Der süße Kuss des Blutes - Kapitel 64

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„Das nächste Jahr verbrachte Mama damit, sie umzuerziehen und ihnen den christlichen Glauben zumindest etwas auszutreiben.
Allerdings wurde Mutter vor meinem 19. Geburtstag auf eigenartige Weise krank."
Sophia schluckt kurz schwer und hört dann weiter zu.

Elisabeth hatte sie gut in ihr Leben eingeführt. Aber danach wurde sie scheußlich krank. Währenddessen starb auch das Ältere Paar, nur die zwei Kinder blieben noch übrig. Sie verkrafteten den Tot ihrer Liebsten besser als erwartet.
Fina steht ein paar Wochen vor ihrem Geburtstag, als Mutter unheimlich krank wurde. Sie wirkt blass, eingefallen, antriebslos. Sie schläft verflucht viel. Und eines Tages, verschwand sie einfach über Nacht und neben dem Haus stand ein Grab. Vater vereiste genau an diesem Tag und ließ ein paar Verwandte da. Einen rundlichen Mann mit Schnauzer und Glatze, einer Frau in einem Kleid und dem Gesicht einer Wahnsinnigen und ihrer zwei Kinder, die Aussehen, als wären sie in einer Folterkammer aufgewachsen. Allerdings nicht als Opfer. Vater sagte, er käme lang nicht wieder und so war es auch. Zwei Jahre. Zwei Jahre der Folter, der endlosen seelischen und körperlichen Qualen musste sie ertragen.
Geschlagen, angeschrien und irgendwann brach ihr starker Geist ohne Bezugsperson. Sie hätte sich in diesem Zustand sogar wohl missbrauchen lassen. Es war ihr einfach egal.
Ihren neunzehnten Geburtstag verbrachte sie damit ihr Zimmer auszuräumen und neu zu gestalten. Ihre Zeichnungen verbrannte sie, nachdem man sie Wund geschlagen hatte und sie mit Salz eingestreut hatte. Es war so teuer und sie verschwenden es für Qual. Die einzige Kraft die sie tankt, sind die beiden heranwachsenden Kinder, die Elisabeth dienten und sich nun dem Haus verschrieben haben. Aber auch sie konnten nie wirklich helfen.
Fina schmeißt den ganzen Hof allein, schläft in der Besenkammer, wo sie zusammengekauert Platz hat und befolgt Befehle.
Warum ist sie nicht weggelaufen? Fort von diesen schrecklichen Menschen? Sie hat seitdem Tod ihrer Mutter die Kraft für ihren Willen verloren. Ihr Leben war unbedeutend.
Und dieser wurde irgendwann von diesen schrecklichen Menschen gebrochen. Sie entwickelte in dieser Zeit einen immensen Hass und so lebte sie fast zwei Jahre unter dieser Knechtschaft, mittlerweile mehr eine Dienerin ohne Willen als die starke Frau, die sie einmal war. Nach den Monaten der Schläge, des Mobbings und das Schlagen ihrer geliebten Tiere brach sie zusammen und lebte wie ein monotoner Sklave. Hobbys waren bedeutungslos. Ihr Land war bedeutungslos. Sie war bedeutungslos. Aber eines haben sie ihr nicht eingehämmert. Den Glauben an Gott. Die fiese Familie väterlicher Seite gab es irgendwann auf, sie zu einer Christin zu erziehen. Doch nach fast zwei Jahren ändert sich wieder alles.
Es war ein stürmischer Tag. Regen prasselte stark herab. Fina war durchnässt, sie musste zwei Stunden im Regen stehen. Sie würde sich sicher Fieber holen. Aber als sie da draußen stand, vor dem Grab ihrer Mutter, kam es ihr vor, als würde sie zu ihr sprechen. „Ich bin immer in deinem Herzen. Immer." Mehr sagte die Stimme in ihrem Kopf nicht. Aber es reichte aus, um ein Inferno in Fina zu verursachen. Es war, als würde sie aus einem finsteren Traum erwachen, stärker als jemals zuvor. „Komm wieder rein und mach essen. Mach nochmal den Eintopf, den deine tote Mutter immer gekocht hat." Mittlerweile ignoriert der Fettsack ihre Mimik und Gestik. Er hatte sich schon daran gewöhnt, sie wie eine Kellnerin zu nutzen.
So ging Fina an Kochtopf, schneidet auf einer Küchenplatte Gemüse. Dabei beobachtet sie die scharfe Klinge, die sich ohne viel Mühe durch das Gemüse schneidet. All die Erinnerungen der letzten zwei Jahre kommen hoch. All der Schmerz, die Leiden, ihre Bilder, die sie verbrennen musste. Ihre Tiere, die immer noch Leben, aber unter grauenvollen Zuständen. Die zwei fiesen Kinder sind rundlich geworden wie ihr Vater und etwas über achtzehn. Mutter. Woher auch immer die Stimme kam, sie gab ihr Kraft. Ihr Lebenslicht brannte auf. Und die Klinge glänzt im Schein des Lichtes...
Oh es würde ihr eine Freude sein.
Sie nimmt das Messer und beginnt ihre Patrouille durch das Haus, was wieder ihr gehören wird. Bartholomäus zupft an seinem Schnurrbart und hofft, dass das Essen endlich mal fertig sei. „Die war auch schonmal schneller." Er schnappt sich seinen Schlagstock, bereit ihr eine Tracht Prügel in der Küche zu verpassen. Er verlässt das Zimmer, was früher Elisabeth gehörte und begibt sich an den Essplatz, wo seine Kinder und seine Frau schon sitzen. Er nimmt Platz. „Bereit für Das Tischgebet, meine Lieben?" Sein Grinsen ist breit und voller Fanatismus. Er schließt die Augen und murmelt ein paar Worte, bevor er innehält. Warum um Gottes Willen stimmt seine Frau und seine zwei Kinder nicht mit ein?" Er öffnet die Augen. Wie hat er das Übersehen können? Er war so blind und hat tatsächlich das übersehen?
Seine Familie sitzt mit offenem, erschreckendem Gesicht am Tisch, ihre Teller und Tassen sind gefüllt mit Blut, als hätte jemand sich die Mühe gemacht, ihr Blut darin einzufüllen.
Ihre Kleidung hat sich tiefrot gefärbt. Sie sind tot. Fina, die immer schweigend neben dem Tisch steht, ist nicht zu sehen. „Fina! Beweg dich hierher, bei der Seele deiner Hurenmutter!" So einen lauten Schrei hat Fina noch nie vernommen. Sie folgt den Befehl aus ihrem eigenen, erstarkten Willen. Bartholomäus erschrickt, als Fina die Treppe herunter geht. Ihr Gesicht ist verzerrt vor Hass, ihr Kleid und ihr Gesicht mit Blut befleckt. „Hallo liebster Onkel. Hat es dir geschmeckt? Ich habe heute etwas ganz Besonderes für dich und deine Familie zubereitet." Ihr immer noch hübsches Gesicht verzieht sich zu einer teuflischen Grimasse.
Das ist es also, was Richard erwähnt hatte. Finas Mutter trug es in sich.
Die dunkle Seite, die Elisabeth an ihre Tochter weitergegeben hat. Da war sie also. Er ist außer sich vor Zorn. Sie hatte seine alles geliebte Familie getötet, ohne ein Hauch von Reue oder Bedauern. Es schien ihr sogar gefallen zu haben.
„Du verdammte Hure! Ich werde dich zur Kirche schleifen und dich dort wegen Ketzerei an Gottesfürchtigen auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen! Du wirst Qualen erleiden, vor denen sich selbst die Kirche fürchtet!"
Fina steht wenige Meter vor ihm, aber es reicht, um seine Peitsche am Gürtel zu greifen. Den Rohrstock würde er nicht nutzen, ein Nahkampf wäre zu gefährlich. Wenn sie wirklich so Energiegeladen wie damals ist, dann wäre ein Nahkampf tödlich.
Über seine Familie muss er später Trauern. Erst muss er diese Hure in die Hölle schicken. „Ich hoffe du erinnerst dich, wie oft du dich ausgezogen hast vor mir und getanzt hast. Zu Schade, dass ich dich nicht genommen habe." Damit schwingt er die Peitsche zweimal und trifft Fina einmal auf der Brust und einmal im Gesicht. Blut läuft ihren Körper hinab und es tut ihr auch sichtlich weh, aber der Schmerz scheint ihr trotz allem vollkommen egal zu sein. Aus ihrer zweiten Hand wirft sie ein Messer und trifft damit die Hand, in der sich die Peitsche befindet. Bartholomäus schreit auf vor Schmerz und lässt seine Waffe fallen. „Oh ich erinnere mich." Sie nähert sich und hält das Messer an seine Kehle. „Rate mal, wie sehr deine fette Familie im Keller unter meiner Hand geschrien hat. Und jetzt rate, was ich mit dir mache. Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du dir den tot wünschen. Du wirst mich anbetteln und um Gnade jammern. Den anders hast du es nicht verdient. Ich töte dich nicht, nein. Ich werde dich abschlachten."
Und Fina hielt ihr Versprechen mehr als ein. Jede Minute war ein Geschenk. Diese Schmach, diese Pein, alles zahlte sie zurück, auch die Scham, die sie ertragen musste. Ihr "Onkel" war ein gebrochener Mann, als Fina ihn langsam beim Verbluten zusah.

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