DieTore der Kirche schwangen auf. Der Hochzeitsmarsch erklang. Irene undTimothy, niedlich anzusehen in Anzug und Kleid, streuten mit stolzleuchtenden Augen Rosenblätter auf den Weg zum Altar. Kate haktesich bei Alexandra unter. Ihre Augen strahlten vor schwesterlichemStolz. Alexandra lächelte tapfer, dann richtete sie ihre Augen nachvorne. Sonnenlicht fiel durch die riesigen Bleiglasfenster über demAltar, sodass der Mann, der dort unten stand und wartete, nur alsdunkle Silhouette zu erahnen war. Ein Anflug von Aufregung packteAlexandra. Seite an Seite schritten sie und Kate durch dieZuschauerreihen und Alexandra spürte, wie sich alle Blicke auf sierichteten. Unwillkürlich hob sie den Kopf. Und dann sah sieChristian und für einen Moment fiel alle Anspannung von ihr ab undein echtes, aufrichtiges Lächeln ließ ihr Gesicht erstrahlen. Dochim nächsten Moment wurde die Angst wieder übermächtig und ließdas Blut in ihren Adern zu Eis gefrieren. Trotzdem schritt sieweiter. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Als Kate sie die Stufen zumAltar hinaufführte, sah Alexandra Tränen in ihren Augen glänzenund ihr wurde das Herz noch schwerer. Kate ließ sich neben Gracenieder und Alexandra blieb alleine mit Christian zurück. Seine Näheund das Wissen darum, was sie ihm – ihnen allen – gleich antunmusste, schmerzte fast körperlich. Die Musik verstummte, der Pastortrat vor, die Gäste ließen sich nieder. Alexandras Herz schlug soschnell und hart, dass sie fürchtete, es würde ihr aus demBrustkorb springen. Sie wagte es nicht, Christian anzusehen,umklammerte nur verzweifelt ihren Brautstrauß. Sie atmete tief undzittrig durch. ,,Liebe Freunde, liebe Familie und liebe Gäste",begann der Pfarrer. ,,Ich heiße Sie heute hier willkommen, um ..."Jetzt oder nie. Alexandra räusperte sich leise. Der Pfarrerverstummte erstaunt und sah sie fragend an, Christian ebenso. ,,Ichwürde gerne etwas sagen", flüsterte Alexandra und hoffte, dassihre Stimme lange genug durchhalten würde. ,,Hat das nicht nochZeit?", fragte der Pfarrer leise. Alexandra schüttelte den Kopf.,,Nein, hat es nicht." ,,Alexandra?" Christian machte einenSchritt auf sie zu. In seiner Stimme lag Besorgnis, aber auchMisstrauen und eine dunkle Vorahnung. ,,Was hast du vor?" DochAlexandra ignorierte ihn und trat vor. Alle Blicke richteten sich aufsie, doch die Gesichter verschwammen vor ihren Augen. ,,Ich habe ..."Ihre Stimme brach und sie setzte erneut an. ,,Ich habe euch etwas zusagen. Euch allen." Ein Raunen ging durch die Gäste. ,,Alexandra,nicht! Was tust du denn da?", zischte Christian aufgebracht. Siesah ihn an und ihr Herz war unendlich schwer. ,,Ich kann das nichtmehr, Christian", flüsterte sie. ,,Bitte!" Ihre Stimme zitterte,doch sie brach nicht, als sie fortfuhr. ,,Als ich diesen Mann", siezeigte auf Christian, ,,vor sechs Tagen kennengelernt habe, habe ichihn gehasst. Ich stand kurz davor einen Deal abzuschließen, auf denich jahrelang hingearbeitet hatte, in den ich all meine Mühen undAnstrengungen gesteckt hatte und ich konnte niemanden brauchen, dermir jetzt in die Quere kam. Doch dann, vor vier Tagen, erfuhr ich,dass ich zu den Verhandlungen hierher kommen sollte, zusammen mitmeinem Ehemann. Aber ich hatte keinen Ehemann. Deshalb beschloss ich,Jonathan Sparks, der mich in sein Haus einlud, zu belügen. Völligskrupellos war ich bereit alles zu tun, um diesen Deal abzuschließen.Ich zwang Christian so zu tun, als wäre er mein Verlobter. ImGegenzug sollte er seinen Artikel über mich schreiben dürfen. Erhatte keine Wahl." Sie sah zu Christian, in dessen Augen stummesEntsetzen lag. ,,Es tut mir so leid, Christian", flüsterte sie undendlich stiegen ihr Tränen in die Augen. ,,Es tut mir so unendlichleid! Ich hätte dich da nie mit reinziehen dürfen." Obwohl sieblind vor Tränen war, wandte sie sich wieder an die Menge. ,,Ichdachte, das hier würde einfach werden. Ich dachte, es wäre nur einSpiel. Wir würden uns als Verlobte ausgeben, ich würde den Dealabschließen, er würde seinen Artikel schreiben und am Ende würdenwir wieder auseinander gehen und uns nie wieder eines Blickeswürdigen. Aber ich habe mich geirrt." Und jetzt brach ihre Stimmedoch. Sich auf den Beinen zu halten und nicht schluchzend zusammen zubrechen kostete sie unendlich viel Kraft. ,,Ich hatte völligvergessen, wie es ist, eine Familie zu haben. Jemanden, der sich umeinen sorgt, der einen liebt, auch wenn man Fehler begeht, der aneinen glaubt, selbst wenn man selbst zweifelt. Ich hatte vergessen,was die wirklich wichtigen Dinge im Leben waren, dass kein Geld derWelt Liebe, Freundschaft und Vertrauen aufwiegen können. Aber ichhabe dieses Vertrauen gebrochen. Ich habe all die Menschen verratenund hintergangen, die mir wichtig geworden sind. Die Menschen, diefreundlich zu mir waren, die mich aufgenommen haben, mit denenzusammen ich gegessen und gelacht habe, die einen völlig neuenMenschen aus mir gemacht haben. Einen besseren Menschen." Tränenströmten ihr haltlos über das Gesicht. ,,Aber ich kann das nichtmehr. Ich kann euch nicht länger irgendwas vorspielen, euch belügenund enttäuschen. Ich weiß, das habe ich. Ich hab jeden einzelnen indiesem Raum betrogen, jeden einzelnen enttäuscht. Aber jetzt ..."Ihre Stimme versagte. ,,Ich wollte nur ... wollte nur noch Dankesagen. Danke euch allen. Für alles. Es tut mir so unendlich leid."Ein letztes Mal in Christians Miene zu sehen, in der sichFassungslosigkeit, Entsetzen, Trauer und Bestürzung spiegelten,brach ihr fast das Herz. ,,Du hast deinen Teil der Abmachunggehalten", flüsterte sie tonlos. ,,Und ich halte meinen. Ichhoffe, du kannst deinen Artikel jetzt schreiben." Sie raffte ihreRöcke zusammen und stieg die Stufen hinab, verharrte ein letztesMal. ,,Danke. Für alles." Sie schaffte es nicht, ihn anzusehen.Dann eilte sie den Gang hinab, immer schneller und schneller, bis sieschließlich rannte und dann schlugen die Tore donnernd hinter ihrzu.


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