DieNacht hatte Alexandra keine Erholung gebracht. Stundenlang hatte siesich in ihrem Bett hin- und her gewälzt und doch keine Erlösunggefunden und als sie dann in den frühen Morgenstunden doch endlicheingenickt war, hatte ihr Wecker sie wieder aus dem Schlaf gerissen. 

Ermüdetzerrte sie ihren Koffer durch die Eingangshalle des New YorkerFlughafens und sah sich nach Almound um. Er lehnte lässig an einemWerbeaufsteller, hatte die Knöchel übereinander geschlagen undhielt einen Becher Kaffee in der Hand. Noch immer schimmerten seineHaare leicht bläulich. Als er sie kommen sah, blitzten seine Augenauf. Genervt blieb Alexandra neben ihm stehen und rammte den Griffzurück in ihren Koffer. Er musterte sie überrascht. ,,Und ichdachte, Frauen bräuchten je einen Koffer für Kosmetik, einen fürKleidung und dann noch einen für die wirklich wichtigen Sachen."Alexandra schnaubte. ,,Was weißt du schon über Frauen? Außerdembin ich nicht jede Frau." Er hob eine Augenbraue. ,,Ganz bestimmtnicht." Sie war verwirrt. ,,Kaffee?" Er hielt ihr einen Becherhin. Sie zögerte. ,,Ein Drittel Milch, zwei Drittel Kaffee, einHauch von Zimt und etwas Schokoraspel. Den Kakaoanteil konnte ichleider nicht feststellen." Jetzt war Alexandra überrascht. ,,Dashast du dir gemerkt?" Er zuckte mit den Schultern. ,,Es ist keinChili drin, versprochen." Sie nahm den Becher an und zuckte kaummerklich zusammen, als ihre Hand dabei seine streifte. Schnell wandtesie den Blick ab und nahm einen Schluck. Der Kaffee war wirklich gut.Sie merkte, wie er sie von der Seite verstohlen musterte. ,,Du wirkstgereizt. Hast du nicht gut geschlafen?" ,,Sehe ich so aus?",knurrte sie ironisch. ,,Jung und frisch, wie ein schöner Maimorgen."Sie verschluckte sich fast an ihrem Kaffee. ,,Was?" Sie sah seinschelmisches Grinsen, doch irgendwie hatte bei seiner Bemerkung derzynische Unterton in seiner Stimme gefehlt. ,,Hör auf einen aufmitfühlenden Ehemann zu machen", brummte sie. ,,Du würdest es janicht mal merken, wenn ich es ernst meinte." Sie zuckte zusammen.Noch nie hatte sie in seiner Stimme diesen Anflug von Verbitterungund Resignation gehört, doch er hatte den Kopf abgewandt und starrtedie riesigen Anzeigetafeln an, über die die Flüge flimmerten,sodass sie sein Gesicht nicht sehen konnte. ,,Tut mir leid",murmelte sie. ,,Hast du was gesagt?" Fragend sah er sie an. ,,Nein,nein, schon gut." Alexandra lächelte gezwungen. ,,Komm jetzt.Unser Flug geht bald."

Kurzdarauf saßen sie im Warteraum am Gate und warteten auf denBoarding-Aufruf. Nervös trommelte Alexandra mit ihren Fingerspitzenauf ihre Knie. Almound, der halbherzig in einer ScienceJournal blätterte, sah auf.,,Könntest du bitte aufhören?" ,,Tut mir leid", gab Alexandramit angespannter Stimme zurück. Er runzelte die Stirn, fragte abernicht nach. Kurz darauf wurde ihr Flug aufgerufen und sie stelltensich in die lange Schlange der Leute, die zur Gangway strömten.,,Ich finde, es gibt ein paar Dinge, die ich über dich wissensollte", meinte Almound, als sie auf ihren Sitzen saßen und dasGepäck verstaut hatten. ,,Das ist nicht Teil der Vereinbarung. Ichsagte, du wirst mich kennenlernen, weil wir wohl oder übel dienächsten Tage ein Gespann sein werden, nicht, weil du mich verhörendarfst." ,,Du bist meine Verlobte und zukünftige Ehefrau und ichweiß fast gar nichts über dich." ,,Es wird dich überraschen,aber zufällig war genau das mein Ziel." Er seufzte. ,,Alexandra,was glaubst du, wie authentisch wir wirken, wenn ich nicht einmalsagen könnte, was deine Lieblingsfarbe ist? Alexandra? Alexandra,was ist denn?" Das Flugzeug hatte sich in Bewegung gesetzt, rollteauf die Startbahn und Alexandra begann mit leichenblassem Gesicht undzitternden Händen in ihrer Handtasche zu kramen. ,,Verdammt!",stieß sie mit bebender Stimme hervor. ,,Verdammt verdammt verdammt!Wo sind sie?" Der Motor der Maschine heulte auf und das Flugzeugnahm an Fahrt auf. ,,Oh Gott!", stieß Alexandra panisch hervor.,,Hast du etwa Flugangst? Warum hast du denn nichts gesagt?" DochAlexandra reagierte nicht. Sie schnappte nur mit blanker Panik in denAugen nach Luft und krampfte ihre Hände um die Armlehnen. Almoundpackte sie an den Schultern. ,,Was ist los, Alexandra?" ,,Ich habeAngst", presste sie mit gequälter Stimme hervor. Er griff miteiner Hand nach ihren bebenden Händen und drehte mit der anderensanft aber bestimmt ihr Kinn zu sich. ,,Sieh mich an. Sieh nur michan." Seine Stimme war auf einmal ganz sanft und besorgt. ,,Sag mirwas los ist. Dir wird nichts passieren." Mit weit aufgerissenenAugen starrte Alexandra ihn an. ,,Vor zwei Jahren", stieß siehervor. ,,Konferenz auf Zypern. Beim Start sind wir fast mit einemanderen Flugzeug kollidiert. Ein paar Minuten später und wir wärenalle tot gewesen. Seitdem hasse ich das Fliegen, besonders dasStarten und Landen. Jedes Mal erinnere ich mich wieder an dieTodesangst, die mich damals gelähmt hat. Ich hatte solche Angst. Ichdachte nur: Ich will nicht sterben. Ich will nicht sterben!Bitte lass mich nicht sterben! Dieletzten Flüge aus geschäftlichen Angelegenheiten habe ich nur halbsediert überlebt, aber ich war heute so durcheinander, dass ichmeine Tabletten vergessen haben muss." Almound schwieg einenMoment. ,,Alexandra, das tut mir sehr leid." Seine Stimme klangaufrichtig und bekümmert. Sie lächelte schwach. ,,Mittlerweile binich Gott sei Dank in einer Position, wo ich andere zu mir ordernkann, aber manchmal lässt es sich nicht vermeiden." ,,Sieh aus demFenster. Wir haben es geschafft." Langsam nahm er die Hand vonihrem Kinn und sie drehte den Kopf, um aus dem Fenster zu sehen. Ihrganzer Körper bebte, als sie vor Erleichterung seufzte. Erst jetztbemerkte sie, dass sie noch immer seine Hand umklammert hielt. SeineHaut war warm und glatt, angenehm rau und weich zugleich und sieertappte sich bei dem Gedanken, den beruhigenden, angenehmen Druckseiner Hand noch länger auszukosten. Errötend zog sie ihre Händevorsichtig weg. Er räusperte sich und lehnte sich in seinen Sitzzurück. ,,Also." Alexandras Stimme klang rau und sie begann nocheinmal von vorne. ,,Was wolltest du über mich wissen?"



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