich traute mich nicht, denn ich wollte nicht wahrhaben, dass sie sich dort drinnen befand. Wahrscheinlich waren schon Minuten vergangen, doch trotzdem schaffte ich es nicht mich zu überwinden. Im selben Augenblick spürte ich eine Hand, die nach meiner griff und sie fest umklammerte.

"Ich bin bei dir", flüsterte Liam und drückte einmal meine Hand, um es zu verdeutlichen.

Ich atmete schließlich tief ein und aus, dabei führte ich meine freie Hand vorsichtig an die Türklinke. Die Tür ging mit einem leisen quietschen auf und mein Herz blieb augenblicklich stehen, als ich mitten im Raum eine Person bis zum Kopf zugedeckt sah. Somit bewegte ich mich zwei Schritte nach vorne, wobei ich Liam's Hand loslassen musste. Da es sehr still war, bekam ich noch mit, wie er ebenso rein kam und die Tür hinter sich schloss.

Für einen Moment zögerte ich und starrte sie nur an, aber als ich ihre Haare ein wenig zusehen bekam, schnappte ich vergeblich nach Luft und stolperte zurück, wobei mich Liam sofort festhielt.

"Aria du musst das nicht tun", meinte er, jedoch schüttelte ich nur den Kopf und löste mich aus seinem Griff.

Die letzten Schritte ging ich langsam auf sie zu und blieb anschließend neben ihr stehen. Meine zitternden Hände hoben sich automatisch, aber ich ließ sie ängstlich wieder fallen, denn ich wusste nicht mehr, ob ich dazu bereit war.

Am Ende schüttelte ich leicht den Kopf und stellte mich aufrecht hin. Das Brennen in meinen Augen ignorierte ich vollkommen und konzentrierte mich lediglich nur darauf die Decke anzuheben, sodass ich ihr Gesicht endlich sehen konnte. Verunsichert ging ich einen Schritt zurück und beobachtete sie schweigend für einen Augenblick. Die Unruhe, die noch vor wenigen Sekunden in mir herrschte, war wie weggeflogen und ich wusste nicht, was ich nun fühlte.

Ich ging wieder auf sie zu und begann ein wenig zu lächeln, denn ich hatte sie vermisst. Nach Tagen sah ich sie wieder, aber was machte sie? Sie lag einfach nur hier und hatte anscheinend vergessen, dass sie noch eine Tochter und drei Enkelkinder hatte.

"Ich bin hier, Oma", begann ich zu reden und suchte nach ihrer Hand, die ich mit meiner um schloss.

Mein Gesichtsausdruck änderte sich sofort, denn ihre Hand war viel zu kalt. Ihre Körpertemperatur ließ mich sogar erfrieren und ich bekam eine unangenehme Gänsehaut, die ich gekonnt ignorierte. Aus diesem Grund griff ich auch mit meiner anderen Hand nach ihrer, um sie irgendwie zu wärmen, denn sie erfror hier. Sie würde krank werden und sie mochte es nie, wenn sie eine Erkältung bekam.

"Du frierst", sagte ich, aber sie erwiderte darauf nichts, denn ihre Augen waren weiterhin geschlossen.

"Warum bist du überhaupt hier? Ich mag es hier nicht. Es ist so kalt und trüb", redete ich weiter und versuchte sie noch immer aufzuwärmen, dabei spürte ich die erste Träne an meiner Wange.

"Oma gehen wir nach Hause", bat ich.

"Aria", hörte ich Liam's besorgte Stimme, aber ich blendete ihn aus.

Sie reagierte nicht auf mich, weshalb ich sie anstarrte und schwieg. Danach begann ich wieder den Kopf zu schütteln und wartete bis sie endlich die Augen öffnete, jedoch blieben sie weiterhin geschlossen. Warum hörte sie mich nicht? Meine Oma schlief nie so tief. Sie wachte bei jedem kleinsten Geräusch auf. Was war denn nur plötzlich los mit ihr?

Der VerstandWhere stories live. Discover now