1. Kapitel

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"Haru, Frühstück ist fertig, du bist spät dran!", riss die Stimme meiner Mutter mich aus dem Schlaf. Ich blickte verschlafen neben mich und griff nach meinem Handy. Schon 05:49 Uhr?!

Ich fuhr erschrocken hoch, sodass ich mit meinem Kopf gegen die Decke knallte. Der Nachteil an einem Hochbett, bemerkte ich trocken.

Seufzend hangelte ich mich die Leiter herunter und schlüpfte in frische Klamotten. Meine Zimmertür war einen Spalt breit geöffnet und der Duft von Rührei stieg in meine Nase, was mein Tun beschleunigte.

Ich warf einen letzten, wehmütigen Blick auf mein bestimmt noch warmes Hochbett und schnappte mir dann meinen Rucksack, bevor ich mein Zimmer verließ.

In Gedanken noch immer bei dem nächtlichen Treffen schlurfte ich die Treppen herunter und setzte mich an den Esstisch. An meinem Platz war bereits alles vorbereitet: Rührei mit Speck, Baked Beans und einem Brötchen.

"Das Beste Frühstück, was man sich wünschen kann.", lobte ich meine Mutter.

Sie lächelte, bedankte sich für das Lob und nahm neben mir Platz. Mein Vater hingegen war bereits auf Arbeit. Er hatte wie so oft Frühschicht und war deswegen schon meist vor 03:00 Uhr früh aus dem Haus.

Mein kleiner Bruder lag noch im Bett. Der Kleine musste erst 06:30 Uhr aufstehen, da er noch in den Kindergarten ging. Schnell kratzte ich die letzten Reste von meinem Teller, räumte mein Geschirr in die Spülmaschine und rannte ins Bad. Warum musste ich auch verschlafen?

Mehr oder weniger gründlich putzte ich meine Zähne und versuchte meine zerzausten Haare zu bändigen, indem ich sie zu einem einigermaßen ordentlichen hohen Pferdeschwanz zusammenband.

Zum Abschied gab ich meiner Mutter einen Kuss auf die Wange, welche mir nur lachend meine Brotdose zusteckte. Es war mittlerweile 06:34 Uhr und in 16 Minuten kam auch schon meine Bahn.

Zügig sprang ich die Treppen im Treppenhaus hinab und ließ schleunigst das Mehrfamilienhaus hinter mir. Auf dem Weg zum Bahnhof streunte mir ein kleiner schwarze Kater, den ich bereits Murmel getauft hatte, über den Weg.

Ich kam nicht drum herum ihn zu schmusen und ihm ein Stück Salami aus meiner Brotdose anzubieten. Mein Zeitproblem wurde dadurch nicht gerade besser. Winkend verabschiedete ich mich von Murmel und rannte weiter.

Auch wenn unser kleines Dorf nicht überragend groß war, mit gerade Mal 600 Einwohner, war der Weg zum Bahnhof nicht gerade kurz. Ein weiterer Nachteil, wenn man so weit draußen auf dem Land lebte: man muss gefühlt Stunden fahren, um zu einer größeren Stadt zu gelangen.

Ob ich es nun als Glück bezeichnen würde, dass meine Schule nur eine dreiviertel Stunde entfernt ist? Als ich an der Dorfkirche vorbeikam, sah ich schon von weitem den kleinen, einfachgehaltenen Bahnhof, in dem gerade mein Zug einfuhr.

Gerade so schaffte ich meine Bahn und setzte mich, von dem kurzen Sprint völliger außer Atem, auf eine freie Sitzbank mit ausklappbarem Tisch.

Plötzlich sah ich aus meinem Augenwinkel wieder etwas Helles aufblitzen. Doch als ich aus dem Fenster blickte, sah ich nur die vorbeiziehende Landschaft und die aufgehende Sonne.

Wie auch am Abend zuvor ignorierte ich es und dachte nicht länger darüber nach, vielleicht habe ich zu wenig getrunken.

Nach einer Dreiviertelstunde, welche aus Langeweile und Hausaufgaben machen bestand, stieg ich mit einigen weiteren Schülern aus. Mit festem Schritt lief ich durch die Straßen Richtung Schule und flehte zu Gott, dass noch keiner der Schläger auf mich warteten.

Leider waren meine stillen Gebete umsonst, denn vor der Schule standen drei große Jungs, welche mich anglotzten, als wäre ich ein kleines Lamm und sie die hungrigen Wölfe.

Sterne auf AbwegenWhere stories live. Discover now