SobaldGrace die Tafel auflöste, sprang Alexandra auf, begann hektischschmutzige Teller aufeinander zu stapeln und eilte mit dem Stapel indie Küche, noch bevor Christian überhaupt aufgestanden war. Siestellte gerade den letzten Teller in den Geschirrspüler, als er,gefolgt von Greg und Ashton, beladen mit einem Tablett, in die Küchekam. Ruckartig richtete sie sich auf und floh um die Kücheninselherum in den nächsten Raum. Im Augenwinkel sah sie, wie Christianhastig sein Tablett abstellte, um ihr zu folgen. Ohne vielnachzudenken riss sie die Tür zum angrenzenden Zimmer auf unddurchquerte einen saalähnlichen Raum im Laufschritt. ,,Alexandra?"Im Laufen drehte sie sich um und sah Christian in der Türerscheinen. Sie beschleunigte ihren Schritt und bog blind nach rechtsab, eilte durch einen identischen Raum, ging immer schneller, bis sierannte. ,,Alexandra!" Orientierungs- und ziellos stürzte Alexandradurch die Hallen, Flure und Räume von Sparks Manor. Sie brauchteZeit, um sich über ihre Gedanken und Gefühle klar zu werden, dochin Christians Nähe schien ihr rationaler, gesunder Menschenverstandjedes mal auszusetzen. Als sie schnelle Schritte hinter sich hörteund sich im Rennen umdrehte, wäre sie fast in Grace hineingerannt.,,Immer mit der Ruhe, Kind!" Grace hielt sie am Arm fest. ,,Istalles in Ordnung?" ,,Ja ... ja", stotterte Alexandra und warfeinen nervösen Blick über die Schulter. ,,Ich ... ähm ... ichmusste nur schnell auf die Toilette. Wo war die noch gleich?" Sielächelte schief. Grace hob kaum merklich eine Augenbraue und deutetedann über den Gang zu einer Tür. ,,Danke." Alexandra machte sichlos, riss die Tür auf und verbarrikadierte sie hinter sich, genau indem Moment, in dem Christian um die Ecke gebogen kam und rutschendvor Grace zum Stehen kam. ,,Oh, Grace, tut mir leid. Ich habe nur ...ich bin nur ..." ,,Ihre Verlobte ist dort hinein gegangen",unterbrach Grace seine Stotterei mit unüberhörbarer Belustigung inder Stimme. ,,Grace!", stöhnte Alexandra halblaut und raufte sichdie Haare. Vermutlich war ihr seltsames Gehabe für den Rest derFamilie zum Schreien komisch. Alexandra hörte, wie sich GraceSchritte entfernten und sie noch: ,,Junge Liebe!", murmelte, alsauch schon jemand – Christian – gegen die Tür hämmerte.,,Alexandra! Bist du da drinnen?" ,,Nein!", knurrte Alexandra,gegen die Tür gelehnt. ,,Was ist los?" Christian klang regelrechtaufgelöst. ,,Was ist los mit dir? Warum läufst du schon wieder vormir weg?" ,,Mit mir ist gar nichts los!" Alexandra stieß sichvon der Tür ab, drehte den Wasserhahn auf und spritzte sicheiskaltes Wasser ins Gesicht. ,,Wird das jetzt so ein Running Gag mitdem Weglaufen? Wenn ja: das ist NICHT lustig!" Mit einemfrustrierten Stöhnen lehnte Christian die Stirn an die Tür. ,,Ichverstehe das nicht! In einem Moment spielst du die sexy, coole,smarte, junge Frau, die mit ihrem Charme jedem Mann den Kopfverdrehen könnte und im nächsten Moment bist du wieder dieeiskalte, unnahbare CEO, die jeden abblitzen und niemanden an sichheranlässt!" Alexandra lehnte sich gegen das Waschbecken undspürte den Stein unangenehm doch verdient kalt und hart in ihremRücken. ,,Vielleicht liegt das daran, dass ich eine eiskalte,unnahbare CEO bin? Eiskalt und steinhart wie ein Diamant, schonvergessen?" Er stöhnte. ,,Aber das glaube ich dir nicht!"Alexandra biss die Zähne zusammen. ,,Und was willst du dagegen tun?",,Alexandra Knight! Du machst mich wahnsinnig!" Ihr rechterMundwinkel hob sich unwillkürlich. ,,Ist das gut oder schlecht?",,Tja, ich versuche gerade das herauszufinden. Könntest du bitteaufmachen?" ,,Das ist eine Toilette!" ,,Wusstest du, dass mandiese Art Schloss ganz leicht von außen mit einer zehn-Cent-Münzeaufmachen kann?" ,,Wage es nicht!" Sie eilte zur Tür. ,,Dannkomm raus und rede mit mir! Sag mir, was los ist!" ,,Was los ist?"Ihr Auflachen klang schon beinahe hysterisch. Sie lehnte sich an dieTür. Allein schon das Wissen, dass er auf der anderen Seitevermutlich genau dasselbe tat und sie nur durch ein paar ZentimeterHolz getrennt waren, vernebelte ihr den Kopf. ,,Ich dachte, dassalles hier wird ganz einfach! Ich dachte, wir kommen hier einfachher, tun so, als wären wir verlobt, ich schließe den Vertrag mitSparks und dann gehen wir wieder und tun so, als hätten wir uns niegetroffen. Ich dachte, dass alles wird ganz leicht, weil wir quasiversucht haben, einander umzubringen. Ich dachte, wir würden vor denanderen das glückliche, verliebte Pärchen spielen und uns dann,wenn wir alleine sind, keines Blickes würdigen! Aber ich habe michgeirrt! Ich habe mich geirrt, verdammt!" Alexandra hörte dieVerzweiflung in ihrer eigenen Stimme, doch sie konnte nichts dagegentun. ,,Das läuft alles nicht so, wie ich es geplant hatte! Alle hiersind so nett und so gastfreundlich und zum ersten Mal seit Jahrenhabe ich irgendwie das Gefühl, Teil einer Familie zu sein, einerechten, großen, glücklichen Familie, die einander zwar ärgern,aber sich trotzdem lieben und vertrauen und dann sind da Sparks undGrace, die seit so vielen Jahren glücklich verheiratet sind und Kateund Ashton, die so glücklich zusammen sind und ... und ..." Tränenverschleierten Alexandras Sicht und sie ließ sich an der Tür zuBoden sinken. Ihre Kehle brannte, ihr Brustkorb war wie zugeschnürt.,,Ich dachte, im Spiel und in der Liebe wäre alles erlaubt",flüsterte sie, so leise, dass sie sich nicht sicher war, ob er esüberhaupt verstanden hatte. ,,Das hier ist kein Spiel, Alexandra."Christians Stimme klang so sanft, dass es ihr im Herzen wehtat. ,,Ichweiß." Ihre Stimme war kaum mehr, als ein Hauch. ,,Aber was ist esdann?" Sie lehnte sich an die Wand, hob den Arm und schloss auf.Vorsichtig öffnete Christian die Tür. Als er sie auf dem Bodensitzen sah, wurden seine Miene und sein Blick weich. Langsam undzögerlich, als wäre sie ein schüchternes Tier, das bei derkleinsten, falschen Bewegung fliehen würde, ließ er sich vor ihrnieder. Er machte keine Anstalten sie zu berühren und obwohl einTeil von Alexandra sich nach einer zärtlichen Berührung sehnte, warsie doch froh darüber. ,,Alexandra", begann er mit seiner leisen,tiefen Stimme ohne sie aus den Augen zu lassen. ,,Von allen Frauen,die ich je kannte, bist du die stärkste von allen. Du hast so viel,was andere sich wünschen, so viel, um das viele dich beneiden. DeinJob, dein Erfolg, dein Vermögen. So viele wünschten, sie wären wiedu." ,,Glaub mir, das will niemand", unterbrach Alexandra ihn miterstickter Stimme. ,,Lass mich ausreden", fiel er ihr sanft insWort. ,,Du hast dich hochgearbeitet, du hast dein halbes Leben langnur gekämpft. Immer musstest du stark sein, immer musstest du geradestehen und lächeln und für die Welt so tun, als wärst du eineMaschine, die keinerlei Bedürfnisse und Gefühle hat, dieunerschöpflich ist, unzerstörbar, unnahbar. Aber das bist du nichtund das musst du nicht sein. Du denkst vielleicht, du musst immerstark sein und alles alleine schaffen, aber das musst du nicht! Seieinfach mal ein Mensch. Sei einfach mal die, die du sein willst undnicht die, die die Welt in dir sieht: eine eiskalte, steinharte,unnahbare CEO. Ich glaube, dass du viel mehr bist und ich glaubeauch, dass du Angst hast, das zuzulassen, weil du die Kontrolleverlieren würdest, wenn du einmal auf dein Herz hören würdest,anstatt auf deinen Verstand." Alexandra starrte ihn an, unfähigden Blick abzuwenden. Auch ihre kleine innere Göttin war sprachlos.Unsicher sah Christian sie an, als fürchte er sich vor ihrerReaktion. Er lächelte zögerlich und streckte vorsichtig seine Handaus. Alexandra erzitterte. ,,Ich kann nicht", flüsterte sie tonlosund verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr war kalt, doch dieseKälte kam aus ihrem tiefsten Inneren. ,,Alexandra ..." ,,Bitte!",flüsterte sie und sah ihn flehend an. Er seufzte tief und sie sah,dass er erneut widersprechen wollte. Zögerlich streckte sie die Handnach ihm aus und schüttelte den Kopf, um ihn am Sprechen zu hindern.,,Bitte glaub mir. Ich kann nicht!" Sie sah Schmerz in seinen Augenaufflackern. Es brach ihr fast das Herz. Sie biss sich auf dieUnterlippe, bis sie Blut schmeckte, in der Hoffnung der physischeSchmerz wäre stärker als der psychische. Christian schloss dieAugen und atmete tief durch, als müsse er sich fassen. Dann stand erauf und streckte ihr die Hand entgegen. Mit einem schiefen Lächelnergriff Alexandra sie und ließ sich hochziehen. ,,Alexandra?Christian? Kommen Sie?", tönte Grace Stimme in diesem Moment durchden Flur. Nur widerwillig ließ Christian Alexandra los, als diesevorsichtig ihre Finger aus seinem Griff löste und Grace' Stimme indie Küche folgte, wo der Rest der Familie sich bereits versammelthatte. Sie stiegen in die Limousine, die Sparks hatte kommen lassen.Christian, Alexandra und Irene mussten sich zu dritt auf eineZweiersitzbank quetschen, sodass Alexandra, die in der Mitte saß,dicht an Christian gepresst wurde. Seine Nähe ließ sie wiedereinmal keinen klaren Gedanken mehr fassen. Es wurde immer schlimmer.Ihre kleine innere Göttin fuchtelte hektisch mit den Händen, umAlexandra dazu zu bewegen näher an Christian heran zu rutschen undschlug sich die Hand vor die Stirn, als Alexandra ihr innerlich einenVogel zeigte. Alexandra sah durch die Fenster die Berge und Wälder,grasbewachsene Hügel, Lichtungen und Felder vorbeiziehen. Sie würdediese friedliche, wunderschöne Landschaft vermissen, wenn sie wiederin New York war. ,,Wunderschön", murmelte Christian dicht an ihremOhr, doch er sie an, während er das sagte.


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