1: Böses Erwachen

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Lucas:

Nach einer durchgezechten Nacht geht es den meisten so, dass sie irgendwo mit einem fetten Kater  aufwachen und nicht mehr wissen, was in den letzten Stunden passiert ist.
Bisher habe ich einen solchen Absturz immer vermeiden können, doch bei dem Geburtstag einer alten Freundin gestern, zu dem die komplette Oberstufe aufgetaucht war, hat mich irgendetwas geritten.
Weil ich Sportler bin, trinke ich eigentlich nicht, weil das dem Körper mehr schadet als man zugeben will, doch gestern wollte ich einfach alles vergessen.
Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass ich es seit 19 Jahren mit meiner Familie aushalten muss und keine Besserung in Sicht ist.

Jedenfalls war da diese Party, der ganze Alkohol und meine Sorgen.
Ich erinnere mich daran, auf der Tanzfläche gestanden zu haben, aber wie ich dorthin gekommen bin oder was danach passiert ist? Alles weg.
Ja und dann ist da dieser Moment des bösen Erwachsens am Morgen danach.

Mein Schädel dröhnt, es scheint als würde die Party in meinem Hirn weitergehen. Obwohl ich die Augen geschlossen habe, ist es viel zu hell. Mir ist einfach nur schlecht.
Aber noch schlimmer wird es, als ich meinen ausgelaugten, verschwitzten Körper entlang fahre und eine  getrocknete Flüssigkeit auf meinem Bauch feststelle.

Ich zwinge mich, die Augen zu öffnen, sehe an mir herunter und erkenne irgendetwas auf meinem Bauch kleben. Aber das ist nicht alles. Ich muss feststellen, dass ich in meiner vollen Pracht hier liege wie Gott mich geschaffen hat. Nackt.
An sich kein Grund auszurasten. Dann hatte ich halt Sex, während ich total besoffen war, was solls, meine Medikamente habe ich immerhin brav genommen.
Jetzt muss ich nur noch herausfinden, wer denn die Glückliche ist.

Ich sehe mich also um und erkenne einen Körper neben mir in dem fremden Bett. Er ist bis zu den Schultern zugedeckt und mit dem Rücken zu mir gedreht, doch schon am Hinterkopf erkenne ich blonde Locken. Dies lässt mein Herz einen Moment erstarren, nur, um dann umso schneller weiter zu pumpen.
Ich kenne diese Locken.

In der Hoffnung Unrecht zu haben,  hebe ich vorsichtig die Decke über dem Körper, doch leider ist auch dieser unbekleidet.
Für einen Moment starre ich ihn an, ehe ich mich zurück in die Matratze werfe und die Hände aufs Gesicht drücke.
Ich schlage leicht auf meine Wangen, doch es hilft nichts. Ich wache nicht auf aus diesem Alptraum.

Dann ertönt auch noch die Stimme, die ich nun am wenigsten gebrauchen kann. "An den Anblick konnte ich mich gewöhnen"
Ich höre, dass er grinst, ich sehe es quasi vor mir, wie er beim Grinsen einen Mundwinkel mehr hochzieht als den anderen.
Ich kenne Castor einfach besser als mir lieb ist und jetzt erst recht.
Trotzdem will ich nicht, dass er mich in meiner Nacktheit mustert, deshalb taste ich blind nach der Decke und ziehe sie mir über die Hüften. Immerhin beweist seine ungewohnt tiefe Stimme, dass wir seit unserer letzten Unterhaltung ziemlich verändert haben. Wir sind erwachsen geworden.

Dann höre ich ein raues Lachen. "Ach komm schon, Lulu. Vor mir musst du doch nichts verstecken. Vor allem nicht nach gestern Nacht"
Diesen Spitznamen ich habe ihn schon immer gehasst. Ich heiße Lucas und so will ich gefälligst auch genannt werden.
Um ihm das deutlich zu machen, nehme ich die Hände von den Augen und sehe ihn mit einem bösen Blick an, nur um festzustellen, dass er schamlos vor mir liegt, obwohl er nichts anhat. Und erst da kommt mir die Flüssigkeit auf meinem Bauch wieder in den Sinn.

Ich sehe runter, wische sie mit der Decke weg, zumindest das, das nicht angetrocknet ist. "Sag mir bitte, dass das kein Sperma ist"
Ich weiß nicht, ob ich den Satz laut ausspreche oder nur in Gedanken, aber diese Frage klärt sich auf, als Castor zu lachen beginnt. "Dann müsste ich lügen, Schätzchen. Aber wenn du willst, kümmere ich mich darum"
Ohne eine Antwort abzuwarten, nimmt er mir die Decke aus der Hand und beugt sich zu meinen Bauch runter, aber bevor er irgendetwas tun kann, bin ich schon aus dem Bett gesprungen und dabei mich anzuziehen. Als ob  er das Zeug gerade von mir ablecken wollte! Er ist noch schlimmer als damals.

Enttäuscht aber auch belustigt sieht er zu mir hoch, während ich mich anziehe und er die Arme hinter dem Kopf verschränkt.
"Also gestern hat es dir noch gefallen, als ich an dir geleckt habe", grinst er mich an.
Dafür kassiert er einen weiteren bösen Blick, der ihn direkt in die Hölle befördern los, da wo er hingehört.

"Also wenn mich der Blick einschüchtern soll, muss dich leider enttäuschen. Der macht mich nur mehr an"

Auf der verzweifelten Suche nach meiner Hose stürme ich durch das gesamte Zimmer. "Kannst du nicht endlich die Klappe halten?! Was auch immer gestern Nacht passiert ist, vergiss es einfach wieder, denn nochmal wird es nicht vorkommen."
Ohne ihn zu beachten schlüpfe ich mit wütenden Bewegungen in meine Klamotten, ehe ich ihn ansehe.
Er liegt noch dort, hat sich keinen Zentimeter bewegt und mir beim Anziehen zugesehen. Doch sein blödes Grinsen ist ihm vergangen.

"Und wenn du irgendwem davon erzählst, dann werden deine Eltern erfahren, was nur du und ich wissen und kein anderer jemals erfahren soll"
Dass er erschrocken die Augen aufreißt, gibt mir nicht einmal Genugtuung, weil ich zu sehr damit beschäftigt bin, nicht auf seinen bestimmten Teil zu sehen.
"Sind wir uns einig?", frage ich drohend.
Er schluckt hart, nickt dann und sieht mich verletzt an. "Ich verstehe ja, dass Freunde sich auseinanderleben, aber wann sind wir an den Punkt angekommen, wo Erpressung notwendig ist?"
Ich sehe ihn an, direkt in die blauen Augen. "Das weißt du genau"
Dann gehe ich schnellen Schrittes aus dem Zimmer und versuche, endlich richtig durchzuatmen.

Ich will einfach nicht mehr daran denken, aber leider ist das hier erst der Anfang.

Liebe ist auch nur eine Sucht (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt