Zurück zur Familie

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Samu:

Nachdem ich gestern von Evelyn's Vater hochkant aus der Wohnung geschmissen wurde, bin ich einfach nur noch totmüde und traurig ins Bett gefallen, um zu hoffen, dass das alles nur ein böser Traum war.

Es war kein Traum. Genau das wird mir gerade bewusst. 'Auch andere Väter haben schöne Töchter'. Tzz, mag sein aber keine ist wie sie. Ich könnte mich selbst verfluchen! Niemandem kann ich es erzählen.. Wenn ich wenigstens jemanden hätte dem ich mein kaputtes Herz ausschütten könnte. Riku? Ausgeschlossen, wenn er erfährt, dass ich weiterhin noch etwas mit Evelyn hatte wird er ausflippen.. Und ich könnte es sogar verstehen. Sonst fällt mir keine Person ein, der ich mich anvertrauen könnte. Während ich so da sitze und nachdenklich über mein Kinn fahre- Rasieren wäre vielleicht auch keine schlechte Idee..- spüre ich mein Handy in der Hosentasche klingeln. Eine neue Nachricht- von Evelyn.
Hallo lieber Samu! Ich wollte dir etwas sagen. Es war definitiv keine gute Idee, es meinen Eltern zu erzählen. Das wissen wir jetzt beide. Ich wäre so gern mit dir nach Deutschland geflogen. Daraus wird wohl nicht's. Meine Eltern haben mich sozusagen 'gezwungen' mit Lea bis zum Schulbeginn in Deutschland zu bleiben. Sie meinten es wäre eine gute Ablenkung.. Doch eigentlich wollen sie nur, dass ich weg komme. Von dir. Ich werde dort mit alten Freunden und Verwandten meinen Geburtstag feiern. Du glaubst gar nicht wie sehr ich dich schon vermisse! Mir zerreißt es im wahrsten Sinne jetzt schon das Herz, aber es geht nicht anders. Ich werde diese SMS auch gleich wieder löschen, da mein Gefühl mir sagt, dass Dad mittlerweile sogar regelmäßig mein Handy checkt. :( Wenn ich 18 bin, wird hoffentlich alles anders! Ich werde dich nicht vergessen! Und du mich hoffentlich auch nicht.. Wir werden noch eine Chance bekommen.. Meine Eltern können mich nicht ewig festhalten. Ich liebe dich. Evelyn. PS Wenn du das liest, sitze ich bereits im Flugzeug. Ich hatte nicht mal Zeit mich zu verabschieden. Es tut mir leid.

Resigniert lasse ich das Handy sinken. Da fällt mein Blick auf die Wand. Dort hängt ein Foto aus glücklichen Jahren: Meine Schwester Sanna und mein Bruder Santtu. Wir haben noch nie ein gutes Verhältnis zueinander gehabt. Warum kann man nicht genau sagen. Es fehlte dieser Draht, die Verbindung die Geschwister normalerweise zueinander haben. Ich habe lange nicht's mehr von ihnen gehört. Sanna ist Psychologin geworden.. Moment mal. Vielleicht könnte sie mir helfen.. So verrückt es auch klingen mag, aber wäre es nicht möglich, dass sie mir dabei hilft ein wenig los zu lassen..? Nicht den ganzen Tag nur an sie zu denken, sondern auch mal an mich selbst. Wozu ist sie schließlich Psychologin? Wieder Dinge unternehmen die man lange Zeit vernachlässigt hat..Meine Liebe zu Evelyn wird sich dadurch nicht ändern, doch ich werde endlich auch wieder Zeit für andere Sachen haben.

Ob sich meine Schwester freuen wird, dass ich ihre Hilfe in Anspruch nehmen will? Da bin ich mir noch nicht ganz sicher, doch irgendwie wäre es auch schön sie nach all den Jahren wieder in den Arm nehmen zu können. Und.. wer weiß: Vielleicht wird unsere Familie dadurch wirklich ein wenig mehr zueinander rücken.

Ohne zu zögern, packe ich wahllos eine kleine Tasche und mache mich auf den Weg nach
Kiikala, ein kleines Dorf, das 100 Kilometer von Helsinki entfernt liegt. Während der Autofahrt denke ich wieder viel nach. Und singe. Es befreit mich jeden Tag auf's neue, wenn ich den Mund öffne und meine Gedanken und Sorgen einfach anfange zu singen. Es wird schon langsam dunkel und ich habe Mühe die Augen offen zu halten. Auf den Straßen ist nix mehr los, alles ist still. Als ich endlich beim Haus meiner Eltern ankomme ist es bereits 11 Uhr abends. Ein bisschen aufgeregt bin ich schon. Ich habe mich wirklich lange nicht mehr gemeldet.

"Samu! Schön dich mal wieder zu sehen!" Mein Vater nimmt mich im Gegensatz zu meiner Mutter gleich in den Arm. Sie scheint immer noch etwas beleidigt. "Hallo Samu. Komm doch rein." Ihr Blick ist zwar kühl, doch in ihren Augen blitzt auch etwas liebevolles hervor. Sie nimmt vorsorglich meine Jacke und hängt sie an den Haken. Tja, so ist sie halt. Als ich die Küche betrete und den gewohnten Duft einatme, den mein Zuhause umgibt, sehe ich noch eine weitere Person. Sanna. Erstaunt starre ich sie an. Sie starrt zurück. Keiner von uns will aufgeben. Unser kleiner 'Kampf'wird augenblicklich beendet, als meine Mutter ebenfalls hereinkommt. "Ihr tut grad so als hättet ihr euch noch nie gesehn. Wie wärs mal mit einer Begrüßung?!"

TEACH ME / Samu Haber FF Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt