Kapitel 27

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An manchen Tagen hatte ich einfach das Gefühl, dass es total unnötig gewesen war, aufzustehen. Genau so ein Tag war heute. Mein Dad hatte mich zur Schule gefahren und war dann weiter zu Flughafen, um zu seiner letzten Geschäftsreise vor den Sommerferien zu fliegen. Als ich dann aber in der Schule war, hatte ich leider feststellen müssen, dass die ersten beiden Stunden ausfielen und ich mich heute Morgen völlig umsonst aus dem Bett gequält hatte. Gut nicht vollkommen umsonst, schließlich hatten wir Nachmittagsunterricht. Leider. Brienna und Phillipp begrüßten mich in etwas so unmotiviert, wie ich mich fühlte. "Hey Taylor, schon mitgekriegt? Die ersten beiden Stunden fallen aus", meinte Brienna. Ich nickte müde und unterdrückte ein Gähnen, während ich mich suchend umsah. "Wo ist Erik?", fragte ich auch neugierig. Phillipp grinste mich an. Der hat sich mit in Millies Kurs geschmuggelt, weil ihm langweilig war. Bei dem Gedanken, dass Erik einfach Radom in einem komplett fremden Kurs drinsaß, musste ich lachen. „Also gut. Und was machen wir jetzt?", fragte ich die anderen beiden. Brienna zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Lass zu unserem Baum gehen und da chillen", schlug sie vor und wir anderen Beiden stimmten zu.

Dort angekommen holte ich mein Handy raus, um zu schauen, ob ich neue Nachrichten hatte. Tatsächlich hatte Jonah mir geschrieben, fragte, ob ich heute Abend nach der Schule zu ihm kommen wollte. Wir hatten uns eine Weile nicht gesehen, weswegen ich ihm sofort zurückschrieb und zustimmte. Briennas neugierigen Blick bemerkte ich erst, als ich die Nachricht bereits gesendet hatte und zwei graue Häkchen mir verrieten, dass Jonah sie auch schon bekommen hatte. "Was ist los?", fragte ich sie, woraufhin die Schwarzhaarige wissend grinste. "Du hast mit deinem geheimnisvollen Lover geschrieben", meinte sie. Eine Feststellung, keine Frage. Seufzend nickte ich. "Und du wirst uns immer noch nicht sagen, wer er ist?", fragte Phillipp und schaute mich mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck an. Ich seufzte tief. "Leute, ich weiß, das ist ein scheiß Satz, aber ich kann es euch einfach nicht sagen, egal wie oft ihr fragt. Es tut mir leid okay?", meinte ich und merkte selbst, wie verzweifelt ich geklungen haben musste. Die anderen Beiden sahen mich zwar enttäuscht an, lenkten das Gespräch dann aber auf belanglosere Themen und natürlich auf Jaimies Party. Sie war das Thema der Schule, gefühlt die komplette Oberstufe würde kommen, vermutlich auch viele aus der Zehnten. Es war nun Mal die Abi Party für alle und läutete die Partysaison traditionell ein. Erst danach begannen die Leute an der Schule die richtig guten Partys zu feiern, die endgültig den Sommer und die bald darauffolgenden Sommerferien ankündigten. Sommerferien... nicht mal mehr einen Monat würde es dauern, bis wir endlich sechs Wochen Pause hatten und mir graute bereits vor der Zeit danach. Wir würden in der zwölften Klasse sein. Abitur machen. In die Angst, nicht bestehen zu können, mischte sich auch eine gewissen Vorfreude. Endlich würde ich frei sein! Phillipp riss mich aus meinen Gedanken, indem er eine Hand auf meinen Oberschenkel legte und mich erwartungsvoll ansah. "Was?", fragte ich und er schüttelte den Kopf über, eine Unaufmerksamkeit. Ich habe dich gefragt, ob du mit kommst. Wir wollen noch schnell zum Lehrerzimmer und Dr. Stein wegen der nächsten Klausur was fragen", erklärte Phillipp mir woraufhin ich nickte. "Na dann kommt! Sonst kommen wir zu spät und kommen nicht mehr dran!", trieb uns Brienna an und sie hatte auch jeden Grund dazu. Dr. Stein war so gut wie jede Pause von zehn bis zwanzig Schülern umlagert, die alle irgendwelche Fragen an ihn hatten. Es konnte gut und gerne eine halbe Stunde dauern, bis er jede Frage beantwortet hatte, weswegen wir uns definitiv beeilen sollten.

Der restliche Schultag verging an sich recht schnell, sodass ich mich um zehn vor fünf von den anderen verabschieden konnte und einen Bus in Richtung Innenstadt nahm. Bevor ich zu Jonah gehen konnte, hatte ich allerdings noch einen Termin bei meiner Psychologin. In der Woche nach meinem ersten Gespräch mit Kian hatte ich irgendwann eingesehen, dass ich mit meiner Situation nicht allein fertig werden würde und hatte zusammen mit meinen Eltern nach Psychologen in der Nähe gesucht. Schnell waren wir dabei auf Molly McEwan gestoßen, eine Psychologin, die ihre Praxis in der Innenstadt hatte und für mich leicht erreichbar war. Bereits nach dem ersten Mal bei ihr, war ich von ihr überzeugt gewesen. Sie hatte eine offen herzige, ruhig Art und war sehr verständnisvoll für mich und meine Situation. Auch jetzt stieß ich gutgelaunt die Türe auf und lief die Treppen in den ersten Stock des alten Gebäudes nach oben. Ich war spät dran, weswegen ich gar nicht mehr warten musste, sondern direkt zu Molly ins Zimmer gehen konnte. Vorsichtig klopfte ich an und öffnete die Türe, nachdem ein gedämpftes "Herein" von der anderen Seite der Tür zu hören gewesen war. "Hallo Molly", begrüßte ich meine Psychologin, die mir bereits bei unserer ersten Begegnung das "Du" angeboten hatte. Mir war das nur recht gewesen, es machte unser Gesamtes Miteinander deutlich entspannter. "Hallo Taylor", begrüßte sie mich. Ihre braunen Haare waren wie immer in einem lockeren Pferdeschwanz gebunden, ihre braunen Augen blitzen fröhlich auf und sie trug, wie eigentlich immer, eine Bluse und Jeans. "Setz dich doch", meinte sie und deutete auf das weiße Sofa, das normalerweise unbesetzt war. Ich staunte nicht schlecht, als ich heute ein junges Mädchen, vielleicht gerade fünf oder so, erblickte. Sie saß auf dem Sofa und malte, wobei ihr ihre braunen Haare ins Gesicht fielen. Sie war eindeutig Mollys Tochter. "Ähm...", brachte ich geistreich hervor, was mir den neugierigen Blick des Mädchens einbrachte. Sie hatte ebenso braune Augen wie ihre Mutter und zeigte mir beim Lächeln eine Zahnlücke. "Ah ja Taylor, das ist Gale, meine Tochter. Ihr Babysitter hat kurzfristig abgesagt, deshalb musste ich sie mitnehmen." Sie sah mich entschuldigend an, aber ich zuckte nur mit der Schulter und streckte stattdessen meine Hand zu Gale aus. "Hallo Gale, ich bin Taylor. Schön dich kennenzulernen." Sie kicherte leise und schüttelte meine Hand. " Taylor ist doch ein Mädchenname! ", meinte sie kichernd, woraufhin auch ich lachen musste. Molly schien weniger begeistert zu sein. "Gale! So etwas sagt man nicht! Na komm, geh mal zu Layla und zeig ihr deine Zeichnungen!", wies sie ihre Tochter an, die deswegen sofort enthusiastisch aufsprang, ihre Zeichnungen packte und zu Layla, Mollys Assistentin, rannte. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel seufzte die Psychologin auf. "Tut mir leid Taylor. Sie ist manchmal etwas aufgedreht. Sie ist ja auch erst fünf." Ich lachte nur noch einmal. "Alles gut, sie erinnert mich sehr an Amira. Sie war genauso", meinte ich und setzte mich währenddessen auf die Couch. Molly sah mich interessiert an und ermutigte mich, weiterzusprechen. "Willst du mir mehr über sie erzählen?", fragte sie und ich nickte. Es war nicht so, dass Molly nichts über Amira wusste, sie kannte meine Schwester durch meine Erzählungen inzwischen recht gut, aber sie hatte mir selbst gesagt, dass es wichtig war, über sie zu reden.

Because of you....Where stories live. Discover now