AlsAlexandra am nächsten Morgen von Vogelgezwitscher geweckt wurde,brauchte sie einen Moment, um sich daran zu erinnern, wo sie war.Gähnend schwang sie die Beine aus dem Bett. Sie wollte gerade insBad tappen, als ihr Blick auf Christian fiel. Im Schlaf wirkten seineZüge ganz weich und entspannt, viel jünger und jugendlicher. IhrBlick glitt über die zerzausten, bläulich schimmernden Haare, diescharfen Linien von Kinn und Kiefer, die weicheren Konturen derWangenknochen bis hin zu seinen leicht geöffneten Lippen. Siewirkten warm und weich, waren makellos und voll, ohne Risse undSprünge und weckten in Alexandra eine seltsame Sehnsucht. Als seineLider flatterten, zuckte sie zurück und stürzte überhastet insBad. Doch selbst als das heiße Wasser auf sie einprasselte, konntesie das Bild seiner Lippen nicht aus ihrem Kopf bannen. Ihr Gesichtglühte sie wusste nicht, ob es an der Hitze des Wasserstrahls oderihren Gedanken lag. Ihre kleine innere Göttin deutete sich räusperndauf ein Banner mit der Aufschrift: Was sich neckt, dasliebt sich. Mit einem Geräusch,halb Stöhnen, halb Knurrend drehte Alexandra ruckartig denWärmeregler und ließ eiskaltes Wasser auf sich einprasseln. Sieschnappte nach Luft, doch die plötzliche Kälte half ihr ihren Kopffür einen Moment zu klären. Zitternd stieg sie aus der Dusche undsah sich um. Da fiel ihr ein, was sie in ihrer Eile vergessen hatte:ein Handtuch. ,,Verdammt!", fluchte sie unterdrückt und schlangsich frierend die Arme um den Leib. Sie rang innerlich mit sich,obwohl ihr insgeheim bewusst war, dass sie nur eine Möglichkeithatte. ,,Christian?", rief sie zögerlich und dann nochmal lauterund entschlossener: ,,Christian!" Sie legte ihr Ohr an die Tür undlauschte. Sei hörte, wie eine Decke zurückgeschlagen wurde, einGähnen, Schritte, die sich näherten. ,,Alexandra?" Er klangverschlafen. Beim Klang seiner Stimme bekam sie eine Gänsehaut. Dochnicht vor Kälte. ,,Bist du da drinnen?" Er schien direkt vor demBad zu stehen. ,,Ja, bin ich." Sie bemühte sich, ihrer Stimmeeinen festen Klang zu verleihen. ,,Komm nicht rein! Ich habe nichtsan!" Ein Geräusch, halb lachen, halb schnauben drang zu ihrhinein. ,,Hör auf zu lachen! Gib mir lieber ein Handtuch!" Jetztein leises Lachen, aber seine Schritte entfernten sich. ,,Nichtgucken!", warnte sie ihn, als er mit dem Handtuch zur Tür kam.,,Ich kann das Handtuch ja schlecht unter der Tür durchschieben."Seine Stimme klang belustigt. Alexandra warf einen raschen Blick zumTürspalt. Er war tatsächlich zu schmal. ,,Dann mach die Augen zu!",verlangte sie. ,,Und hey, hör auf die Augen zu verdrehen! Ich weiß,dass du die Augen verdreht hast!" Er lachte. ,,Willst du dasHandtuch jetzt haben oder nicht?" ,,Ja!", murrte sie. ,,Also, ichkomme jetzt und hole es mir. Sind deine Augen zu?" ,,Ja." ,,Ganzsicher?" ,,Ziemlich." ,,Christian!" Ein Lachen. ,,Ist ja schongut. Sie sind zu. Auch wen ich mich mittlerweile frage, was duverstecken willst. Hast du ein Tattoo, von dem ich nichts weiß?",,Nein, natürlich nicht!", schnaubte Alexandra entrüstet.,,Außerdem gibt es eine ganze Menge Sachen über mich, die du nichtweißt!" ,,Du könntest mich ja einweihen, Liebling.",,Dazu werden wir später noch genug Zeit haben, Schatz",erwiderte Alexandra ironisch, obwohl sie innerlich unglaublich frohwar, dass er ihr anscheinend weitestgehend verziehen hatte. ,,Ichkomme jetzt raus", wiederholte sie und griff nach der Türklinke.,,Wehe, du guckst!" ,,Was willst du machen? Deine Schuhe nach mirwerfen? Oder noch besser: Dein Handtuch?" Sie öffnet die Tür undspähte vorsichtig um die Ecke. Er hatte dem Bad den Rückenzugedreht und schien tatsächlich die Augen geschlossen zu haben.,,Bist du immer so entwaffnend charmant?", mokierte sie sichaugenverdrehend und tappte dann barfuß zu ihm hinüber. ,,Nursamstags. Und wenn schöne Frauen in der Nähe sind." Er grinste.Schnell zog sie ihm das Handtuch aus der Hand und schlang es sich wieeine Toga um. Trotzdem konnte sie ein Lächeln nicht unterdrücken.Als sie sah, wie seine Mundwinkel sich noch ein Stückchen haben,schnappte sie empört nach Luft. ,,Hey! Ich habe gesagt: nichtgucken!" ,,Du hast das Handtuch doch schon um!" ,,Woher willst dudu das wissen? Und ich dachte, du bist ein Gentleman!" Er lachteund als Alexandra zu ihm auf sah, sah sie, dass er die Augen geöffnethatte. ,,Tja, eigentlich habe ich da so einen gewissen Ruf." ,,Dasist mir mehr als nur bewusst", murmelte Alexandra, die auf einmalmerkte, wie dicht sie vor ihm stand und, dass sie nur bedürftig inein Handtuch gewickelt war. Er hielt sie in seinem glühenden Blickgefangen und auf einmal fiel es ihr schwer zu atmen. Sie spürte einseltsames Ziehen in ihrem Unterleib. Einen bittersüßen Schmerz, dernur eines bedeuten konnte, aber das war unmöglich. Als sie sich dasletzte Mal nach jemandem gesehnt hatte, war sei fünf gewesen undihre Eltern hatten sie für drei Wochen zu ihren Großelterngebracht. Doch das war um die zwanzig Jahre her. Ihre kleine innereGöttin räusperte sich kopfschüttelnd: Du siehst ihn an,wie eine Verdurstende ein Glas Wasser! Alexandrablinzelte und schaffte es endlich ihren Blick abzuwenden. ,,Tja, ichsollte mich wohl mal anziehen", murmelte sie, raffte ihr Handtuchzusammen und verschwand im Bad. Sie ließ ihr Handtuch los, drehteden Wasserhahn voll auf und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht.Als sie in den Spiegel sah, erkannte sie sich mit geröteten Wangenund einem seltsamen, nie gekannten Ausdruck in den Augen kaum selbstwieder. ,,Verdammt, Knight, was ist los mit dir?", murmelte sie undvergrub das Gesicht in den Händen. Als ihr Herzschlag und Puls sichwieder normalisiert hatten, sah sie sich nach ihrem Kostüm um, dasssie gestern im Bad abgelegt hatte. Es war weg. ,,Christian?", riefsie. ,,Wo ist mein Kostüm?" ,,Ich hab's versteckt", rief er ihrdurch die geschlossene Tür zu. ,,Sehr lustig. Wo ist es?" ,,Sagich nicht. Ich meine es ernst: ich habe es wirklich versteckt. Dukannst doch nicht sieben Tage die Woche, dreihundertfünfundsechzigTage im Jahr im Kostüm rumlaufen! Weißt du überhaupt, was einPullover ist?" Alexandra stöhnte. ,,Ich bin schondreihundertsechsundsechzig Tage im Kostüm rum gelaufen. Ich magdas!" ,,Nein, du kennst es nur nicht anders!" Die Tür öffnetesich einen Spalt. ,,Hier. Zieh das an." Er warf ihr einKleidungsstück durch den Türspalt. ,,Christian, das ist einUnterhemd!" ,,Das ist ein Top!" Sie hörte, wie er krampfhaftversuchte ein Lachen zu unterdrücken. ,,Ich laufe doch nicht inUnterwäsche herum!" ,,Alexandra, nicht jede junge Frau ist mitMitte zwanzig CEO eines der größten Unternehmen weltweit,Multimilliardärin, Boss von hunderttausenden Arbeitern undallergisch gegen das ganze Spektrum menschlicher Gefühle undBedürfnisse." Alexandra schnappte empört nach Luft. ,,Na warte,du ..." Er lachte. Schnell stieg Alexandra in das Top, griff nachdem Handtuch und riss die Tür auf. Er schien überrascht, dannbreitete sich ein diebisches Grinsen auf seinem Gesicht aus. ,,Ichbin NICHT allergisch gegen menschliche Gefühle oder Bedürfnisse!",,Dann bist du entweder eine verdammt gute Schauspielerin oder dieEiskönigin in Person." Sie schlug mit dem Handtuch nach ihm, docher wich lachend aus. ,,Ich habe viele Talente!", knurrte sie. ,,Dubist ein Workaholic. Ohne deine Arbeit kannst du nicht leben.",,Quatsch. Ich liebe meine Arbeit halt. Und ich tue das nicht nur, umGeld zu verdienen koste es was wolle, denn davon habe ich weiß Gottgenug!" Sie näherte sich ihm, das Handtuch locker in der rechtenHand. Er wich zurück, bis an die Wand, schien jedoch nicht einmalannähernd beeindruckt. ,,Ach ja? Wann hast du denn das letzte MalUrlaub gemacht?" ,,Urlaub? Also vor drei Monaten musste ich malgeschäftlich nach Kreta und ..." ,,Das ist kein Urlaub! Weißt duüberhaupt, was es bedeutet am Strand zu liegen, einen eisgekühltenDrink zu schlürfen und einfach mal nur zu entspannen?" Alexandrablinzelte. Die Art Urlaub, von der er sprach, hatte sie das letzteMal im Grundschulalter gemacht. ,,Siehst du?", rief ertriumphierend. ,,Kein Wunder, dass du immer so verspannt bist!"Schnaubend holte Alexandra nach ihm aus. ,,Ich brauche keineEntspannung! Ich bin die Ruhe in Person!" Er fing das Handtuch abund zog sie so schnell an sich heran, dass sie keine Gelegenheithatte, loszulassen. Seine Augen glühten düster, als er sich zu ihrhinunter beugte. Obwohl er sich ein T- shirt übergezogen hatte,begann ihr Herz erneut zu rasen und ungewollt weiteten sich ihrePupillen. Sein Atem streifte ihre Lippen und unwillkürlich schlucktesie und leckte sich über die Lippen. ,,Die Ruhe in Person?",murmelte er, mit einer leisen, tiefen Stimme, die Alexandra durchMark und Bein ging, ohne sie auch nur einen Augenblick aus den Augenzu lassen. ,,Ach ja?" ,,Ganz genau", murmelte Alexandra undhasste sich dafür, dass sie ihre Stimme schon wieder nicht unterKontrolle hatte. ,,Hm", schnurrte er. ,,Immer unter Kontrolle, MrsKnight. Aber glauben Sie mir, ich werde herausfinden, was nötig ist,damit Sie einmal nicht Herr über sich selbst sind." ,,Ich wünscheIhnen viel Glück bei dem Versuch, Mr Almound." Hastig wichAlexandra ein paar Schritte zurück. In ihrem Top fühlte sie sichseltsam verletzlich und schutzlos. Er folgte ihr im geschmeidigenGang einer Raubkatze. ,,Verfolgen Sie mich etwa, Mr Almound?" Eintiefes, dunkles Lachen. ,,Laufen Sie vor mir weg, Mrs Knight?"Alexandra schluckte. ,,Ich glaube schon." Sie drehte sich um undstürzte zum Bett. Christian brauchte ein paar Sekunden, dann nahm erdie Verfolgung auf. Mit einem Aufschrei sprang Alexandra auf das Bettund begann Christian mit Kissen abzuwerfen. Er fing sie oder wichihnen aus, bis Alexandra völlig unbewaffnet war. ,,Oh nein!" ,,Ohdoch!" Er grinste diabolisch und näherte sich dem Bett, ein Kissenin der Hand. Alexandra sprang von der Matratze, sodass das Bettzwischen ihnen stand. Sie sahen einander an und seine Augenglitzerten. Er legte den Kopf leicht schief, ohne sie aus den Augenzu lassen. ,,Alexandra", sagte er ganz langsam, kostete jede Silbeaus, ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. Südlich ihresNabels zog sich alles zusammen. Aus seinem Mund klang ihr Name wieeine Liebkosung, so intim, dass es ihr beinahe die Schamesröte insGesicht trieb. Sie merkte gar nicht, dass er über das Bett gehechtetwar, bis er sie mit sanftem Druck umstieß und auf die Matratzedrückte. Er nagelte ihre Handflächen mit den seinen auf dem Bettfest, sodass sie sich nicht rühren konnte und gezwungen war, zu ihmhoch zu sehen. ,,Ich habe dich", schnurrte er. ,,Du hastgeschummelt!", protestierte Alexandra. ,,Ach ja?" Er beugte sichzu ihr hinab und verschränkte seine Finger mit den ihren. Sie wehrtesich nicht, starrte nur zu ihm hoch, unfähig den Blick abzuwenden.,,Und was willst du dagegen tun?" Sie schluckte heftig und bisssich auf die Unterlippe. ,,Ich ... ich weiß es nicht." Ein Lachen,wie ein dunkles, samtiges Grollen. ,,Wusstest du, dass Alexandra dieMännerabwehrendebedeutet?" ,,Na, das scheint ja nicht so gut geklappt zu haben",murmelte Alexandra. ,,Überaus bedauerlich, nicht wahr?" Er beugtesich noch tiefer herab, so tief, dass ihr stoßweise kommender Atemdie feinen weichen Härchen an seinen Schläfen zittern ließ. Kommnicht näher!,dachte sie mit einem Gefühl der aufsteigenden Panik, währendgleichzeitig ihr Herz zu rasen begann und bittersüßer Schmerz ihreAdern flutete. Wie konnte man etwas gleichzeitig so sehr wollen undso sehr fürchten? Sie blinzelte hektisch und sah, dass er sie austiefen, gefühlvollen Augen musterte, als könne er erraten, welchenKampf sie gerade in ihrem Inneren austrug. ,,Wovor hast du solcheAngst?" Die Frage ließ sie heftig zusammenzucken, obwohl sie nochimmer in seinem Griff gefangen war. ,,Ich ... ich habe nicht ... ichhabe keine Angst." Sie konnte ihn nicht ansehen, während sie dassagte und wand sich in seinem Griff, um seinem Blick auszuweichen. Erschwieg einen Moment. ,,Ich glaube dir nicht", sagte er dann undnun sah sie ihn doch wieder an. Er durchbohrte sie geradezu mitseinem Blick. ,,Dann tu's nicht", stieß sie hervor. ,,Aber dasbringt dich der Wahrheit auch nicht näher." ,,Oh, näher als duglaubst", sagte er mit einem tiefen Lachen. Ihre kleine innereGöttin zerrte eine Tafel herbei, auf der ihre beiden Namen standenund machte einen Strich unter Christians Namen. Hilflos zuckte siemit den Schultern. Er hat dich durchschaut.,,Wenn hier jemand Bindungsängste hat, dann doch wohl du,Mr-ich-hatte-schon-mehr-Affären-als-es-Sterne-am-Himmel-gibt!",hielt sie dagegen an. Er zog eine Augenbraue hoch. ,,Vielleicht hatteich das,Mrs-ich-könnte-arme-hilflose-Verehrer-mit-meinr-Zunge-kastrieren-so-scharf-ist-sie,aber immerhin habe ICH es überhaupt versucht und mich nicht hintereinem Eispanzer versteckt. Und vielleicht habe ich auch nur auf dieRichtige gewartet und wusste, dass ich sie noch nicht gefunden hatte.Jeder von uns sollte die Chance haben, seine wahre Liebe zu finden.Ich nicht auch?" Sein Blick loderte. Alexandra war sprachlos. Unddas gefiel ihr gar nicht. Noch nie hatte irgendjemand es geschafft,sie zum verstummen zu bringen, weil ihr schlicht und einfach dieWorte fehlten. ,,Und? Warst du bei deiner Suche erfolgreich?",krächzte sie schließlich. Ein langer, tiefer Atemzug streifte ihreStirn. Christian zögerte. ,,Wenn ich das nur wüsste", sagte erschließlich unerwartet leise, gab ihre Hände frei und ging davon.,,Hey", rief Alexandra, besorgt über seinem plötzlichenGefühlsumschwung, vorsichtig. ,,Alles in Ordnung?" Er zögerte aufhalbem Weg zum Badezimmer. ,,Ja", sagte er dann, ohne sichumzudrehen. ,,Ich glaube dir nicht." Sie sah, wie sich seineSchultern lautlos hoben und senkten, er zögerte, als würde er mitsich selbst ringen. ,,Und was willst du dagegen tun?" DieBitterkeit in seiner Stimme versetzte Alexandra einen Stich, doch erwar schon im Bad verschwunden und hatte die Tür hinter sichgeschlossen.


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