Kapitel 13: Löwenmut!

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Mo's POV:
Es war nun schon über eine Woche her seit ich mit Lennox einen Deal gemacht hatte und immer noch probierte ich Tag für Tag Lou zu vergessen. Was mir irgendwie nicht so ganz gelang...

,,Lou warte!"
,,Nein Mo, es ist vorbei, wann verstehst du das?"
,,Nein, nein, nein, es darf nicht vorbei sein! Ich...Ich liebe dich doch"
,,Das darfst du aber nicht, vergiss mich einfach, bitte!"
,,Das kann ich nicht..."

Schweißgebadet wachte ich auf, es war mitten in der Nacht und ich hatte mal wieder einen Alptraum gehabt, obwohl dieser Alptraum doch wirklich sehr meinem Leben ähnelte...
Ich hatte in letzter Zeit oft Alpträume, ich schlief im Allgemeinen schlecht und das machte sich bemerkbar, dunkle Ringe zeichneten sich unter meinen Augen ab.
Aber ich musste verdammt nochmal funktionieren, ich durfte jetzt nicht aufgeben, irgendwo am Ende dieses dunklen Tunnels gab es wieder Licht, das sagte ich mir jeden Tag aufs Neue.

Langsam stand ich auf und ging raus auf den Balkon, vielleicht würde ein bisschen frische Luft ja helfen. Die kalte Nachtluft umhüllte mich und ich guckte zu den Sternen, manchmal wünschte ich mir einfach da oben zu sein, alleine, dann wäre mein Leben so viel leichter...
Ich atmete tief ein und aus, ich spürte die Luft über meine Atemwege in meine Lunge strömen, es hatte eine beruhigende Wirkung auf mich. Meine Füßen froren, da ich barfuß war, aber das war mir egal. Ich liebte es hier draußen, ich konnte ganz Brooklyn sehen, die blinkenden Lichter der Autos und Bars und die vereinzelten Laternen, die einsame Gasse beleuchteten.

Eigentlich hatte ich mich hier immer wohl und zu Hause gefühlt, ich kannte hier alles. Ich hatte lange darum kämpfen müssen nach Brooklyn zu ziehen, mein Vater war der Meinung gewesen, dass ich lieber bei ihm in Queens bleiben sollte, aber ich hatte mich durchgesetzt. Jetzt würde das hier eh bald zu uns gehören, also war es gut das ich hier schon wohnte. Mein Vater wusste von meinem Packt, er war stolz gewesen. Damit hatte ich eigentlich das erreicht, was ich immer erreichen wollte, ihn stolz machen! Aber jetzt fühlte sich das Alles gar nicht mehr so gut an...ich fühlte mich gebrochen, mein Vater hatte endlich das aus mir gemacht, was er immer haben wollte. Ich hörte mich echt ein bisschen depressiv an, aber ehrlich gesagt war ich das auch ein bisschen...

Wie ich so auf Brooklyn hinunter blickte, fragte ich mich, wie es wohl außerhalb von New York war, ich hatte die Grenzen der Stadt fast nie verlassen und war eigentlich neugierig, wie der Rest der Welt so war?
Irgendwann fragt man sich doch immer: Hab ich schon alles gesehen und erreicht im Leben? Ich hätte nie gedacht, dass ich mir diese Frage mal mit 22 stellen würde, aber ich tat es.
Eigentlich wusste ich die Antwort: Nein, ich hatte längst nicht alles von der Welt gesehen und auch nicht alles erreicht! Ich wollte so viel mehr... und am meisten wollte ich die einzige Person, die ich je geliebt hatte an meiner Seite. Aber das ging nun mal nicht und damit musste ich mich abfinden, ich konnte ihr ja nicht ewig hinter her trauern. Mit diesem Vorhaben ging ich wieder zurück in mein Bett und kuschelte mich in meine Decke.

Am nächsten Morgen piepte mein Wecker viel zu früh und ich schreckte hoch. Ließ mich aber gleich darauf wieder in mein Kissen fallen. Nach weiteren fünf Minuten in denen der Wecker unaufhörlich gepiept hatte, stand ich auf und schlurfte ins Bad, als ich in den Spiegel sah erschrak ich: Ich hatte dunkle Ringe unter den roten Augen-Ja, ich hatte in der letzten Zeit geweint. Schnell schüttete ich mir Wasser ins Gesicht, damit ich halbwegs frisch aussah.
Ich zog mich schnell um und fuhr mit gleichgültiger Miene zu meinem Arbeitsplatz.

Dort erwartete mich ein Haufen Arbeit, ich seufzte und setze mich an meinem Schreibtisch. Es waren hauptsächlich Rechnungen, Bestellungen und Aufträge. Ich ging sie durch und kalkulierte Zahlen über Zahlen. Zum Glück musste ich mir nicht den Kopf über das Geld zerbrechen den Lennox würde mir ja die 3,5 Millionen auf das marokkanische Konto überweisen...
Irgendwann wurde mir schlecht von den ganzen Zahlen und ich ging kurz vor die Tür um Luft zu schnappen.

Kurzentschlossen setzte ich mich in meinen Wagen und fuhr los, ich wusste genau wohin. Ich hatte kein Bock mehr auf New York, die Hochhäuser, die ein einengten und einem die Luft zum Atmen förmlich weg sogen, auf meinen Vater, die Geschäfte und mein Leben als Kartellleader. Ich wollte weg, einfach nur weg! Als ich so an den Menschen vorbeifuhr, wurde mir bewusst, dass ja jeder eine Lebensgeschichte hatte, die er mit sich rumträgt.
Jeder hat auch eine Last im Leben zu tragen!
Hatte ich überhaupt das Recht mein Leben so zu hassen und schlecht zu reden?
Ich hatte doch eigentlich immer alles gehabt: ein Dach über dem Kopf, Essen und Geld. Aber dafür hatte ich keine Familie, Liebe oder wahre Freunde gehabt.
Wie schreibt man den F-A-M-I-L-I-E? Da wurde mir auch schmerzlich bewusst, dass ich gar nicht aus diesem System rauskonnte, ich hatte ja keinen Abschluss. Dieses System, was von Härte, Strenge und Kälte kontrolliert wurde, wo man funktionieren musste, wo man wegen Fehler wegschmissen wurde, hasste ich.
Doch Lou hatte mir gezeigt, was Liebe war. Und auch wenn mit ihrem Eintritt in mein Leben alles komplizierter geworden war, hätte ich den Moment, wo ich sie getroffen hab, nie zurück drehen wollen.
Sie hatte mir die Augen geöffnet!
Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, sie hat mir nicht wehgetan mit ihrer Kälte als sie von meinem Clan erfahren hatte, aber ich konnte sie verstehen! Trotzdem stellte ich mir jeden Tag die Frage: Trauerte sie so wie ich? Dachte sie an mich?...Liebte sie mich?...

Endlich kam ich an, an meinem Lieblingsort: Dem Oneida See, er war noch in New York. Doch hier ließ nichts von der Stärke, der Lautstärke und der Hektik der Stadt erahnen.
Es war wie eine andere Welt, eine Welt für sich, wie oft war ich hier schon hergekommen, wenn ich nicht mehr weiter wusste? Dann hatte ich angefangen in der undurchdringlichen, klaren Wasseroberfläche nach Antworten auf meine unendlichen Fragen zu suchen.
Das Wasser glitzerte in der Sonne, das hatte etwas magisches an sich und am liebsten wäre ich hinein gesprungen, aber dafür war es zu kalt. Trotzdem, das rote Laub, das bei jedem Schritt unter den Füßen knisterte, das Zwischern der Vögel, diese Stille von den Autos und der Geruch nach Wald, beruhigten mich und langsam kam ich zur Ruhe.

Ich spazierte um in den See und genoss die Ruhe, die ich sonst nie hatte. Meine Gedanken an meinen Vater, New York, den Clan und Lou verschwanden und endlich fühlte ich mich wieder, wie ich und stärker denn je. Ab jetzt würde ich mein Vertrauen nur noch an die Leute verschenken, die ich liebte, mein Vater gehörte nicht dazu. Hart, aber wahr!

Plötzlich kam mir eine Idee für ein neues Tattoo, ich rief einen Kumpel an, der ein Studio hatte und ich vereinbarte einen Termin für heute, außerhalb der Öffnungszeiten. Ich wollte eigentlich niemals wieder nach New York- aber wie sagt man? Genau, gute Miene zum bösen Spiel.

Ich fuhr los und erreichte kurz darauf den Tattoo-Shop. Mit einem Grinsen auf den Lippen betrat ich das Studio. Ich wurde mit Handschlag begrüßt. ,,Hey Danny, schön, dass es geklappt hat. Danke, man!", ich lachte. ,,Alles gut, schön, dass du mal wieder da bist! Also worum geht's diesmal?", er grinste. Er hatte bisher alle meine Tattoos gestochen und das sollte auch so bleiben.

Nach drei Stunden prangte auf meinem rechten Schulterblatt ein schwarz-weißer Löwe. Denn ich hatte die Stärke eines Löwen, es war wie ein Befreiungsschlag. Endlich fühlte ich mich wieder ganz! Ich bedankte mich und fuhr wieder zu mir, zu Hause ging ich wieder auf den Balkon, doch diesmal nicht um zu weinen, sondern um stolz zu sein. Ab jetzt würde ich keine Rücksicht mehr auf meinen Vater nehmen, ich würde mich hier erst noch beweisen müssen, aber das würde ich schaffen. Es war die Zeit gekommen, wo ich zurück schlug, im wahrsten Sinne des Wortes! Ich hatte neuen Mut. Mein Leben lang hatte ich gemacht und getan was er von mir verlangt hatte, doch jetzt würde ich das Spiel andersrum spielen, zu meinen Spielregeln.
Ich machte eine Flasche Sekt auf und goss mir ein Glass ein, ich guckte durch die klare Flüssigkeit, so klar war nun auch meine Sicht auf die Dinge, ich ließ mich nicht mehr blenden. Auch nicht von Frauen mit kupferroten Haaren, oder? Ganz so sicher war ich mir da zwar nicht, aber im nächsten Moment wurde ich schon wieder von dem Gefühl unheimlichem Stolz gepackt, ich hatte mich gefunden, dachte ich da noch, das meine Reise längst nicht zu Ende war, wusste ich nicht und wie schwer das Leben wirklich sein konnte auch nicht...
Mit kaltem und stolzem Blick guckte ich über Brooklyn, eines Tages würde es mir gehören, zurückblickend ganz schön naiv...
————————————————————————Das 13. Kapitel schon! ;) Viel Spaß beim Lesen!

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