Alexandrastand ganz hinten am Tresen, in der dunkelste Ecke der ohnehin schonzwielichtigen Bar. Sie war im americano- western Style gehalten, ausden Lautsprechern tönte irgendeine blecherne, mexikanische Musik, ineiner Ecke schlief ein Typ mit Sombrero. Der dunkle Schankraum warzugestellt mit museumsreifen Tischen und Stühlen, flackernde rostigeLampen spendeten dämmriges Licht, in einer Ecke blinken uralteSpielautomaten. Während Alexandra sich bemühte Stress und Sorgen inihrem zweiten Cosmopolitan zu ertränken, fiel ihr wieder ein, warumsie sich in die höheren Schichten der Gesellschaft hochgearbeitethatte. Zum Beispiel, um die Bekanntschaft mit den niederen Schichtenzu vermeiden, wie die des Typen, der soeben durch die Ladentürgekommen war und sich ihr viel zu zielstrebig und selbstsichernäherte. Unwillkürlich drückte Alexandra sich noch tiefer in dieEcke und stellte ihr Glas auf dem Tresen ab. ,,Na na na, was habenwir denn da für ein entzückendes, kleines Vögelchen?" Alexandraerstarrte. ,,Was wollen Sie von mir?" Ihre Stimme klang nicht sofest, wie sie es sich erhofft hatte. ,,Doch eher ein Wildkätzchenals ein Vögelchen." Der Mann kam näher. Trotz der Entfernungbemerkte Alexandra den bitter- sauren Gestank von Alkohol undZigarren. Schlecht geschnittenes Haar, unreine Haut und grobeBartstoppeln schimmerten im Dämmerlicht. Alexandra sah sich hastigum, doch in ihren Schuhen würde er sie selbst mit einem Betonklotzam Bein einholen. Er setzte sich auf einen Barhocker neben sie undobwohl er ihr schon viel zu nahe war, rückte er noch näher heran.Ihr Atem beschleunigte sich und ihr Herz begann zu rasen. ,,Du bistnicht von hier, nicht wahr, Wildkätzchen?" Seine schmierige,gierige Stimme und sein lüsterner, begehrlicher Blick jagten ihrSchauer über den Rücken und ließen ihr den kalten Schweißausbrechen. ,,Wenn du willst, kann ich dich ein bisschen rum führen,Wildkätzchen. Glaub mir, man kann hier viel erleben." In seinentrüben Augen brannte ein Feuer, dass Alexandra zutiefst anwiderte.,,Ich verzichte." Sein Lachen klang wie ein Röcheln. ,,Aber aber,Kätzchen. Wir wollen doch nichts überstürzen." Er rückte nochnäher. ,,Meine Führung gibt's auch völlig umsonst. Das heißt,fast umsonst." ,,Bleiben Sie mir vom Leib!", verlangte Alexandra,doch in ihre Stimme hatte sich ein flehender Unterton geschlichen.,,Gehen Sie weg!" ,,Und wenn ich nicht will?" Alexandra schnapptenach Luft. ,,Bitte!", flüsterte sie heiser. ,,Gehen Sie weg!"Sie wollte sich an ihm vorbei drängen, doch er stand schneller auf,als sie von einem Betrunkenen erwartet hätte und stützte die Armerechts und links von ihr an die Wand. Von nahem war der Gestank nochschlimmer. ,,Wolltest du etwa schon gehen, Kätzchen?" Die Panikdrohte Alexandra zu überwältigen. ,,Bitte, lassen Sie mich gehen!",flehte sie. ,,Niemals, Kätzchen. Du bist das einzige, was ich will.Hier und jetzt." Alexandra begann zu zittern. ,,Ich bitte Sie ...",,Lassen Sie sie los!" Vor Erleichterung gaben ihr fast die Knienach. Schritte näherten sich. Grunzend drehte der Mann sich um.,,Sie werden jetzt auf der Stelle verschwinden!" Noch nie hatte sieAlmound so sprechen gehört, irgendjemanden so sprechen gehört.Seine Stimme war eiskalt und steinhart und in seinen Augen lodertedie blanke Wut. Der Betrunkene betrachtete Almound. ,,Und wer bistdu, dass du Anspruch auf sie erhebst?" Almound kam noch näher.Seine Präsenz schien die gesamte Bar auszufüllen, bedrohlich,furchteinflößend und übermächtig. Er überragte den Betrunkenenum gut einen halben Kopf und in seine unbändigen Wut wirkte er nochgrößer. Der Mann wich unwillkürlich zurück. ,,Ich bin ihrVerlobter und wenn Sie meine zukünftige Frau noch einmal anrühren..." Almound ließ die Drohung unausgesprochen, doch sie wirkte.,,Nun mach dir mal nicht ins Hemd, Kleiner." Brummend verzog derTyp sich. Und Alexandra brach zusammen. Almound fing sie auf, ehe sieauf dem Boden aufschlug und zog sie eng an sich. Sie krallte dieFinger in seinen Rücken, vergrub den Kopf an seiner Schulter undbrach in Tränen aus. Er hielt sie fest, sein Arm um ihre Taille gabihr Halt, mit der anderen Hand streichelte er sanft ihre Schultern.,,Ist ja gut", murmelte er in ihrem Haar. ,,Ist ja schon gut. Allesgut. Ich bin da. Und so wie es aussieht, werde ich dich auch nie mehraus den Augen lassen." Sie schlang die Arme noch fester um ihn,genoss die Wärme und Feste und Sicherheit seines Körpers, schmiegteden Kopf an seinen Hals und gab sich für einen Moment dem Gefühlder Geborgenheit hin. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie dasletzte Mal so umarmt worden war. Das letzte Mal, das sie sichüberhaupt an eine Umarmung erinnerte, war am Vortag gewesen, wo sieAlmound mit der Behauptung er wäre ihr Ehemann überrumpelt hatte.Aber das war nur zum Schein gewesen. Und unter Zwang. Das hier warecht und sie genoss es mehr als sie zugeben wollte. Sie merkte, dasssie längst aufgehört hatte zu weinen und sich auch ihr Atem wiederberuhigt hatte. Zweifelsohne musste er das auch gemerkt haben, denner hatte aufgehört beruhigend vor sich hin zu murmeln und ihr überden Rücken zu streicheln. Dennoch hielt er sie weiterhin festumschlungen und machte keine Anstalten sich von ihr zu lösen.Alexandras kleine innere Göttin seufzte selig und hatte weder dieLust noch die Kraft sich aus Almounds Umarmung zu befreien. AusChristians Umarmung.

Dochschließlich fiel ihr ein, wen sie da gerade umklammerte, als hingeihr Leben davon ab. Den Mann, den sie immer verabscheut hatte. Undimmer noch tat. Oder? Ihre Gefühle waren zu verwirrend, um sierichtig deuten zu können. Sie wusste nur, dass sie etwas Abstandbrauchte, um wieder klar denken zu können. Vorsichtig aber bestimmtund mit vor Verlegenheit geröteten Wangen löste sie sich aus seinerUmarmung und schlang die Arme um sich. Als sie ein paar Schrittezurückwich, überschatteten sich Christians Augen kurz, doch dannhatte er sich wieder unter Kontrolle und räusperte sich. ,,Ich wareigentlich gekommen, um dir zu sagen, dass ich jemanden gefundenhabe, der uns mitnimmt. Also, wenn er immer noch da ist."

Kurzdarauf saßen sie auf dem Rücksitz eines alten, schrottreifen Trucksund holperten in Richtung Ashland. Alexandra fragte sich, wie vielFantasie man brauchte, um diesen Trampelpfad Straße zu nennen.Obwohl sie heftig hin und her geschleudert wurden, hielt sie so vielAbstand zu Christian wie möglich und krallte sich in die rissigenPolster, aus denen bereits der Schaumstoff quoll, um nicht gegen ihngeschleudert zu werden. Ihre Zähne schlugen bei jedem Schlaglochaufeinander. Sie schwiegen die ganze Fahrt über und Alexandra warfroh darüber. Sie wollte sich geistig auf das Treffen mit JonathanSparks vorbereiten, doch ihre widerstreitenden Gefühle ließen sienicht zur Ruhe kommen und Christians Nähe machte das nicht geradeeinfach. Die Nähe des Mannes, der ihr noch vor ein paar Tagen Chiliin den Kaffee geschüttet und ihre CDs vertauscht hatte. Der Mann,der sie gerade vor etwas bewahrt hatte, an das sie gar nicht denkenwollte. Der sie umarmt hatte, wie noch nie jemand zuvor. Der siegehalten, sie beschützt, ihr ein Gefühl von Wärme und Geborgenheitgegeben hatte. Und dessen Umarmung sie erwidert hatte, an dessenSchulter sie sich ausgeweint hatte, der ihre Hand während des Startsgehalten hatte. Sie, die ihn über die Nacht in einer Werkstatteingesperrt und ihm die Haare blau gefärbt hatte. Als der Fahrerhielt, war sie unendlich dankbar über die Abwechslung und dieGelegenheit, ihren eigenen Gedanken zu entkommen. Der Mann hatte siegenau dort abgesetzt, wo Alexandra ihn gebeten hatte. Die Adresse,die ihr Sparks gegeben hatte. Nachdem sie ihre Koffer ausgeladen undden Fahrer entlohnt hatten, fuhr der Mann weiter und Alexandra sahsich etwas ratlos um. Sie standen vor den Stufen eines Hotels undweit und breit war niemand zu sehen. Sollten sie hineingehen? Gerade,als Alexandra den Mund aufmachen wollte, bog ein sehr teueraussehendes Auto um die Ecke und hielt direkt auf sie zu. Siestraffte sich. ,,Bist du bereit, Don Juan?" ,,Immer doch, Baby."Der Wagen hielt direkt vor ihnen und ein Mann in elegantem,maßgeschneidertem Smoking stieg aus. ,,Mr und Mrs Knight?" ,,Alsoeigentlich sind wir nur verlobt ...", begann Christian, dochAlexandra stieß ihm den Ellbogen in die Seite und setzte ihrfreundlichstes Lächeln auf. ,,Ja?" ,,Mr Sparks schickt mich. WennSie so freundlich wären." Galant öffnete er ihr die Tür und nahmihr ihren Koffer ab. Alexandra stieg in den Wagen, dessen Innenraumnach Leder und teurer Politur roch. Christian stieg auf der anderenSeite ein. Er wirkte so entschlossen, als wolle er in einen Kampfziehen. Der Chauffeur stieg ein und der Motor begann zu schnurren.Sie glitten durch die Straßen. ,,Bringen Sie uns zu unserem Hotel?Ich glaube, es wäre angemessen, wenn wir uns nach der langen Reisenoch etwas frisch machen könnten, ehe wir Mr Sparks treffen.",,Ich bringe Sie direkt zu Mr Sparks' Anwesen. Er hat dieReservierung im Hotel stornieren lassen. Für ihr leibliches Wohlwird gesorgt sein." Alexandra blieb der Mund offen stehen, doch siemachte sich gar nicht erst die Mühe zu widersprechen. Stattdessenlehnte sie sich in die weichen Ledersitze zurück und versuchte,alles um sich herum auszublenden.


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