42. Kapitel

28 2 1
                                    

Der Gefangene möge sich nun in den Gerichtsaal begeben, lässt unsere königliche Hoheit ausrichten.

Die Worte des Dunkelelfen hallten in meinem Kopf nach. Gerichtssaal? Königliche Hoheit?
Auf Jessies groben Befehl hin stand ich langsam auf, wobei die Elfe jede meiner kleinsten Bewegungen beobachtete. Ich wollte gerade nach meiner Tasche greifen, da pikste mich etwas in die Schulter.

„Aua!", entfuhr es mir überrascht.

„Die brauchst du dort nicht. Komm jetzt.", entschied Jessie, ihren Speer direkt auf mich gerichtet.

Ihre Worte ließen keine Widerrede zu. Ich seufzte innerlich und folgte der kleinen Elfe widerstandslos.

Ich zwängte mich durch den Ausgang, der definitiv nicht für meine Größe gedacht war und riss dadurch vereinzelte Zweige heraus, was Jessie nur mit einem Schnauben kommentierte.

Ich ignorierte die missbilligende Geste, denn ich war so sehr ins Staunen vertieft, als wir draußen angekommen waren.

Vor mir schlängelte sich eine lange aus Zweigen und Ästen verwobene Hängebrücke geradewegs zu einem riesigen Baum, der das Zentrum eines riesigen Systems ja einer gesamten Stadt zu bilden schienen. Tausende von Brücken schlängelten sich ihren Weg zu diesem mächtigen Stamm.

Über uns war das Blätterdach der Bäume so dicht, dass man meinen könnte, alle Baumkronen, wären zu einem riesigen Dach verschmolzen.

Die dicken, brummenden Glühwürmchen flogen jetzt in großen Schwärmen über unsere Köpfe hinweg und tauchten die Kuppel in ein warmes, sonnenähnliches Licht.

Zwischendrin erhaschte man viele kleine Gestalten, die durch die Lüfte flatterten. Deren glänzenden Flügel reflektierten das Licht der Käfer und es schien überall zu funkeln und zu glitzern. Es erinnerte mich ein wenig an den Sternenhimmel.

Vorsichtig rutschte ich aus dem Nest und landete auf erstaunlich festem Untergrund. Um das vogelnestartige Häuschen war ein schmaler Balkon angelegt, der die Hängebrücke mit dem Baum verband.

Die Brücke an sich war dagegen aber nicht so stabil, wie erwartet. Als ich einen kurzen Blick über das hölzerne Geländer wagte, wurde mir flau im Magen.

Wie hoch sind wir? Hundert nein zweihundert Meter? Schnell wandte ich meinen Blick wieder ab und versuchte nicht daran zu denken, wie die Brücke aus heiterem Himmel zusammenstürze und mich mit in die Tiefe riss.

Ein lauter Pfiff ließ mich hochschrecken und eine genervte Jessie flatterte schon einige Meter vor mir durch die Luft. Mit einem deutlichen Wink ihres Speers bedeutete sie mir ihr nun endlich zu folgen.

Vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den anderen, erst weil ich der Stabilität der Brücke noch nicht ganz traute, dann weil die Brücke bei jedem Schritt leicht hin und her schwankte. Unbeholfen griff ich nach dem Geländer und erhoffte mir davon ein wenig mehr Halt.

Ab und zu flatterten einige Elfen an uns vorbei und musterten mich dabei neugierig und tuschelten miteinander. Wir hatten die Hälfte der langen, schmalen Brücke erreicht, da stieß Kyara wieder zu uns und Jessie befahl mir stehen zu bleiben.

Kyaras Gesichtsausdruck war mittlerweile ernster geworden und das, was sie ihrer Freundin ins Ohr flüsterte, schien von großer Bedeutung zu sein. Jessies Augen wurden immer größer und auf ihrer zarten Stirn bildeten sich langsam auffällige Sorgenfalten.

„Und was jetzt? Irgendwelche Anweisungen?", hörte ich Jessie leise fragen.

„Du sollst mit den anderen Huntern losfliegen und... suchen.", antwortete Kyara flüsternd.

„Was ist mit ihm?", meinte Jessie wieder etwas
lauter und herablassender und deutete auf mich.

„Ich kümmere mich um ihn. Hey! Ich kann Verantwortung übernehmen!", stieß Kyara empört hervor, als Jessie ihr einen misstrauischen Blick zuwarf und die Augen zu Schlitzen verengte.

„Ich vertrau dir Kyara... Aber deine Neugier kennt manchmal keine Grenzen und der da", Jessie zeigte wieder auf mich, „hat schon viel zu viel gehört und gesehen. Vermutlich wird er eh..."

„Papperlapapp, die Königin behandelt jeden gerecht und nun los. Ich schaff das hier schon.", entgegnete Kyara prompt und scheuchte Jessie, die nur mit den Augen rollte, mit fuchtelnden Handbewegungen davon.

Sterne auf AbwegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt