Der süße Kuss des Blutes - Kapitel 45

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19:30. Also hat sie noch eine halbe Stunde Zeit, wie immer. Sie bereitet immer gern ein paar Gläser vor, bestellt für die nächsten Tage Likör, Schnaps oder was auch immer gerade fehlt.
Umziehen muss sie sich nie, sie hat eh keine reguläre Arbeitskleidung, sie zieht immer das an, was ihr gerade passt. Auffällig ist jedoch, dass sie ihren Kleidungsstil etwas freizügiger als sonst gestaltet hat. Bauchfrei, enge, lange, schwarze Hosen, -die sie eigentlich überhaupt nicht mag- dazu noch schulterfrei, mit kleinem V-Ausschnitt und ihre Fingernägel hat sie grasgrün lackiert, passend zu ihrer Haarfarbe. Dazu trägt sie noch blaue, offene Schuhe mit schmalen Riemen und kleinem Absatz. Ihre Fußnägel hat sie in weinrot gefärbt. Sie wundert sich selbst, warum sie sich so in Schale geworfen hat. Sie kann es einfach nicht erklären. Es ist, als würde eine unsichtbare, nicht messbare Kraft sie dazu treiben. Sie hat das Gefühl, dass es unbedingt nötig war, sich so äußerlich zur Schau zu stellen. Und es gefällt ihr, obwohl es sie nie interessiert hat.
Selbstsicheren Schrittes geht sie auf Moonlight zu, einer ihrer liebsten Plätze. Hier ist sie lieber als Zuhause, was hatte sie dort schon? Ihre Vertraute Umgebung mag sie schon und ihre Sammlungen aus Animes, Comics und Filmen, aber das alles ist nicht sehr viel. Sie ist allein. Klar hat sie ihre Freundinnen, aber Familie hat sie keine. Niemand würde sich freuen, wenn sie von der Arbeit nach Hause kommt.
Cloe verbannt die bösen Gedanken. Vor dem Club hatte sich schon eine Schlange aus etwa zwei dutzend Personen gebildet. Jeder wollte so früh wie möglich den Club betreten, bevor es zu voll wird und die Wächter niemanden mehr hereinlassen.
Der breite Wächter nickt Cloe zu, normalerweise lächelt er, aber in Anbetracht der ungeduldigen Kundschaft schaut er grimmig drein. Mit seinen Kollegen kommuniziert er über Geräte im Ohr, die Cloe aus FBI Filmen kennt. Der zweite Wächter war noch nicht da.
In diesem Club hat die Eigentümerin übertrieben viele Rausschmeißer eingestellt, aus Sicherheit für Gäste. Aber seitdem diese breiten Kerle mit undurchsichtiger Brille hier sind, wagt es niemand, auch nur ansatzweise jemanden zu belästigen oder hier mit Drogen zu handeln. Dies passierte in Cloes bisheriger Karriere hier nur zwei Mal, danach nie wieder.
Im Gebäude ist es still. Der DJ, ein netter Kerl mit Afrofrisur testet gerade noch den Sound und die Lichteffekte. Er winkt Cloe zu, widmet sich aber sofort wieder seiner Arbeit. „Hey Kleine."
Bruce ist einer der Rausschmeißer. Er lebte ursprünglich in Kalifornien und war laut seiner Aussage einmal Söldner, bis er aber diesen Job an den Nagel hang und ein nettes Angebot hier bekam.
Cloe ist hier ziemlich beliebt, weil sie die einzige Frau ist, die hier fest angestellt ist. Irgendwie mag sie jeder, was wohl an ihrer teils durchgeknallten Art und ihrem Aussehen liegen könnte. Manchmal erscheint sie auch mit völlig eigenartigen Kontaktlinsen.
„Uff". Sie schnappt kurz nach Luft, als Bruce ihr "sanft" auf den Rücken klopft. „Na, alles klar? Gott sei Dank bist du da, die andere Aushilfspfeife an der Bar ist zu nichts zu gebrauchen. Überleg dir das nochmal mit einer Festanstellung. Würde dir sicher auch gut entgegenkommen. Außerdem habe ich dann niemanden mehr, den ich so fest drücken kann wie dich." Er lacht, weil er Cloe jedes Mal die Luft raubt, wenn sie von ihm gedrückt wird.
Sie hatte tatsächlich schon überlegt, ob sie nach ihrer Akademie nicht hier anfängt. Manche würden sagen, sie verschwende ihr Potential, sie solle doch lieber Psychologin oder Biologin werden, aber sie fühlt sich hier schon immer wohl. Wie Zuhause.
„Na, du wirst dich schon richtig entscheiden. Ich halte dich mal nicht von deiner Arbeit ab, wir sehen uns."
„Weißt du, ob die Chefin schon da ist?" Bruce zuckt auf ihre Frage verwirrt mit den Schultern. „Keine Ahnung. Du kennst sie doch halbwegs. Sie taucht einfach auf oder auch nicht. Niemand von uns sieht sie wirklich, höchstens, wenn wir Anliegen haben oder sie etwas mitteilen muss. Das kann ich dir nicht sagen." Bruce will gerade auf seinen Posten gehen, als er sich nochmal umdreht. „Du siehst aber heute echt schick aus. Hast du nachher noch ein Date?" Er wartet keine Antwort ab, sondern geht einfach. Zum Glück. Sie wüsste nämlich nicht, was sie Antworten sollte.
Sie atmet schwer aus und wendet sich ihrem Arbeitsplatz zu. Ein Stück entfernt ist ein kleines Lager, dort befindet sich auch ein Pausenraum mit Billiardtisch, sogar für bequemen Komfort in Form von Sofas ist gesorgt. Ein netter junge liefert hier immer kleine Häppchen, die absolut köstlich schmecken. Und das alles extra für das Personal.
Zwei der Wächter begrüßen Fina und spielen danach wie immer eine Runde Black Jack vor Dienstbeginn.
Cloe muss nur etwa drei Flaschen mitnehmen und schreibt gleich auf einen Lieferschein, was die den alles für den nächsten Tag benötigt. Darunter fällt wohl Bier, Scotch und vor allem Sekt. Den Lieferschein klebt sie an die Tür des Lagers. Hier im Pausenraum gibt es auch einen Aufpasser, der darauf achtet, dass der Lieferschein den richtigen erreicht und niemand hier hereinkommt, der hier nichts zu suchen hat. „Bis später Jungs."
„Jau, bis später Cloe. Ach Scheiße, die Karten heute sind doch der reinste Schrott. Misch gefälligst ordentlich!"
„Mische deine blöden Karten doch selber!"
Ein kichern kann sie sich nicht verkneifen. Die beiden sind manchmal wie ein altes Ehepaar, die sich grundlos anschnauzen und beleidigen.
An ihrer hübschen Bar wischt sie sorgsam und gründlich über die Theke. Sie hasst es, wenn an diesem Ort noch Flecke von gestern ihr Antlitz zeigen.
Im Kopf geht sie nebenbei ihre Liste durch. Zum Mischen hat sie alles. Verschiedene Säfte, Eiswürfel, alkoholische Getränke, kleine Hilfsmittel und so weiter. Ja, sie müsste alles vollständig haben. Zufrieden nimmt sie auf ihrem geheimen Stuhl hinter der Theke Platz und wartet, bis die Show beginnt. Ungeduldig trommelt sie mit ihren Fingernägeln auf die glatte, frisch polierte Oberfläche ihrer Theke, während sie unbewusst auf eine ganz bestimmte Person wartet.

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