28. Kapitel

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Tropfen. Das stetige Tropfen und das darauffolgend leise Klirren, hielten mich am Leben. Ich klammerte mich an dem Geräusch fest, davon überzeugt das es mich retten würde, bevor ich einschlief und nie mehr aufwachen würde. Leise und sanft wogen mich Stimmen in einem Fluss aus kaltem Wasser dahin, bis das Tropfen lauter wurde. So laut, dass es schon fast in den Ohren weh tat. Plötzlich wurde es durch meine Augenlieder heller und ich riss die Augen auf. Verschwommen blickte ich dem leuchtenden Weiß entgegen, welches so unglaublich schön funkelte. Langsam formten sich Umrisse und ich erblickte die eingestürzte Decke, die die Sonnenstrahlen hereinließ. Behutsam drehte ich meinen Kopf erst nach rechts und dann nach links, aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommend. Die Höhle, in die wir gestürzt waren, war übersehen mit den Kristallen, nicht einer wie der andere. Sie reflektierten das Sonnenlicht tausendfach und erleuchteten so den gigantischen, unterirdischen Raum. Wenn man genauer hinhörte, konnte man sogar eine Art Gesang der Kristalle hören, jeder klimperte seine ganz eigene Melodie. Ich verlor mich in der Schönheit dieser magischen Steine und das glitzernde Licht, was pulsierend durch sie hindurch schoss. Meine Sorgen und Ängste waren wie weggefegt, durch die beruhigende Aura dieser mystischen Höhle, doch leises Husten lenkte meine Aufmerksamkeit auf eine Person, die neben mir lag. Ich drehte meinen Kopf zu ihr und erblickte sein Gesicht, sowie weiter unten seine linke Hand, die meine fest umklammert hatte.

Ich kroch langsam, aber sicher zu ihm und stützte mich über ihn, um sein Gesicht besser betrachten zu können. Er hatte eine lange Schürfwunde über seiner Stirn, die ich vorsichtig anfing zu reinigen, worauf der Junge zusammenzuckte. Blinzelnd schlug mein Gegenüber seine Augen auf und fokussierte mich mit seinem durchdringenden Blick. "Haru...", flüsterte diese Person, was ein leises Echo verursachte. Als dieser Mensch meinen Namen nannte, wurde mein Gehirn mit Gedanken und Erinnerungen geflutet, gute sowie schlechte. "Kiran...", hauchte ich zurück. Ich legte meinen Kopf auf seiner Brust ab, was er ohne Widerworte zu ließ und lauschte seinem regelmäßig schlagenden Herz. Unsere Hände waren immer noch miteinander verschränkt und keiner von uns wollte sich lösen, weswegen Kiran seinen anderen Arm um mich legte, sodass er mich noch mehr an sich drücken konnte. Ich hatte gar nicht gemerkt wie unterkühlt ich eigentlich war und genoss somit umso mehr die ausgehende Wärme von ihm. "Wo sind wir?", fragte er nach einigen Minuten des Schweigens und hob seinen Kopf. "In einer wunderschönen, magischen Höhle.", gab ich murmelnd als Antwort. Plötzlich schoss Kiran in die Höhe und stieß mich so unsanft von ihm. "Aua", grummelte ich und rieb mir meinen Kopf, der mit seiner Brust kollidiert war. "Das ist unmöglich!", rief er entsetzt und starrte fassungslos die Decke an. "Das müssen über fünfzehn Meter sein, die wir heruntergefallen sind. Das hätten wir nicht überleben dürfen.", sprach er stockend. Ich schaute ebenfalls nach oben und tatsächlich, vorhin sah die Decke so nahe aus, dachte ich.

Ich senkte meinen Kopf und schweifte mit dem Blick den Höhlenboden entlang. Überall lagen große Gesteinsbrocken und Kristallsplitter, die bei dem Beben abgefallen und auf dem Boden zerschellt worden waren. Das Licht warf lange Strahlen auf vier leblose Körper, die Meter weiter von uns entfernt lagen. "Nein...", hauchte ich und mein Hals schnürte sich vor Angst zu. Ich stand wackelig auf und torkelte zu den vier Sternenbildern, Kiran dicht hinter mir. Bitte nicht, flehte ich in Gedanken und kam vor den vier schimmernden Körpern zum Stehen. Ihre Augen waren allesamt geschlossen, sie sahen so friedlich aus und mir kamen langsam die Tränen. "Sie leben...", flüsterte Kiran in die Stille, nachdem er an ihren Hälsen den Puls gefühlt hatte. Erleichtert holte ich stoßweise Luft und musste mich erst einmal von meinem Schock erholen. "Hilf mir mal Haru, für sentimentales haben wir auch noch später Zeit, wenn sie gestorben sind, aber solange sie leben, hörst du gefälligst auf zu weinen.", knurrte Kiran ernst und fing an die Gesteinsbrocken von den Körpern der Vier aufzulesen oder beiseitezuschieben. Vor allem bei Lorcan sah es schlimm aus, denn sein Bein war von einem schweren Felsen wortwörtlich zerquetscht worden. Sofort stolperte ich zu ihm und schob gemeinsam mit Kiran so sanft wie nur möglich den Stein von ihm herunter. Sein Bein sah übel mitgenommen aus und war in ein tiefes grau getaucht. Als wir fertig waren sie von der unnötigen Last zu befreien, hieß es wohl oder übel abwarten.

Sterne auf AbwegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt