8: Fast wie in alten Zeiten

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Castor:

"Willst du was essen oder so?"
Lucas sitzt auf meinem Sofa. Niemals hätte ich gedacht, das jemals wieder sehen zu können, doch es ist wirklich wahr.

Er schüttelt den Kopf und sieht mich dann an. „Ich glaube dir ja, dass du nicht nochmal was genommen hast, aber wieso bist du dann die letzten Tage so seltsam?"
Seufzend lasse ich mich neben ihm nieder, doch mit genügend Abstand. Ich habe selbst keine Ahnung, was mit mir los ist. „Seit Brad nicht mit mir schlafen wollte, hat bei mir irgendwas umgeschaltet. Dieser Blick, mit dem er mich angesehen hat, als ich ihm gesagt habe, ich will nur ficken und keine Beziehung. Seitdem fühle ich mich so... Ich weiß nicht, mir ist irgendwie bewusst geworden, warum ich diesen ganzen bedeutungslosen Sex habe und das macht mir Angst." Unsicher sehe ich zu ihm.

Er wirkt relativ neutral, aber nicht so als würde er mich verurteilen. Ich weiß, dass er das nicht tut. Das hat er noch nie getan, egal, was für scheiße ich gebaut habe.

„Angst wovor?"

Wäre die Situation nicht so ernst, würde ich lachen.
Er erinnert mich irgendwie an meinen Psychologen.

„Angst vor der Wahrheit, der Tatsache, dass ich, seit ich Seth und dich verloren habe, nicht im Stande bin, mein Leben auf die Reihe zu bekommen und deshalb in Affären mit irgendwelchen Leuten flüchte. Angst davor, dass ich irgendwann mal einen Korb bekomme und ihn nicht gebe. Angst davor, dass ich vielleicht echt mal etwas für jemandem empfinde, unabhängig davon, ob er mir etwas gibt, wonach ich süchtig bin.
Und das schlimme ist, dass ich gleiche Angst beim Absetzen der Drogen hatte. Ich hatte Angst vor dem Leben, davor, mich all diesen Eindrücken stellen zu müssen und nicht mehr fliehen zu können. Und Ich habe Angst vor der Gewissheit, dass ich nicht einfach nur viel zu oft Sex habe, sondern auch süchtig danach bin, sowie nach den Drogen. Weil, wenn ich das auch noch absetzen müsste, dann hätte ich gar nichts mehr, in das ich fliehen könnte, weißt du? Ich will mich einfach nur für ein paar Minuten sicher fühlen und keine Angst haben müssen"
Ich weiß nicht, wieso ich ihm all das erzähle. Irgendwie ist es plötzlich so, als sei es wieder wie früher, denn dieses Geheimnis, mit dem er mich erpresst, schweißt uns zusammen, sowie unsere Vergangenheit.

Plötzlich erhebt er sich vom Sofa und geht auf den Ausgang zu.
Ich kann nicht glauben, dass er einfach so verschwindet, nachdem ich mich ihm geöffnet habe, nachdem ich ihm Dinge anvertraut habe, die nicht einmal mein Therapeut weiß.

Aber im Gegensatz zu meiner Erwartung kommt er wieder zurück.
Wortlos nimmt er meine Hand, zieht mich auf die Beine.
Weil ich etwas kleiner bin als er, muss ich zu ihm hochsehen, während er mir die Jacke auszieht.
Ich denke schon, er will vielleicht... naja... aber dann zieht er mir seine Lederjacke an. Sie ist schwer und etwas zu groß, aber ich fühle mich irgendwie wohl darin.
Schließlich legt er seinen Finger unter mein Kinn und drückt mein Gesicht nach oben. „Es gibt so vieles, vor dem man Angst haben könnte. Vor dem man Angst haben sollte. Angst schützt vor Gefahren, aber du musst keine Angst haben, weil für dich nichts gefährlich ist. Und weißt du wieso?"
Er legt eine bedeutungsvolle Pause ein, sieht mir tief in die Augen.
„Weil ich dich beschütze, egal wovor. Es gibt nichts, das dir schaden kann, weil ich immer für dich da sein und die Gefahr beiseite räumen werde. Bei mir bist du in Sicherheit. Und wenn ich mal nicht da bin und du Angst hast, dann zieh die Jacke an und dann weißt du, das ich immer auf dich aufpasse werde, egal ob wir noch Freunde sind oder nicht. Okay?"
Gerührt nicke ich leicht.
Dann lächelt er und umarmt mich.

Ich kann nicht glauben, dass er wirklich lächelt. Ich kann nicht glauben, dass er hier ist und mich in den Arm nimmt, dass er sich Sorgen gemacht hat, dass das mit mir und ihm nicht vorbei ist und unsere Vergangenheit nicht bedeutungslos war.
Er ist der einzige, dem ich all diese Worte abkaufe, der einzige, von dem sie mir etwas bedeuten.
„Danke, Lulu", murmelte ich in seine Halsbeuge.
Ich weiß, dass er diesen Spitznamen hasst, aber ich finde, er steht ihm.

Langsam schiebt er mich wieder von sich. „Gib mir mal bitte dein Handy", meint er.
Verwirrt hole ich es aus der Hosentasche und halte es ihm hin.
Er tippt irgendwas und reicht es mir dann wieder.

„Was hast du gemacht?"
„Seths Nummer gelöscht. Das hättest du schon lange machen sollen" Er sieht mich wieder so autoritär an.
Irgendwie steht ihm dieser Ausdruck.

Ich musterte ihn eine Weile und beginne dann nervös auf meiner Unterlippe herumzukauen. Das ist ein Problem von mir. Ich mache das entweder, wenn ich jemanden verführen will oder aufgeregt bin, doch leider hat es jedes Mal diese Wirkung. Es macht mich an und meine Partner ebenfalls.
Lucas schluckt merklich, als er auf meine Lippen sieht. Erst dann bemerke ich wie nahe wir uns eigentlich gekommen sind.
Er ebenfalls, denn er geht einen Schritt zurück und wirkt dann irgendwie als fühle er sich unbehaglich.
Aber ich will nicht Gefahr laufen, dass er daran denkt zu gehen, also spreche ich schnell...
„Weißt du... Meine Eltern sind mal wieder nicht da und ich dachte mir, naja, weil du jetzt eh schon hier bist, könntest du vielleicht auch über Nacht bleiben" Verlegen sehe ich auf seine Fußspitzen.
Ich bin mir sicher, er wird nein sagen. Warum sollte er denn auch hier bleiben wollen, nur weil ich es hasse allein zu sein?

„Ich muss nachhause", meint er tatsächlich.
Ich nicke nur. War ja klar.
Ich höre ihn seufzen, dann legt er die Hand an meine Wange und drückt mein Gesicht so, dass ich ihn ansehen muss. „Ich habe Hausarrest. Eigentlich dürfte ich nicht einmal hier sein. Du kennst doch meinen Dad..."
„Ist er etwa immer noch so ein Idiot?", frage ich leicht genervt. Seinen Dad habe ich noch nie leiden können.
Lucas nickt. „Schlimmer. Aber er will nur das Beste für mich, das weiß ich"
Ich nicke. Damit hat er zumindest Recht. Sein Dad ist eben genauso schlecht im Gefühle zeigen wie er. Da fällt der Apfel nicht weit vom Stamm.

„Ruf doch Cody an, der übernachtet bestimmt gern hier", meint Lucas. Es ist ja ganz süß, dass er sich jetzt sorgen macht, weil er weiß, dass ich nicht alleine sein will, aber er hat den falschen Vorschlag erbracht.
„Wenn Cody hier schläft, will ich nur mit ihm ficken und ich habe mich selbst auf Sexentzug gesetzt", erkläre ich Lucas.
„Dann Elisa"
Ich nicke. „Ja, das ist eine gute Idee. Dann können wir Mädelsabend machen" Ich muss tatsächlich lächeln.
Lucas tut es ebenfalls und streicht dann mit dem Daumen über meine Wange. „Aber du weißt, dass du, selbst wenn du niemanden anrufst, um bei dir zu sein, trotzdem nicht einsam bist oder?"
Ich nicke leicht.

Seine grünen Augen verzaubern mich einfach jedes Mal, wenn ich rein schaue und ich weiß nicht einmal wieso. Vielleicht, weil ich mir wünsche, mehr in ihnen zu sehen.
Einen Ausdruck, den mir schon so viele Typen zugeworfen haben, nur er nicht. Und damit meine ich nicht den lustvollen und verlangenden. Ich meine den bewundernden, den sehnsüchtigen, den liebevollen.

Liebe ist auch nur eine Sucht (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt