Kapitel 17: Es ist nie zu spät, oder?

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Lou's POV:
Ich wachte auf. Mein Hals war trocken, mein Mund schmeckte nach Eisen und Salz, der unverkennbare Geschmack von Blut und Tränen.
Ich schlug meine verklebte Augen auf und torkelte benommen ins Bad. Ich guckte in den Spiegel und sah ein komplett anderes Wesen:
Die zerzausten, kupferfarbenen Haare standen mir wild vom Kopf ab, meine Augen waren schwarz verschmiert von der Wimperntusche, über dem rechten Auge war eine verkrustete Blutschicht, das Blut war auch auf meinen Lippen getrocknet . Doch das schlimmste war mein Blick! Er war leer und emotionslos, na ja irgendwie eher traurig. Meine Haut war blasser als sonst und ich hatte dunkle Augenringe. Ich sah aus, wie aus einem Horrorfilm! Willkommen in ,, Lou Rylers Horrorleben!" Ja, so fühlte ich mich.

Ich schaltete mein Handy an, auf meinem Display blinkten zwei neue Nachrichten von Lennox auf: ,,Hey, morgen Prinzessin!" und ,,Ich liebe dich, Schöne!". Ich traute mich nicht ihm zu antworten, ich wusste nicht was ich hätte schreiben sollen...das einzige was ich wusste, dass ich nicht hier sein wollte. Ich wollte jemand anders sein!

Ich ging Duschen, langsam spülte ich das getrocknete Blut und die Wimpertusche ab. Es tat echt gut zu Duschen. Das Wasser das an mir herunter floss, war schwarz- hellrot. Doch mir ging es langsam besser und ich probierte mich auf den Tag, der vor mir lag, zu konzentrieren. Wir würden die Bilanzen des letzten Monats durchgehen, mein Vater kam deswegen extra in die Firma. Ich zog mir eine blaue Jeans und ein weißen Strickpullover an. Ich schnappte mir meine blaue Winterjacke und fuhr los.

Mist, ich war schon fast 10 Minuten zu spät. Ich hetzte zum Fahrstuhl. ,,Na, auch verschlafen?", begrüßte mich Lukas. Er sah ziemlich verkatert aus, er hatte rote Augen und dunkle Augenringe, ich wusste gar nicht, dass er gestern so viel getrunken hatte. ,,Ja, war ganz schön spät gestern. Du siehst aber ganz schön verkatert aus.", keuchte ich und musste schmunzeln. ,,Danke, du weißt echt, wie Komplimente gehen. Ich kann ja nichts dafür, dass ich nicht so saufen kann wie ein Loch.", entgegnete er mürrisch. Ich lachte, er hatte es schon immer doof gefunden, dass seine kleine Schwester trinkfester war als er. ,,Man muss halt seine Grenzen kennen!", grinste ich triumphierend.

Wir kamen am Konferenzraum an und unser Vater wartete bereits, mit einem vorwurfsvollem Gesicht. ,,Schön, dass ihr euch auch mal bequemt habt hier her zu kommen.",er klang genervt. Was verständlich war! ,,Sorry, war gestern zu spät!", gab Lukas von sich. ,,Ich dachte die Jugend von heute kann wenigstens noch feiern.", mein Vater lachte amüsiert. ,,Okay, wir haben verstanden!", ich guckte ihn durchbohrend an. ,,Da hat wohl jemand schlechte Laune, lief diese Nacht nicht so gut mit Lennox oder was?", zog mich nun Lukas auf. ,,Der ist gestern schon gefahren und jetzt halt die Klappe!", ich guckte ihn gespielt böse an. ,,Genug herum gealbert, kommen wir zu den Bilanzen.", mein Vater setzt wieder sein ernstes Gesicht auf. ,,Okay, also wir haben unseren Umsatz um fast 50% gesteigert als in den vorherigen Monaten.", beginne ich. ,,Genau und laut meiner Statistik haben wir ihn bis zum Ende des Jahres um 80% gesteigert!", fährt Lukas fort. ,,Ich bin wirklich stolz auf euch, wisst ihr das?! Macht weiter so, das klingt sehr gut.", das erste mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, dass mein Vater etwas ernst meinte. Das Gefühl war fast surreal...

Ich verließ das Meeting mit einem Lächeln auf den Lippen. Doch schnell holte mich die Realität wieder ein und mir wurde bewusst, dass ich eigentlich alles andere als stolz auf mich sein konnte...

Meine Gedanken kreisten wieder um Mo, Lennox und um den Verrat, den wir ja gewissermaßen beide begangen hatten. Ich überlegte, wie mein Leben wohl gewesen wäre wenn ich Mo gar nicht kennengelernt hätte...wäre ich dann immer noch so kalt? Nein, ich bereute es nicht ihn kennengelernt zu haben, er hatte mir die Augen geöffnet und mich zu einem besseren Menschen gemacht!Aber wie wäre es wenn ich ihn unter ganz anderen Umständen kennengelernt hätte? Wenn unsere Clans nicht zerstritten wären, wenn wir vielleicht beide in gar keinem Clan gewesen wären...Hätte ich ihn überhaupt kennengelernt? Und wenn ja, wären wir ein Paar geworden? Hätte ich mich in ihn verliebt und er sich in mich? Würden wir jetzt zusammen als ganz normales Pärchen im Park sitzen und unser Leben genießen? Warum konnte ich das nicht haben?! Wieder einmal stand mir der Clan im Wege...

Schatten des Untergrunds Where stories live. Discover now