Was nun?

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Evelyn:

Als ich erwache sitze ich noch immer, die Beine leicht angewinkelt auf dem Boden. Stöhnend richte ich mich auf. Alles tut mir weh, meine Füße sind eingeschlafen und kribbeln fürchterlich. Pochende Kopfschmerzen machen mir das denken schwer, alles nur weil ich die ganze Zeit an der Wand lehnte. Doch Moment mal! Wo bin ich eigentlich? Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen, während ich mir übers Gesicht fahre. Autsch! Die linke Wange ist total dick und automatisch fällt mir alles wieder ein. Ich befinde mich immer noch bei Samu! Aber wo ist er? Und was mache ich noch hier? Meine Augen fixieren den Wecker der auf dem Nachttisch steht. 11: 15 Uhr. Waaas?! Ich müsste längst in der Schule sein.. Langsam erhebe ich mich und gehe Richtung Tür. Was soll's... Mein Leben ist momentan sowieso wieder das einzige Chaos. Ich lasse den letzten Tag noch einmal Revue passieren. Meine Finger ertasten wieder meine geschwollene Backe.

"Ahh!" Mit schmerzverzerrten Gesicht suche ich den Weg zum Bad und lasse meinen Anblick erstmal sacken. Was hat er nur mit mir gemacht? Vor mir steht wieder das Mädchen was ich vor einiger Zeit schon einmal war. Ein dünnes, zerbrechliches Ding, dass aussieht als würde es vor Kummer gleich sterben. Müde sehe ich stumpfe Augen, aus denen die Lebensfreude und der Glanz verschwunden sind. Augenringe zeichnen mein Gesicht, geprägt vom unruhigen Schlaf im sitzen. Die Haare... Zottelig fallen sie in alle Richtungen, stehen mir wirr vom Kopf ab. Selbst mit einer Bürste lassen sie sich nur schwer bändigen. Immer und immer wieder fahre ich mit der Zunge über meine Lippen. Über die Lippen die Samu vor kurzer Zeit noch geküsst hat. Ich besehe meine Hände. Die Hände die Samu vor nicht allzu langer Zeit noch in seinen gehalten hat. Seine starken Hände.. die mich andererseits auch schlugen. Ich schlucke. "Was macht dieser Mann nur mit mir?" Das würde ich wirklich gerne wissen. Ich laufe kurzerhand in die Küche um mir ein Kühlpack zu holen. Nebenbei schmiere ich noch ein Brot. Dabei fällt mein Blick auf einen dahingekritzelten Songtext. Erstaunt nehme ich ihn in die Hand.

My girl is mine.

Ja, Samu hat mir ziemlich deutlich gemacht was er von Elyas hält. Doch der Text spiegelt genau das wieder was ich schon die ganze Zeit bemerke. In der Schule. Auf dem Pausenhof. In der Cafeteria. Ich weiß, dass Samu mich nur beschützen will, doch seine Eifersucht ist einfach nur nervig und zudem auch gar nicht angebracht.

Ich brauche Zeit zum nachdenken. Wieder kommen mir Zweifel ob das mit uns eine Zukunft hat. Ich laufe in den Park, der mit einem kleinen romantischen See der Platz ist, den ich jetzt brauche. Meine Eltern machen sich wahrscheinlich schon wahnsinnige Sorgen, doch da müssen sie jetzt halt mal durch. Wieso hat Samu mich so alleine und hilflos zurückgelassen? Warum hat er mich nicht geweckt? Tja genau, weil er verdammt Angst hatte wie ich reagieren würde.

Während ich da sitze und in die Sonne blinzele, kommt ein Paar an mir vorbei. Ein zaghaftes Lächeln erscheint auf meinen Lippen. Eine Frau stützt sich auf einen Gehstock während.. ihr Mann nehme ich an, ihre Hand hält und sie sich verliebt in die Augen schauen. Ich versinke in Träumereien. Gemeinsam alt werden. Was in meinen früheren Leben unvorstellbar gewesen wäre, ist auf einmal so nah. Ich weiß mit wem ich alt werden möchte.. Doch so schön Träume auch sind. Man muss der Realität ins Auge sehen. Samu Haber ist mein Lehrer. Zudem ist er bereits 38 Jahre alt. Von gemeinsam alt werden kann also gewiss keine Rede sein. Ich blicke wieder auf den See, und sehe zu wie sich die Sonne darin spiegelt. Unvermittelt fange ich wieder an zu weinen. Die ganzen Emotionen brechen einfach nur so aus mir heraus, ich kann sie nicht zurückhalten. Das alte Paar.. mein Traum zerplatzt wie eine Seifenblase. Samu. Er hat total andere Interessen als ich. Wir sind verschieden und doch irgendwie verbunden. Trotzdem weiß ich einfach nicht was ich will und was nicht. Das macht mich fertig. Vor meinem inneren Auge taucht wieder alles auf: Als ich Samu das erste mal sah, wie ich ihn anstarrte. Später erzählte er mir es sei Liebe auf den ersten Schubs.. äh Blick gewesen. Beim Gedanken daran lache ich unter Tränen. Wo ich erfuhr, dass ich gemeinsam mit ihm singen würde. Das Schulfest. Ich weiß noch nicht wie ich es überstehen soll. Ob ich es überstehen kann.

Ich stecke mir die Kopfhörer in die Ohren und schalte mein Smartphone ein. Zwei neue Nachrichten. Eine ist von Samu.

"Es tut mir Leid." Mehr nicht. Ein simpler Satz, mit dem ich nicht umgehen kann. Ich fange an zu laufen, renne und fühle mich für einen Moment seltsam befreit. Meine Lieblingsmusik in den Ohren, die frische Luft um die Nase. Auch wenn ich nicht weiß wie es weitergehen wird. Ich kann Samu's Anwesenheit einfach nicht ertragen. Es zereißt mich innerlich, wenn ich ihn während der Schulzeit auch nur ansehe. Wieso kann man die Zeit nicht einfach zurückdrehen? Ich halte mein Gesicht in den Wind. Samu kann verdammt unberechenbar sein. Doch schon nach seiner kurzen Entschuldigung hat er mich um den kleinen Finger gewickelt.

Die Zeit wird zeigen, was mit uns passiert.

TEACH ME / Samu Haber FF Where stories live. Discover now