Kapitel 20

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Am Samstag wachte ich auf und war noch immer völlig berauscht von dem Kuss mit Daniel. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Daniel, Mr. Smith, mein Lehrer, hatte mich geküsst. Dieser Kuss war einfach nur unglaublich. Wenn ich daran zurück dachte, wie seine Lippen meine berührten, begann alles in mir zu kribbeln. Als würden tausende Stromschläge durch mich hindurch jagen.

Mit einem glücklichen Lächeln stand ich auf und zog mir etwas Bequemes an. Ich ging runter in die Küche und machte mir summend mein Müsli. Mit der Schüssel und einem Löffel in der Hand ging ich in unser Wohnzimmer, setzte mich auf das Sofa und schaltete den Fernseher ein. So konnte ein Samstag doch gut starten.

"Ach du bist auch mal aufgestanden?" stellte Mom schmunzelnd fest und setzte sich zu mir.
Da ich gerade den Mund voll hatte konnte ich nur nicken.
"Wie war es gestern bei Mr. Smith?" fragte sie weiter.

Der Gedanke an gestern, ließ mich etwas rot werden und ich verschluckte mich fast.
Ich räusperte mich kurz bevor ich begann zu sprechen.
"War gut. Er hat mir eine neue Grammatikform beigebracht."

Meine Mom nickte verständnisvoll.
"Und wieso warst du dann erst so spät zu Hause?" Sie beäugte mich kritisch.

Ich versuchte so normal wie möglich zu klingen, als ich weiter sprach.
"Ähm, wir haben noch etwas zusammen gegessen. Ich hatte Hunger und die Stunde hatte etwas länger gedauert. Mr. Smith hatte dann etwas gekocht." ich zuckte mit den Achseln, um es beiläufig wirken zu lassen.

Meine Mom zog die Augenbrauen kritisch hoch. "Ach ja? Er kann also kochen?"

"Ja. Er hatte bloß Nudeln gemacht, also nichts aufwendiges oder so." wieder versuchte ich es beiläufig klingen zu lassen, obwohl es gelogen war.

Daniel hatte mehr als nur Nudeln gekocht und es hatte fantastisch geschmeckt. Ich nahm noch einen Löffel von meinem Müsli. Für mich war somit das Gespräch beendet. Zum Glück sah meine Mom das auch so und ging wieder hoch.

Die erste Hürde an diesem Samstag war also bewältigt. Zudem hielt ich mich an das, was ich Daniel gesagt hatte. Ich würde niemandem etwas von dem Kuss erzählen. Für mich war der Kuss mehr als nur in Ordnung gewesen und ich wollte Daniel's Job nicht gefährden. Aber das waren nicht die einzigen Gründe für mein Schweigen. Ich sehnte mich nach Daniel. Nach seiner Nähe und seiner Wärme und nach allem an ihm. Aus mir unergründlichen Dingen vermisste ich meinen Lehrer, obwohl ich ihn doch erst gestern gesehen hatte. Trotzdem sehnte sich alles in mir danach ihn wieder zu sehen und das sobald wie möglich. Ich weiß nicht wie es passierte, aber durch den Kuss hatte sich einiges in mir verändert.

Ich nahm mein Handy in die Hand und hoffte, dass Daniel mir geschrieben hatte. Das hatte er natürlich nicht und Enttäuschung breitete sich in mir aus. Eigentlich sollte ich doch gar nicht enttäuscht sein. Es war klar, dass er mir nach gestern Abend nicht mehr schrieb. Vermutlich hatte er immernoch die Befürchtung, dass ich den Kuss dem Schulleiter meldete. Oder ihm war klar geworden, wie falsch das alles doch eigentlich war und suchte deswegen keinen Kontakt zu mir.

Vermutlich schwirrten ihm genau so viele Fragen durch den Kopf wie mir und er wusste einfach nicht was er tun sollte.
Ich überlegte ihm zu schreiben und noch einmal verständlich zu machen, dass dieser Kuss unter uns belieb.
Doch so schnell wie der Gedanke kam, verwarf ich ihn auch wieder. Ich wollte nicht anhänglich oder so wirken. Ich hatte Mr. Smith gestern im Auto nach einem zweiten Kuss angefleht. Im Nachhinein nicht das Schlauste, was ich an diesem Abend getan hatte, auch wenn der Kuss unglaublich war. Ich wollte Daniel seine Freiheiten lassen und ihn entscheiden lassen wie es mit uns weiter gehen sollte.

Ich räumte meine leere Müslischüssel weg und ging wieder hoch in mein Zimmer. Nachdem ich ein paar Hausaufgaben gemacht hatte, beschloss ich, dass es Zeit war mal wieder ein Buch zu lesen. Zuerst lief ich jedoch nach unten in die Küche und holte mir einen Apfel und eine Banane. Dann lief ich erneut hoch und ging zu meinem Bücherregal. Ich durchsuchte es nach einem ganz bestimmten Buch. Als ich die schon ziemlich mitgenommene Ausgabe meines Lieblingsbuches in den Händen hielt, breitete sich ein zufriedenes Lächeln auf meinem Gesicht aus. Ich ging zu meinem Fenster und setzte mich auf die breite und mit Kissen und Decken ausgestattete Fensterbank. Das war mein absoluter Lieblingsort zum Lesen.

Ich schlug das Buch auf und vertiefte mich in der weit entfernten Fantasiewelt dieses Romans. Es tat unglaublich gut einfach mal alle Gedanken abzustellen und sich nur auf dieses eine Buch und die Geschichte der Protagonisten zu konzentrieren. Keine Gedanken an Mr. Smith und den Kuss. Einfach eine andere Geschichte genießen.

Nach den ersten Kapiteln ging ich runter in die Küche. Es war bereits später Nachmittag und ich hatte verdammt großen Hunger. Ich machte mir ein Sandwich und nahm mir noch Kekse und Schokolade mit. Dazu kochte ich mir eine große Tasse heiße Schokolade. Mit meinem Essen beladen, ging ich wieder hoch in mein Zimmer. Ich setzte mich wieder auf die Fensterbank und nahm in die eine Hand das Sandwich und in die andere mein Buch. So verbrachte ich den restlichen Nachmittag, sowie den Abend.

Gegen zehn Uhr ging ich duschen und machte mich zum Schlafen fertig. Bevor ich allerdings einschlief, nahm ich noch einmal mein Handy zur Hand.
Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, als ich sah, dass Daniel mir geschrieben hatte. Als ich jedoch seine Nachricht las, verschwand langsam mein Lächeln.

"Ich habe über gestern nachgedacht und finde es gut, wenn wir noch einmal darüber reden können. Es war falsch und ich bereue den Kuss. Hast du am Montag nach der Schule Zeit zu reden?"

Seine Worte ließen mein Herz verkrampfen. Es fühlte sich an, als hätte mir jemand ein Messer in mein Herz gerammt. Ich hätte mit so einer Nachricht auf keinen Fall gerechnet. Langsam bildeten sich Tränen in meinen Augen und ich hielt die Luft an. Er bereute den Kuss also? Wieso hatte er mich dann überhaupt geküsst, wenn er es jetzt bereute? Hatte er nicht gesagt, dass er den Kuss schön fand? Daniel konnte doch nicht erst so handeln und sich dann umentscheiden! Meine Trauer verwandelte sich langsam in Wut und heiße Tränen liefen mir über die Wangen.

Einerseits konnte ich Mr. Smith verstehen, er wollte seinen Job nicht gefährden. Andrerseits war da dieser unaushaltbare Schmerz in mir und es fühlte sich an als würde ich innerlich verbluten.
Anstelle ihm zurück zu schreiben, legte ich mein Handy weg und kuschelte mich mit Tränen in den Augen tiefer in meine Decke.

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Ich hoffe ihr hattet schöne Ostern und genießt die Ferien, wenn ihr welche habt. 🤗❤

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