Der süße Kuss des Blutes - Kapitel 68

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Fina betrachtete sich selbst im Spiegel. Sie hatte erst zu Beginn ihres neuen Lebens sich selbst wirklich wahrgenommen. Mit Blut am Körper sah sie doch noch schöner aus. Das Blut ihres Vaters hatte sie abgewaschen, sie verletzte sich nur noch einmal selbst, um ihre Unsterblichkeit zu überprüfen. Blut hatte plötzlich eine ganz neue Bedeutung. Etwas Schönes, etwas Einzigartiges, etwas Magisches. Blutbeschmiert läuft sie nackt durch das Haus, eine Angewohnheit, die sie selbst ein Jahrhundert später noch nicht abgelegt hat.
Nachdem sie starb und wieder zurückkehrte reichte ein Blick in das Gesicht ihrer Mutter und ihr wurde alles klar. Als wäre es schon immer Teil ihrer Selbst gewesen. Mutter nannte sie "Vampire", Wesen der Nacht, unsterblich und immer mächtiger werdend, nie alternd und nach Blut dürstend. Ihre Mutter muss über 1.500 Jahre alt sein, sie hatte irgendwann aufgehört zu zählen. Ob sie auch so alt werden würde?
Es gibt durch die Kirche immer weniger von ihnen, aber dass interessiert Fina wenig. Sie war neugeboren. Sie war die Nachfolgerin der Blutkönigin, Fina Bathory, die ihre eigene Familie in Blut ertrinken lies.

Ihr Wesen ist noch schöner geworden, ihre Augen hellstrahlend wie funkelnde Sterne und ihr Körper elegant. Sie bewegt sich geräuschlos und mit einer Grazie, jedes Körperteil fließt in die Bewegung mit ein. Erschreckenderweise ist sie mit Blut besudelt, hoffentlich mit ihrem eigenen. Elisabeth schaut sie schief an. Fina hat ihr neues Schicksal ziemlich gut angenommen, zu gut, wie Elisabeth es findet. Als wäre sie für diese Rolle perfekt gemacht, als wäre sie dafür Erschaffen worden. Ihre Tochter ist wirklich wunderschön und sieht ihr beinah komplett ähnlich. Sie begreift immer noch nicht, dass sich ihre Tochter anscheinend wohler fühlt, als vorher, als wäre ihr ein Licht aufgegangen. Sie hatte schon einige Verwandlungen gesehen und die ersten Tage waren ein Blutbad und ein Berg an Fragen. Warum bei Fina nicht? Liegt es daran, dass sie schon getötet hat und möglicherweise schon Blut unbewusst getrunken hat? Nein, das ist etwas völlig anderes. „Willst du dir nicht mal was anziehen?" Nicht das Elisabeth ihre blutige Tochter stört, aber dass sie nackt durch das Haus läuft, verwirrt sie etwas. Fina lächelt sie breit an und entblößt eine perfekte weiße Zahnreihe. Ihre Zähne sind blutrot, besonders ihre zwei langen, spitzen Eckzähne, über die sie langsam mit ihrer Zunge fährt. Fina war schon immer ein eigenartiges Mädchen. Sie liebte Frauen, verabscheute viele Normalitäten und widmete sich lieber Kunst und dem Schwertkampf, statt als Hausfrau mit acht Kindern zu enden. All dies zeigte sie schon immer, doch ihr wahres Potential entfaltete sie nie. Eine Blockade war in ihrem Kopf, irgendetwas hinderte sie daran. Der Vampirismus erlöste sie aus irgendeinem Grund von allem. Elisabeth ist sich sicher, dass ihre Tochter wahrlich ein Meisterwerk ist, welches sie nie erschaffen wollte. Sie wollte nicht einmal ihr das Schicksal eines Vampirs auferlegen, aber sie konnte ihre Tochter nicht sterben lassen. Und nach der Verwandlung war sie mehr geworden. Sie ist einzigartig. Elisabeth schaut sie weiter nachdenklich an. Kein Blutrausch, wie ihn alle Neugeborenen haben, keine Fragen, keine Zweifel. Vielmehr ist der Mensch, der sie einst war nur eine Hülle gewesen, etwas, was nicht voll ausgereift war. Eine Raupe, die darauf gewartet hat, ein Schmetterling zu werden.
Und nun steht sie vor ihr. Sie hat sich um Nacktheit nie geschert, aber sie hat immer ihre intimsten Stellen bedeckt. Sie ist voller Blut, ihr eigenes, das riecht Elisabeth. Sie holt ihr Blutbad also an sich selbst nach, auch eine Methode, wenn auch recht eigenartig.
Ihr Lächeln ist überglücklich, aber es zeigt auch, dass ihr Selbstbewusstsein gewonnen hat, wie es selten jemand schafft. Sie weiß um ihre Macht und sie weiß genau, was sie tun muss, um zu bekommen, was sie will. Daran ist zwar Elisabeth dank ihrer Erziehungsmethoden mitbeteiligt, aber sie kann sich diesen Wandel kaum vorstellen. Und doch steht sie hier. Ihre Tochter. Wenn sie schlau war, würde sie besser werden als jeder Vampir, den sie kennen gelernt hat. Ihre Art steht immerhin auf dem Spiel, wenn die Kirche so weitermacht. Fina leckt sich erneut über die Zähne. „Warum hast du mir davon nie früher erzählt?" Elisabeth lacht bei der Vorstellung. „Nun, ich hätte dich auch mit vier Jahren verwandeln können, dann wäre dein Wachstum aber wahrscheinlich gestoppt." Als vier jähriges Kind umherzulaufen war nicht gerade Vorteilhaft. Der einzige Vorteil ist die Unschuld. Welches kleine Kind würde schon Leuten Blut aussaugen? „Da hast du wohl Recht. Hey, ich kann verflucht schnell um das Haus rennen. Und dann kann ich Sachen mir einer Hand hochheben! Und wenn ich mich verletze, heile ich mich von selbst. Wie toll ist den bitte das?" Sie reflektiert, was sie in den letzten Stunden in ihrem neuen Leben getan hat. Alles war so einfach, Verletzungen verheilen und sie ist deutlich entspannter. Sie besuchte ihren Hund und ihr Pferd. Es kommt ihr vor, als verstehen sie sich noch besser als vorher, als würde sie ihre Sprache sprechen. Auch kann sie die Gedanken ihrer Mutter hören. Sie sind auf eine eigenartige Weise miteinander verbunden, teilen Gefühle und Gedanken. Sie fühlt sich mit ihr verbunden, wie niemals zuvor in ihrem Leben. Elisabeth lächelt ihre Tochter an. Dies war erst der Anfang.

Der süße Kuss des Blutes |GirlxGirl [Abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt