Kapitel 53

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Die Zellentür öffnete einer der Polizeibeamten und ich wurde in den Besucherraum hereingelassen. Ich war hier, um meinen Cousin zu besuchen. Den Kopf schüttelte ich leicht über diesen Gedanken und setzte mich auf eine leere Bank, wobei ich freie Auswahl hatte, denn es gab in diesem kalten und alten Raum keinen, außer mir und dem Gefängniswärter, der neben der Tür verweilte. Ein trauriges Lächeln nahm meine Lippen ein, da es absurd war. Alles. Weiterhin konnte ich nämlich nicht realisieren, dass ich mich in einem Gefängnis befand, um den Lockenkopf zu besuchen. Unglaubwürdig, obwohl es die Realität war, worin ich mich befand. Es war noch immer komisch, aber ich gewöhnte mich langsam. Eine andere Wahl hatte ich sowieso nicht, als das Unmögliche zu akzeptieren, denn wer hätte schon gedacht, dass ich ihn jemals hier besuchen komme?

Es war nicht das erste Mal, dass ich mich in diesem Ort befand. Mein Weg traf einmal wegen Ace hierher, aber dieser wollte mich an dem Tag nicht sehen, was ich bis heute nicht verstand. Er würde jede Chance nutzen, um mit mir zusammen zu sein, selbst wenn es nur für einen Moment wäre. Diesmal wagte er es jedoch nicht meine Nähe zu treten.

Ich riss mich selbst aus meinen Gedanken, als die Zellentür erneut aufgesperrt wurde, weshalb ich mich nicht umdrehte und stumm wartete. Schritte näherten sich in meine Richtung, wobei sich ein kleines Lächeln in meinem Gesicht bildete, denn ich freute mich ihn zu sehen. Das kleine Strahlen erlosch augenblicklich von meinen Lippen, als sich Jack direkt vor mich setzte. Mit aufgerissenen Augen starrte ich ihn erschrocken an, dabei öffnete sich mein Mund leicht vor Schock. Die Tränen spürte ich hochkommen, jedoch schluckte ich sie runter und ballte stattdessen vor Wut die Hände zu Fäusten. Sein Anblick riss mein Herz in tausend Stücke. Was hatten sie nur mit ihm angestellt?

Ein blaues Auge, was nicht zu übersehen war, denn es war angeschwollen, wodurch er es kaum öffnen konnte. Seine linke Augenbraue wurde zu genäht und die Lippe war aufgeplatzt. An der rechten Wange war eine Schnittwunde zu erkennen, sowie am Hals. Sie hatten ihn komplett verunstaltet und ich wollte nicht wissen, wie sein Körper ausschaute.

Mein Mund öffnete sich, doch ich schloss ihn wieder, denn es kam kein Ton raus. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Es ließ mich sprachlos.

Jack starrte die ganze Zeit auf den Tisch vor sich und traute sich nicht den Blick zu heben, um mir in die Augen zu sehen. Eine einsame Träne entkam mir, die meine Wange runterrollte und an meinen Lippen endete. Ich schüttelte langsam den Kopf und ging mir durch das Gesicht, um mich zu sammeln, aber es funktionierte nicht. Gar nichts funktioniert gerade. Aus diesem Grund blickte ich erneut zu ihm und konnte ein leises Weinen nicht unterdrücken.

"Was haben sie nur mit dir gemacht?", flüsterte ich kaum hörbar und hielt mir die Hand vor den Mund, um dadurch ein lautes Schluchzen zu verhindern.

"Jack", sagte ich verzweifelt.

"Mir geht es gut, Cousinchen", versicherte er mir und schaute zu mir, dabei lächelte er mich sanft an.

"Das nennst du gut?", fragte ich fassungslos und zeigte mit der Hand auf sein demoliertes Gesicht.

"Wie geht es den anderen?", versuchte er das Thema zu ändern, womit er mich wütend machte.

"Willst du mich verarschen?", konnte ich es nicht ganz glauben, jedoch ignorierte er es komplett.

"Ist meine Mutter zurück?", erkundigte er sich.

"Jack hör auf damit", verlangte ich.

"Wahrscheinlich nicht, sonst wäre sie längst hier aufgetaucht", redete er einfach weiter, ohne meine Worte überhaupt ansatzweise wahrzunehmen.

"Jack-", begann ich, aber er unterbrach mich.

"Wie geht es Katy eigentlich?", interessierte es ihn.

"Kommt sie auch noch?", wollte er wissen.

"Verdammt nochmal, Jack!", schrie ich, wodurch er schwieg und mit den Fingern auf den Tisch tippte.

"Wer hat dir das angetan?", hakte ich nach.

Er hörte mit dem Tippen auf und richtete seinen Blick auf mich. Keine Emotionen spiegelten sich in seinem Gesicht ab, als ob sie sich einfach in Luft aufgelöst hätten. Das gefiel mir nicht. Sein ganzes Verhalten war nicht in meinen Augen normal. Jack war viel zu ruhig und entspannt von dieser Situation. Ich wusste nicht, ob er mir das vorspielte damit ich keine Angst bekam oder er sich so veränderte.

Automatisch fasste ich nach seiner Hand, die sehr kalt war. Ich umschlang sie mit meinen ganz fest, womit ich ihm zeigen wollte, dass ich für ihn da war. Ich würde es immer sein. Für ihn. Er war nämlich ein Teil meiner Familie, ein Teil meines Herzens. Wenn er nicht da wäre, dann würde für immer etwas fehlen und ich wollte auf keinen Fall dieses Gefühl zu spüren bekommen. Ihn auf jeglicher Art zu verlieren, würde mich zerstören. Nachdem meine Oma uns verlassen hatte, könnte ich einen weiteren Verlust nicht ertragen oder durchstehen. Ich war zu schwach dafür. Viel zu schwach. Wortwörtlich.

"Mach dir keine Sorgen um mich", ertönte seine Stimme, die mich zu ihm erneut aufsehen ließ.

"Das ist etwas Unmögliches", machte ich ihm seine Bitte bewusst, denn genau das war die Wahrheit.

"Nichts ist unmöglich", lächelte er schwach.

"Jack", sagte ich schon fast flehend.

"Ich weiß nicht, wer diese Typen waren", erklärte er schließlich und küsste einmal meine Handrücken.

"Aber dafür weiß ich, dass ich dich vermisst habe", gestand er, womit er mir ein Lachen entlockte.

"Ich dich auch", grinste ich leicht.

"Mich kann man nur vermissen", scherzte er und ich verdrehte amüsiert die Augen über seinen Satz.

"Ist etwas Neues passiert?", fragte er nun nach.

"Wir wurden entführt", antwortete ich, worauf Jack erschrocken über die Nachricht die Augen weitete.

"Was?", verstand er nicht.

"Wir haben eine neue Person kennengelernt. Ein Junge. Seinen Namen wollte er uns nicht verraten und bevor die Polizei ihn erwischte, war er längst verschwunden", erzählte ich die aktuellen Vorfälle.

"Habt ihr eine Vermutung, wer er sein könnte oder was er mit all dem zu tun hat?", hakte Jack nach.

"Nein", schüttelte ich den Kopf.

"Er meinte nur, dass Liam ihn anscheinend kennt", ergänzte ich, worauf dieser nachdenklich wurde.

"Kennt Liam ihn denn?", interessierte es ihn.

"Ich denke nicht", erwiderte ich unsicher dazu.

"Du denkst?", hakte er nach.

"Vielleicht erinnert er sich nicht", vermutete ich.

"Vielleicht", murmelte dieser.

"Jetzt hat er ein anderes Ziel", gestand ich.

"Was für eins?", wollte er wissen.

"Er will Ace finden und ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist", öffnete ich ihm meine Gedanken.

"Das wird nicht viel bringen", meinte Jack, wobei ich ein fragendes Gesicht über seine Worte machte.

"Ich glaube nicht, dass Ace die Lösung ist. Ich denke, wir müssen jemanden anderen finden, um das für immer zu beenden", erklärte er es genauer.

"Wer?", flüsterte ich vor mich hin.

"Das ist die große Frage: Wer?", verdeutlichte er unser richtiges Problem, worin wir drin steckten.

Der VerstandWhere stories live. Discover now