Kapitel 35

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Mein Geburtstag kam schneller, als ich es für möglich gehalten hatte. Heute war der zweite Oktober und ich war endlich achtzehn. Nur... ich fühlte mich nicht sonderlich anders. Nicht erwachsener, nicht total selbstbewusst und ich hatte auch nicht plötzlich einen Plan für mein Leben entwickelt. Allgemein war der Geburtstag nicht wirklich ein besonderer Tag für mich. Ich wollte weder eine Party, ich hasste es, wenn die Aufmerksamkeit auf mir lag, noch viele Geschenke. Auch meine Mom und Amira, die nach einer Woche Krankenhausaufenthalt, sehr zu meinem Missfallen, zu der Reha abgereist waren, hatten nicht kommen können. So war mein Geburtstag ein Tag wie jeder andere auch, abgesehen davon, dass mich gefühlt der komplette Jahrgang beglückwünschte. Geschenke gab es gottseidank nicht, ich hatte meine Freunde quasi angefleht, sie sollten mir doch bitte nichts schenken. Um eine Tradition kam ich allerdings nicht herum - seit wir in der sechsten Klasse gewesen waren, hatte unser Jahrgang jeden Lehrer jeder Schulstunde davon überzeugen können für das "glückliche" Geburtstagskind zu singen. So auch heute, weswegen ich 'Happy Birthday' heute stolze drei Mal hörte. Mein Vater und ich ließen es ruhiger angehen. Er hatte sich den Tag extra freigenommen. Wir skypten mit Mom und Amira und nachmittags kamen überraschend meine Großeltern väterlicherseits mit Kuchen vorbei. Sie blieben eine ganze Weile, hatte neben Kuchen auch noch ein Geschenk dabei. Es war ein Buch, dass ich mir schon ewig gewünscht hatte und dass sie mir jetzt überraschend geschenkt hatten. Ich freute mich sehr, doch als mein Dad und ich den Abend mit etwas Wein ausklingen ließen, wünschte ich mir insgeheim, bei Jonah zu sein, der in den letzten Wochen ständig mit seinem tollen Geschenk angegeben hatte. Es hatte eben doch seine Vorteile, vor einem Feiertag Geburtstag zu haben.

Am nächsten Morgen wachte ich bereits relativ früh auf. Ich war total aufgeregt, denn ich hatte wirklich keine Vorstellung, was mich bei Jonah erwarten würde. Frustrierend war allerdings der Fakt, dass Jonah mir ausdrücklich gesagt hatte, dass ich erst um elf Uhr bei ihm sein sollte. Das war ja relativ früh und war theoretisch eine angenehme Uhrzeit, mein Problem war lediglich, dass es erst halb acht war und ich somit noch drei Stunden warten musste, bis ich endlich loskonnte, um nicht zu früh zu erscheinen. Was also tun in der langen Zeit? Ich beschloss, erstmal duschen zu gehen, danach würden wir weitersehen. Essen würde ich jedenfalls nichts, denn mein Magen krampfte vor Neugierde und Anspannung dermaßen zusammen, das mir schlecht wurde. Also stellte ich mich unter die Dusche, genoss das warme Wasser, das über meinen Körper strömte und ließ mir extra viel Zeit. Trotzdem war ich nach zehn Minuten fertig, stieg aus der Dusche und föhnte mir die Haare. Nach weiteren fünf Minuten stand ich dann vor meinen Kleiderschrank, um die mit Abstand schwierigste Frage für heute zu klären:

Was sollte ich anziehen?

Ich stand eine ganze Weile vor meinem Kleiderschrank, doch im Endeffekt entschied ich mich für nichts ausgefallenes, im Gegenteil, eine schwarze Skinny-Jeans und ein weinroter Pull waren der Look. Spontan hatte ich allerdings einen Einfall, wie ich mein Outfit etwas aufpeppen konnte und machte mich auf die Suche nach einem ganz bestimmten Gegenstand, den Phillipp einmal hier vergessen hatte. Nach fünf Minuten wurde ich tatsächlich fündig und hob den Eyeliner triumphierend in die Höhe. Warum sollte ich es denn nicht mal probieren? Vielleicht würde es Jonah gefallen mich so zu sehen und wenn nicht, wäre das auch nicht so schlimm. Ich konnte ihn ja jederzeit wieder wegwischen. Um neun Uhr saß ich komplett fertig angezogen auf unserem Sofa und wusste nicht, was ich jetzt machen sollte. Ich hatte noch eineinhalb Stunden, die ich wohl oder übel mit Instagram und YouTube vergeuden musste. Gelangweilt scrollte ich durch Instagram und sah quasi ständig auf die Uhr, doch die Zeit zog sich dahin wie Kaugummi.

Doch dann, zwei Stunden später kam der magische Moment, als ich endlich Jonahs Türklingel betätigte. Ich war die Treppen wie ein Irrer nach oben gesprintet und stand nun also völlig außer Atem vor Jonahs Türe, lächelte dabei wie ein Idiot. Die Türe ging auf und zum Vorschein kam Jonah, der, genau wie ich, normale Klamotten trug. Er grinste mich an, nahm meine Hand und zog mich dann in seine Wohnung, kickte die Türe zu und presste mich sofort dagegen. "Happy Birthday Taylor", hauchte er gegen meine Lippen, bevor er mich in einen heißen Kuss verwickelte. Wir standen uns so nahe, dass kein Blatt mehr zwischen uns gepasst hätte. Während wir gegenseitig den Mund des anderen erkundeten, ergriff ich die Gelegenheit und umschlang den Nacken des Größeren mit meinen Händen, vergrub sie in Jonahs kurzen Haaren. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die mir trotzdem viel zu kurz vorkam, lösten wir uns schwer atmend voneinander. Jonah musterte mein Gesicht und schien jetzt endlich den Eyeliner zu bemerken. Er grinste und seine grauen Augen schienen sich noch ein wenig mehr zu verdunkeln. "Steht dir gut", murmelte er und gab mir einen sanften Kuss. "Das solltest du öfter tragen." Jetzt war ich es, der grinste. "Vielleicht mach ich das ja", meinte ich und zuckte mit den Schultern. „Wer weiß?" Jonah musterte mich nochmal so intensiv, dass mir sein Blick schon beinahe unangenehm wurde, dann ergriff er meine Hand und zog mich in Richtung des Wohnzimmers.

Because of you....Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt