"Hör einfach auf, es mir schwer zu machen.", wimmerte ich und stand auf. "Wir wissen beide, dass du ein Unfall bist. Du bist hier fehl am Platz."

Es trat wieder. Ich beschloss zu Dr. Kenneth zu gehen, damit sie es untersuchen konnte und weil ich mich ablenken musste. Je früher es zur Adoption freigegeben wurde, desto besser würde ich mich fühlen. Zum Glück lag so gut wie alles in der Nähe der Einkaufszone. Ich kniff die Augen zusammen und blinzelte, um nicht loszuheulen. 

"Stop das Treten." 

Es sind nur Hormone, redete ich mir ein. Es können nur die Hormone sein, die mich so fühlen ließen. Sie wollten mich hinters Licht führen; sie wollten, dass ich so fasziniert war von dem, was sich in mir abspielte aber das war nur Täuschung. Ich tue das Richtige, wenn ich es weggebe. Wenn es draußen ist, habe ich keine Gefühle mehr dafür, die Schwangerschafts-Hormone werden erlöschen und der pure Hass würde ihn ersetzen. 

Ich drückte auf den Klingelknopf und ging nach dem Brummen angestrengt die Treppe hoch. 

"Komm rein, Jenny.", lächelte Dr. Kenneth und wir betraten eines ihrer Behandlungszimmer.

"Können Sie schauen ob das Kind okay ist?", fragte ich besorgt.

Sorgen waren auch nur eine Nebenwirkung der Hormone. Dr. Kenneth nickte und ich war froh, dass sie den Fakt ignorierte, dass ich mit meinem fettigen, stumpfen Haar und der fehlenden Gepflegtheit aussah wie eine Obdachlose. 

"Jetzt beginnt die spannende Phase.", sagte sie und ihre Augen glänzten. "Wie geht es uns denn?"

Sie rollte das Shirt von meinem Bauch und rieb ihn mit Gel ein. Ich war so abgelenkt von dem kühlen Gel, dass ich ihre Frage nur halb mitbekommen hatte.

"Was?"

"Wie es dir geht?", lächelte sie.

"Ganz gut… Das Baby hat getreten, weshalb ich hier bin. Dr. Kenneth, ich bin Ihnen so dankbar, dass Sie sich immer Zeit für mich nehmen. Aber das ist nicht alles worüber ich mit ihnen sprechen-"

Wir schauten gebannt auf den Monitor.

"Da ist es.", murmelte Dr. Kenneth. "Faszinierend, oder?" 

Ich konnte meinen Blick nicht von dem kleinen Wesen abwenden. Dann hörten wir seinen schnellen Herzschlag und ich schluckte schwer. Ein weiteres Herz schlug in mir.

"Nun, ich kann sagen, dass es ihm oder ihr gut geht.", sprach sie und trocknete meinen Bauch. 

Als ich mich wieder korrekt angezogen hatte, ergriff ich allen Mut um zu sprechen.

"Ich würde gerne wissen welche Möglichkeiten es geben würde, mein Kind nach der Geburt zur Adoption freizugeben?", fragte ich.

Das schien sie etwas zu schocken, doch sie sammelte sich und musterte mich.

"Du bist dir sicher mit dem adoptieren? Wenn einmal die Formulare losgeschickt sind, kannst du deine Entscheidungen nicht mehr rückgängig machen…"

"Ja, da bin ich mir ziemlich sicher."

"Okay. Ich hätte die Möglichkeit Adoptionsunterlagen vorzubereiten, die dann ausgefüllt werden müssten. Es geht alles über eine sehr zuverlässige Agentur, die schon seit Jahren mit tollen Familien zusammenarbeitet. Wenn du dich dazu entscheidest, musst du dir also keine Sorgen machen. Am Besten gebe ich sie dir mit, damit du alles in Ruhe zu Hause ausfüllen kannst. Komm sobald du fertig bist mit den Unterlagen wieder und alles ist geklärt." Sie nahm einen Schluck Wasser aus einem nebenstehendem Glas und verließ den Raum. Dann kam sie wieder und reichte mir einen Stapel Papierkram. Meine Augen weiteten sich aber da musste ich halt durch; auch wenn es ewig dauern würde.

"Danke sehr." 

Ich stand auf und schüttelte ihre weiche Hand.

"Ist sonst alles gut?", fragte sie lächelnd.

"Ich denke, dass es besser sein könnte aber ich komm schon klar.", antwortete ich und ging.

Als ich wieder die kühle Märzluft einatmete, ging ich zum Bahnhof. Ich hatte mich dafür entschieden es mit meiner Mutter und diesem Dan zu probieren, weil es so kalt war und ich durch das ständige Treten des Wesens in mir Bauchschmerzen hatte. Mein Magen war total leer und ich konnte eine warme Dusche gut gebrauchen. Meine Nöte gingen jetzt erstmal vor meinen Gewissensbissen und Ängsten, die mich plagten. Ich musste dieses Ding in mir hassen und so wie es aussieht, kann ich nicht anders als es anzunehmen. Ich stieg in die Straßenbahn ein und hielt mich an einer gelben Stange fest. An der Innenwand hang ein Plakat für irgendein Keramikgeschäft. Sie worben mit Engeln. Engel. So hatte er mich genannt, als er mich für mehrere Tage in seiner Wohnung gefangen gehalten hatte, bevor ich enfliehen konnte. Süßer Engel. Ich schauderte und merkte nicht wie mir ein paar Tränen über die Wangen liefen. 

"Süßer Engel, du bist Mein, heut Nacht.", murmelte er und legte einen feuchten Kuss auf meinen Nacken als ich losschrie. 

Es ist vorbei, dachte ich mir. Doch ich litt noch immer darunter. Meine Hand verkrampte sich um das gelbe Metal herum und ich versuchte ruhig zu atmen und nicht auf diesen verdammten fetten Keramik Engel aus der Renessance zu starren. Eine Hand legte sich auf meine und ein älterer Mann im Anzug und Aktentasche lächelte mich an.

"Ist alles okay bei Ihnen?", fragte er hilfsbereit.

"Ja, alles ist okay.", lächelte ich benommen und stieg aus, da ich an dieser Haltestelle raus musste.

Ein weiterer Grund, warum ich das Baby zur Adoption freigeben würde, bestärkte meinen Entschluss. Wenn ich es behalten würde, könnte ich nie loslassen. Es würde mich tagtäglich daran erinnern, was mir wiederfahren war. Denn ich will irgendwann vergessen können. Ich kam vor dem Haus, das mit der Adresse übereinstimmte an und klopfte. Eine ziemliche Bruchbude aber eine eine Unterkunft.

"Jenny.", lächelte meine Mum erleichtert, doch ich wich vor der Umarmung, die sie mir geben wollte, zurück.

Sie lächelte traurig und ließ mich dann herein. Sie wohnten anscheinend direkt im Erdgeschoss. 

"Dan! Sie ist da!", schrie sie etwas genervt.

Ich ließ sie an mir vorbeirauschen und folgte ihr in ein Wohnzimmer. Dort saß ein Typ, der mich schon beim reinkommen anekelte. Er saß mit einer Bierflasche in einem braunen Sessel. Auch hatte er einen ungepflegten Bart, braunes Haar und trug ein weißes Unterhemd mit Jogginghose. Er brummte nur.

"Hey.", begrüßte ich ihn aber er starrte nur auf den Fehrnseher in dem gerade eine Partie Snoocer ausgestrahlt wurde. 

Meine Mutter zog mich am Arm. Wir betraten einen Raum, kaum größer als fünf Quadratmeter, in dem es nichts weiter gab als ein Bett und ein Tischchen.

"Dein Zimmer.", sagte sie und verschwand, so dass ich mich einrichten konnte.

Ich warf mich auf mein Bett und bereute schon jetzt hier hin gekommen zu sein. Als ich die Schublade öffnete landete mein Blick auf einem Bild. Darauf war ein Mann und eine Frau. Dan und seine Frau. Er hielt die Hände sanft auf ihrem Bauch. Dann drehte ich die Seite um. '✝ 12. Mai 2010'. Das war ihr Todestag. Ich schob die Schublade wieder zu und legte mich auf das Bett. Grübelnd schaute ich auf die Decke.

<Author's Note>

Das Foto stellt einen Bauch im siebten Monat da, damit ihr euch das besser vorstellen könnt.  Dies ist nur das Vorkapitel zu dem eigentlichen Kapitel, deshalb würde ich mich darüber wenn ihr mir einen Vote und ein Kommi darlassen könntet. In diesem Kapitel kann man auch die Beziehung zwischen Jenny und ihrem Baby sehen. :)

-Talisa

Hinterland |hs|Where stories live. Discover now