15: Meine Nummer 1

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Lucas:

Dass Cas an diesem Morgen nicht mehr da war, als ich aus der Dusche zurückgekommen bin, hat mich wenig überrascht.
Ich sollte in Zukunft echt darauf achten, solche Situationen nicht mehr zuzulassen, immerhin wollen wir ja wieder befreundet sein. Leider fühlt sich dieser Gedanke aber falsch an, Cas als einen Kumpel anzusehen. Doch alles andere ist in dieser Lage unmöglich. Okay, es wäre schon möglich, aber ich müsste Cas die Wahrheit sagen und das würde ihn nur verschrecken.
Einerseits glaube ich nicht, dass er mich deshalb als anderen Menschen ansehen wird, doch er wird mich verurteilen, ob bewusst oder unterbewusst. Ich verurteile mich doch täglich selbst.

Seufzend greife ich nach meinem Handy von der Kommode und sehe mir die Videos von gestern Abend an. Es ist ziemlich verwackelt und der Ton ist auch nicht wirklich der Beste, aber ich muss trotzdem lächeln, während ich mir ansehe wie Cas über die Bühne springt und dabei so tut, als sei er ein Mädchen oder wie er Cody antanzt.

Gleichzeitig macht es mich traurig. Ich weiß, dass ich Cas in einer verdammt schweren Zeit allein gelassen habe, nachdem ich ihn eine scheiß Schwuchtel genannt habe, und ich weiß, dass es nichts gibt, das das entschuldigt oder rechtfertigt.
Der Grund ist einfach, dass ich so wütend war. Es war kurz nach meiner Diagnose, meine Welt ist zusammengebrochen und dann war da Cas, der all diese verrückten Dinge getan hat, um seine Umgebung zu provozieren. Es hat mich genervt.
Ich hätte in dieser Zeit meinen besten Freund gebraucht, doch er war nur darauf fixiert, wie er andere durch seine Art am besten aufregen und eine bessere Toleranzgrenze schaffen kann.
Ich verstehe ihn ja, doch das ändert auch nichts daran, dass ich hier alleine auf meinem Bett sitze und Cody nun Cas bester Freund ist und all die Dinge mit ihm tut und Erfahrungen macht, die ich hätte mit ihm machen können und sollen.

Ich entscheide mich dazu, in den Park zu gehen, um den Kopf frei zu bekommen, da all meine Gedanken sich nur im Kreis drehen. Cas tanzt in meinem Kopf auf und ab und will einfach nicht damit aufhören, mich vor meinem inneren Auge wissend anzugrinsen.
Ich verschwinde also in den Park, stecke mit die Kopfhörer rein und schlendere hindurch.
Ich laufe die Route, ich eigentlich immer jogge, doch heute bin ich zu lustlos, um Sport zu machen. Ich weiß ja nicht einmal wieso, irgendwie fühlt es so an, als fehlt mir etwas und ich habe so ein seltsames Gefühl, das ich eigentlich nicht kenne.

Seufzend fahre ich mir durch die Haare. Ich stehe kurz vor der Verzweiflung, als ich plötzlich einen Schlag gegen den Körper bekomme und auf dem Boden lande, auf mir ein zierlicher Körper.
Die Frau erhebt sich, ihre Lippen bewegen sich, aber wegen der lauten Musik höre ich nichts. Die Kopfhörer aus den Ohren nehmend, frage ich: „Was hast du gesagt?"
Sie lächelt und wiederholt sich. „Sorry, dass ich dich umgelaufen habe und danke fürs Auffangen. Ich war gerade etwas unkonzentriert"
Ich nicke. „Schon okay. Geht's dir gut?" Ich mustere sie, um festzustellen, ob sie eine Verletzung hat. Alles an ihr lässt mich darauf schließen, dass sie wohl gerade joggen gewesen ist.
„Ja, alles bestens." Sie lächelt. Hübsch die Kleine, aber bestimmt ein paar Jährchen älter als ich.

„Ja dann viel Spaß beim Laufen und halte die Augen offen" Ich will wieder gehen, doch sie hält meine Hand fest und sieht schüchtern zu mir hoch. „Willst du vielleicht... Ich meine um die Ecke ist ein Café. Willst du einen mit mir trinken?"
Etwas perplex mustere ich sie. Kaum verlasse ich mal das Haus, werde ich umgerannt und dann gebeten mit jemanden einen Café trinken zu gehen. Passiert sowas immer?
Ich zucke mit den Schultern und stimme zu. „Kann ja nicht schaden"
Sie lächelt mit rötlichen Wangen und zusammen schlendern wir zu dem Café, das ich auch kenne. Unteranderem, weil es von uns Oberstufenschülern gerne als Freizeitjob genutzt wird.
Die junge Frau sucht uns einen Platz an der Ecke, ich setze mich, halte genügend Abstand.

Sofort kommt die Bedienung zu uns und fragt, was wir wollen. „Einen doppelten Espresso, schwarz ohne Zucker", meint meine Begleiterin.
Verwundert sehe ich sie an, ehe ich mir einen Milchkaffe mit Zimt bestelle.

„Wie heißt du überhaupt?", will sie dann neugierig wissen.
„Lucas. Du?"
Sie hält mir die Hand ihn. „Marinette" Sie lächelt sympatisch, während ich einschlage.
„Ist das französisch?", frage ich neugierig.
Sie nickt. „Meine Mutter ist aus Frankreich. Und was sind deine Wurzeln? Schottisch?"
Verwirrt ziehe ich Augenbrauen zusammen. Schottisch? Trage ich etwa einen Männerrock und blase in Säcke oder was?

Sie lacht über meine Verwunderung. „Wegen den roten Haaren", erklärt sie. Jetzt verstehe ich das. Ich hasse es, dass meine Haare über den Sommer rot werden, aber, um sie zu färben, habe ich nicht genügend Lust und außerdem findet Cas, dass meine Haare besonders sind. Zumindest früher. Was er jetzt dazu sagt, keine Ahnung.

„Ich habe eigentlich keine schottischen Wurzeln.", kläre ich dann auf.
Sie nickt verstehend, mustert mich dann genauer. „Und hast du eine Freundin?"
Über die Frage muss ich leicht schmunzeln, ich weiß selbst nicht einmal wieso. „Nein, habe ich nicht"
Sie sieht zufrieden aus. „Ich habe auch keinen Freund."
Ich nicke verstehend. Was soll ich denn dazu sagen? Sie ist zwar ganz nett und süß, aber sie lenkt mich auch nicht von meinen Gedanken an Cas ab.

Wir unterhalten uns eine Weile, bekommen unsere Getränke, ehe sie mich fragt, ob sie meine Nummer haben kann. „Weißt du, ich bin zurzeit nicht wirklich auf der Suche nach... Nach einer Freundin oder so"
Sie lacht darüber. „Wer sagt denn, dass ich dich gleich heiraten und tausend Kinder mit dir machen will? Ich bin neu in dieser Stadt und mein Bruder will, dass ich neue Leute kennenlerne und weil du der erste bist, der mir bei unseren gesamten Gespräch nicht einmal auf die Titten gestarrt hat, will ich dich wieder treffen"
Das Ding ist, ich habe nicht einmal daran gedacht, ihr irgendwo anders hinzusehn als die Augen. Ich gebe ihr also meine Nummer.
Sie ist ja schon sehr lustig drauf.
Als wir wieder aus dem Café gehen, frage ich sie, in welche Richtung sie muss. Sie zeigt in die gegensätzliche zu meiner, also will ich ihr zur Verabschiedung die Hand geben, aber sie umarmt mich, küsst meine Wange und joggt dann davon.
Schmunzelnd sehe ich ihr hinterher.
Ihre Art erinnert mich ziemlich an Cas, doch er wird trotzdem immer meine Nummer 1 sein.

Liebe ist auch nur eine Sucht (boyxboy)Where stories live. Discover now