Kapitel 6

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Mit klopfendem Herzen stand ich vor dem Chemiesaal. Ich wollte da nicht rein. Never ever. Mein Magen krampfte sich zusammen, sodass mir leicht schlecht wurde. Ich wusste nicht einmal, wieso ich so nervös war, schließlich konnte mich Mr. Benett nicht zwingen, ihm irgendwas zu sagen. Vielleicht genügte meinem Körper aber auch einfach die Tatsachen, dass es Mr. Benett war, mit dem ich gleich, komplett allein, ein Gespräch führen würde. Da die Türe geschlossen war, überwand ich mich nach gefühlten 5 Minuten dazu, endlich anzuklopfen. Gedämpft hörte ich die Stimme meines Chemielehrers von innen. "Herein!" Ich atmete noch einmal tief durch und öffnete die Tür. Mr. Benett lehnte wieder an seinem Pult, als hätte er sich in den letzten zwei Stunden nicht bewegt und lächelte mich warm an. Mit einem schüchternen Lächeln betrat ich den Raum, stellte meinen Rucksack neben einem der Tische in der ersten Reihe ab und stand dann etwas planlos daneben. Hinsetzen wollte ich mich nicht, deswegen stand ich jetzt also wie ein Idiot in der Gegend herum und versuchte, wie vorhin auch schon, dem Blick meines Lehrers auszuweichen. Geschlagene 3 Minuten schwiegen wir uns an, bis Mr. Benett schließlich anfing zu reden.

"Also Taylor, hast du eine Idee, warum ich mit dir reden wollte?" Ich schwieg einfach, weil ich ihm nicht vertraute. Außerdem konnte ich nicht einschätzen, wie viel er von mir wusste und ich wollte ihm keinesfalls etwas verraten. Ich hatte diesem Treffen zugestimmt, ja, aber das hieß nicht, dass ich ihm etwas erzählen würde. Mr. Benett seufzte auf eine Art, die verriet, dass er schon mit so einer Reaktion gerechnet hatte. "Taylor, hör zu: alles was du mir sagst, wird den Raum nicht verlassen. Ich habe eine Schweigepflicht, die ich einhalten muss. Rede mit mir, dann kann ich dir vielleicht helfen." Ich zögerte kurz, beschloss dann aber doch, ihm zu antworten. "Na gut. Wenn es sie glücklich macht." Er ignorierte den letzten Teil einfach und fuhr ungerührt fort. "Okay. Wie geht es dir? Ist alles in Ordnung, schläfst du gut?" Ich schnaubte. Das waren drei Fragen auf einmal und ich hatte nicht wirklich Lust, auch nur eine zu beantworten, doch ich riss mich zusammen.

Das sind ganz normale Fragen. Beantworte sie einfach, wie es jeder normale Mensch auch tun würde. Ich war geschockt, in der Schule hörte ich ihn normalerweise nie, doch ich beschloss einfach, auf ihn zu hören. "Mir geht es sehr gut. Ausgezeichnet. Und ich schlafe normal, warum fragen sie?" Ich versuchte meiner Stimme den genervten Ton etwas zu nehmen, aber es wollte mir nicht so recht gelingen, weswegen ich mich vermutlich anhörte, wie ein zickiger Teenager. Gut, genaugenommen war ich ja auch nichts anderes als das. Mr. Benett sah mich forschend an. "Wirklich? Du schläfst gut? Warum schläfst du dann in meinem Unterricht ein?", fragte er herausfordernd und ich seufzte ergeben.

Er hat dich. Jetzt bringt es wohl nichts mehr, ihn anzulügen. Am Liebsten hätte ich mit den Augen gerollt. Er war mir echt keine große Hilfe im Moment. Ich versuchte also, ihn zu ignorieren und beschloss, ehrlich zu sein. "Ja gut, vielleicht habe ich manchmal Schlafprobleme, na und? Es geht sie doch nichts an, außerdem sind meine Noten nicht schlechter geworden, also was ist der Punkt dieser Frage?" Jetzt war ich es, der Mr. Benett herausfordernd ansah. "Der Punkt ist, dass ich mir Sorgen mache. Wie gut oder schlecht deine Noten sind, ist nicht ausschlaggebend für deine psychische Gesundheit. Also, gibt es einen Grund dafür, dass du schlecht schläfst?"

Meine Miene wurde augenblicklich düster. "Können sie sich nicht denken, warum? Sie sind doch auch schon zwei Jahre hier, es war recht groß in den lokalen Medien", meinte ich und fixierte einen Fleck an der Tafel hinter meinem Lehrer. Mr. Benett sah mich durchdringend an und schien kurz überlegen zu müssen. Bei seinem intensiven Blick lief mir ein Schauer über den Rücken und ich verfluchte mich dafür, dass ich mich ausgerechnet in ihn hatte verknallen müssen. Plötzlich veränderte sich etwas in seiner Miene und ich vermutete, dass ihm wieder eingefallen war, was hier vor zwei Jahren groß in den Medien gewesen war. "Das Mädchen, das einen Badeunfall hatte und jetzt im Koma liegt, oder? Sie-", er sah mich überrascht an, "sie ist deine Schwester, oder? Und dann warst du vermutlich an dem Tag dabei?" Ich nickte leicht und setzte erneut zum Reden an. "Ich war an dem Tag nicht nur dabei – ich bin schuld an ihrem Unfall." Ich schaute zu Boden und wagte es nicht, ihm in die Augen zu schauen. Ausgerechnet mein Lehrer war derjenige, dem ich als erstes von meinen Gefühlen erzählte. Mr. Benett sah mich erschrocken an. "Wie meinst du das, du bist schuld? Soweit ich weiß, wurde sie von einer starken Strömung erfasst und ins offene Meer gezogen. Was hättest du da denn bitte tun können?"

Because of you....Where stories live. Discover now