Schwanger oder Nicht- schwanger?

2.4K 107 20
                                    

Evelyn:

Unruhig klopfe ich mit meinen Fingern einen Takt auf den Tisch. Neben mir, das Telefon, welches ich seit gefühlten Stunden anstarre. Es meldet sich niemand. Gerade als ich mich tatsächlich dazu aufraffen wollte, ein Glas Wasser aus der Küche zu holen, klingelt das verdammte Phone. So schnell hat mich noch keiner rennen sehn.. Ich schwör's! Mein Blick gilt nur der Nummer auf dem Display. Da ich sie auswendig gelernt habe (ich hatte seehr viel Zeit während des Wartens) weiß ich natürlich sofort dass es die besagte Frauenärztin ist. Mit klopfenden Herzen und zittrigen Händen hauche ich ein ängstliches: "Hallo, hier ist Evelyn Engel" in den Hörer. "Guten Tag Frau Engel. Wie versprochen hier das Ergebnis des Bluttest's. Wir haben die exakte Menge des Schwangerschaftshormon's hCG in ihrem Blut gefunden. Der Test ist so mit positiv ausgefallen." Ich verstehe mal wieder nur Bahnhof. Nur eine Information sickert zu mir durch. Der Test ist positiv ausgefallen! "Oh. Vielen Dank für ihre Benachrichtigung. Ich.. muss das jetzt erstmal verdauen."

Damit hänge ich die Sprechstundenhilfe ab und taste vorsichtig über meinen Bauch. "Ich bin schwanger." Drei ganz einfache Worte, doch steckt eine große Bedeutung dahinter. Eine salzige Träne läuft über mein Gesicht. Fast wütend wische ich sie einfach weg, weg aus meinem Leben! Ich will nicht mehr so nah am Wasser gebaut sein! Klar, in diesem Moment kommt Samu zurück. Er hatte sich zurückgezogen um auch in Ruhe nachdenken zu können. "Weißt du..? Oh.. Du weißt es.." Samu breitet die Arme aus, sodass ich mich in seine Umarmung hinein kuscheln kann. "Weinst du vor Freude oder aus Traurigkeit?" "Irgendwie wegen beidem, glaub ich." Einige Minuten stehen wir einfach nur eng umschlungen beieinander und geben uns Halt. Ich atme seinen gewohnten Geruch ein, der mich sofort ruhig werden lässt. "Oh. Äh.. Störe ich..?" Lea steht da.

Aber nicht allein. An ihrer Hand hält sie eine Hand und diese Hand... Ich verzettele mich. Also nochmal. Na ja, was ich sagen wollte: Ein junger Mann steht neben ihr, ich schätze ihn ein wenig älter als wir. Er schenkt mir ein strahlendes Lächeln aus weiß blitzenden Zähnen. Marke Angeber. Im Gegensatz zu mir hat Lea scheinbar kein bisschen dazu gelernt. "Das ist Paul, mein.. äh Freund." Ich mustere ihn weiter abschätzend und vergesse für einen Moment, dass ich eigentlich andere Sorgen habe als irgendwelche Männer zu beobachten. Samu folgt meinem Blick und zieht mich wieder enger zu sich. "Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich auf den stehe, oder?" Amüsiert wende ich mich von Paul ab. "Man kann nie wissen", antwortet Samu auf finnisch. Verwirrt schüttele ich den Kopf. Man kann auch Gespenster sehen. "Ach übrigens..", werfe ich ganz lässig ein. "Mein Bluttest ist positiv ausgefallen." Ok, lässig ist vielleicht doch anders, meine Stimme zittert beim letzten Wort ziemlich... "Evelyn.." Lea nimmt mich in den Arm. "Das ist ja.." Sie lässt den Satz unvollendet im Raum stehen. "Biste nich' n' bissel jung für so n' Kind? Und wer ist dein Vater.. Der ale' Knopp da?" Mit weit geöffneten Mund sehe ich zu Lea. "Was fällt dir ein.. Du hast nicht über mein Leben zu urteilen, klar! Außerdem.. was willst du eigentlich? Ich kenn dich überhaupt nicht!" "Pssch, reg dich nicht auf Süße." Samu streicht beruhigend über meinen Rücken, doch das bringt gerade gar nichts, ich bin auf 180! "Was hast du da wieder für einen angeschleppt, Lea? Es tut mir leid, dass sagen zu müssen, aber du bist noch genauso wie früher. Du fällst immer auf dieselben Typen rein! Ich bin zu geschafft um hier rum zu diskutieren, wisst ihr was ich bin SCHWANGER! Und diesem Vollidiot von deinem Freund fällt nicht's besseres ein als mich erstmal schön zu beleidigen. Der hat doch nicht mal den Hauptschulabschluss, so wie der sich aufführt! Und jetzt entschuldigt mich und Samu: Ich brauche frische Luft!" Meine Hand greift nach der von Samu's. "Was war das jetzt wenn ich fragen darf?" "Kleine Meinungsverschiedenheit zwischen besten Freunden." Ich setze ein trauriges Grinsen auf, dass unecht wirkt. Wenn ich eins noch mehr hasse als Warten, dann sind es Streitereien. Aber das ging wirklich zu weit! "Er hat dich alt genannt.." "Seh ich wirklich schon aus wie 50?" Samu zieht ein Gesicht. Über diesen Ausdruck muss ich lachen und kann nur verneinen. "Du bist so jung wie eh und je!" "Na dann bin ich ja beruhigt.. Wo geht's jetzt hin? Wir brauchen beide Ablenkung, oder?" Ich nicke. "Lass uns in die Stadt gehen. Wird Zeit, dass ich dir endlich was von Deutschland zeige." Mit diesen Worten geht es ab in die Hamburger City. Ich zeige ihm das Rathaus, welches wirklich sehenswert ist. Am meisten begeistern Samu allerdings.. die Straßenmusiker. Man merkt, dass sein Herz für die Musik schlägt. "Warte mal kurz, ok?" Er lässt mich los, geht auf einen der Musiker zu und spricht ihn an. Was hat er vor?

Kurz darauf hat Samu bereits die Gitarre in der Hand und fängt langsam an zu spielen. Ich kenne dieses Lied nicht, doch es trifft mich sofort mitten ins Herz.

..Well honey here comes a lullaby
Your very own lullaby ...

Immer mehr Leute versammeln sich um ihn. Doch er sieht keinen einzigen dieser Zuhörer an. Seine blauen Augen sind ganz bei mir. Dies ist einer dieser Momente die ich abspeichere, in meinem ganz persönlichen Ordner.

...Please let me take you
Out of the darkness and into the light
Cause I have faith in you..

Kaum legt Samu die Gitarre zur Seite renne ich auf ihn zu und werfe mich in seine Arme. "OMG, ich liebe dich so sehr." Er küsst mich. Sofort befinde ich mich in einer anderen Welt, nur wir zwei.. Der Applaus hört gar nicht mehr auf. "Sie sollten professionell singen! Ihre Stimme kann man unter tausenden erkennen." Solche Komplimente bekommt er gerade zu hören. Ich stehe glücklich daneben und grinse mir einen ab. Weil alle eine Zugabe verlangen greift Samu erneut zur Gitarre. "Du musst mit machen." "Ok." Keine Ahnung was heute mit mir los ist. Alles ist so komisch und doch gleichzeitig schön und aufregend. Diese drei Minuten vergehen viel zu schnell und bevor ich mich versehen kann, ist auch diese kurze Phase der Freude vorbei. "Lass uns noch ein bisschen spazieren gehen", schlägt Samu schließlich vor. Schweigsam laufen wir nebeneinander her. Man könnte meinen es wäre eine bedrückende Stille, doch das ist es nicht. Ein lauer Sommertag neigt sich dem Ende zu. "Wie lange wirst du noch bleiben?" Ich weiß, dass er gehen muss. Schon bald. Sehr schlau von mir, diese gute Laune zu zerstören. Aber ich will es wissen. "Wäre es nach meiner Schwester gegangen, würde ich gar nicht hier sitzen." "Du hast eine Schwester?!" Unfassbar wie wenig ich über ihn weiß.... Und von diesem Mann erwarte ich ein Kind. Kein Grund zur Sorge. "Ja, Sanna. Einen Bruder habe ich auch, allerdings ist der Kontakt zu ihm relativ schwach."

"Was hat deine Schwester gegen mich?"

"Nichts. Sie meinte nur.. du würdest es nicht ernst mit mir meinen."

"Wie kommt sie darauf?" Ich weiß, ich bin nervig, aber es interessiert mich nun mal.

"Hmm. Das ist ein bisschen peinlich.." Seine Wangen verfärben sich rot. Es sieht wahnsinnig süß aus, sodass ich den Impuls ihm das erneut zu sagen, unterdrücken muss. "Ich hatte damals eine Freundin. Lucy. Du musst wissen, zu diesem Zeitpunkt war sie die einzige Person in meinem Leben die ich liebte..." Seine Augen glitzern verdächtig. "Und dann hat sie mich enttäuscht. Mehr als nur enttäuscht. Sie hat mir, im wahrsten Sinne des Wortes, mein Herz gebrochen. Mehrmals betrogen hat sie mich, und auch als ich es herausfand, leugnete sie es immer noch. Doch es war zu spät. Mir konnte sie nicht's mehr vormachen. Deswegen kann ich Sanna verstehen. Ihre Angst ist berechtigt, ich habe lange gebraucht um einer Frau wieder vertrauen zu können." Ich sage ausnahmsweise einmal nichts. "Jetzt wiederholt es sich in einer anderen Weise. Wäre ich nicht dein Lehrer.. wäre es einfacher." "Wären meine Eltern nicht.." Samu legt seinen Zeigefinger an meinen Mund. "Lass uns über etwas anderes reden, ok? Ich werde bis zu deinem Geburtstag bleiben. Reicht dir das erstmal als Antwort?"

"Ja. Beziehungsweise Nein. Es sind nur noch sechs Tage. Du lässt mich zurück? Schwanger wie ich bin?"

"Es tut mir leid, aber es ist besser so. Lea erzählte mir von täglichen Kontrollanrufen deiner Eltern. Es wird nicht lange dauern, dann werden sie unerwartet vor der Tür stehen. Und Riku.. Ständig kontaktiert er mich, will wissen was ich mache, wo ich bin. Ich habe seine Worte noch immer im Kopf. Wenn er uns erwischt wird er es nicht für sich behalten. Und das müssen wir unbedingt verhindern." Er steht auf und läuft einige Schritte voraus. Mir ist kalt und die Übelkeit überfällt meinen Körper erneut mit solch einer Heftigkeit, dass ich mich nur schwer auf den Beinen halten kann. "Samu!" Starke Arme fangen mich auf. "Geht's dir nicht gut?" Besorgte Augenpaare starren mich an. "Mir geht's ganz und gar nicht gut. Bring mich bitte zurück." Das tut er dann auch. Mein Gehirn kann mittlerweile nicht mehr richtig denken, vorsichtig klopfe ich gegen meinen Kopf. Alles ist so leer. War wohl einfach ein bisschen zu viel Aufregung heute. Das macht mein ohnehin geschwächter Körper langsam nicht mehr mit. Mit zittrigen Knien begebe ich mich zum Klo. "Soll ich dir helfen?" Wie aus Geisterhand steht Lea wieder neben mir. Ich winke genervt ab. Bin immer noch sauer auf sie. Kurzerhand stelle ich mich auf die Waage. Eigentlich will ich gar nicht wissen wie viel ich zur Zeit wiege. Bin ohnehin viel zu dünn. Beim Blick auf die Zahl kippe ich um.

TEACH ME / Samu Haber FF Where stories live. Discover now