Der süße Kuss des Blutes - Kapitel 62

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Es könnte das Jahr 1.010 nach Christus Geburt gewesen sein, an dem die kleine Fina das Licht der Welt erblickt. Sie wuchs in einem Anwesen auf englischem Land auf. Ihre Mutter und ihr Vater besitzen mehrere Höfe, besser gesagt ihre Mutter, ihr Vater ist Geschäftsmann.
Mitsieben Jahren erinnerte sie sich erstmals an das Aussehen ihrer Eltern. IhreMutter Elisabeth wirkte schon immer ein wenig krank. Sie sieht aus wie Mittedreißig mit bleichem Gesicht. Nach Außen gibt sie sich immer als Vornehme undstrenge Dame ab, genauso wie in ihren Erziehungsmethoden. Aber sie ist eineherzensgute Person, ein liebevoller Mensch, die ihre Tochter mit allen Mitteln beschützen würde.
Sie trägt häufig weiße Kleider und die Bauern, Ritter und sonstige nennen sie lustigerweise "Frau in Weiß", eine alte Geistergeschichte, die zu dieser Zeit existiert und von einer rachsüchtigen, ermordeten jungen Frau handelt. Ihr körperliches Aussehen erbte die Fina der Zukunft definitiv von dieser Frau, ebenso die roten, strahlenden Haare, für die manche als Hexe verbrannt wurden.
Ihr Vater ist ein sehr schlanker Mann mit Vollbart und schulterlangen, braunem Haar. Ein ebenso lieber Vater, der allerdings ziemlich oft unterwegs ist. Sein Name ist Richard.
In dieser Zeit lehrte ihre Mutter ihr vieles, was anderen verwehrt blieb. Sie kennt viele Sprachen, kennt sich erstaunlich gut in vielen Dingen des Lebens aus. Dinge, die Frauen zu dieser Zeit eigentlich nicht wissen dürften. Früh musste Elisabeth erkennen, dass ihre Tochter ein stürmischer Wirbelwind ist. Sie haben einen Jagdhund, mit dem sie egal bei welchem Wetter, draußen tobt, egal ob Sonne, Schnee oder peitschender Regen. Die schmutzigen Kleider wurden mit Prügel bestraft, aber stets steckte sie die Prügel ein und ließ sich nie unterwerfen. Sie reitet gern mit ihrem Pferd und spielt am nahen Meer. „So stürmisch wie sie manchmal ist, sie hat echt was auf dem Kasten." Ihr Vater bewundert immer wieder, was für eine rebellische Natur sie hat.
Normalerweise werden solche Kinder zu typischen Frauen der Zeit umerzogen, aber Elisabeth reagiert mit einer Wut, wenn jedes Mal jemand versucht, sie als Frau abzustempeln, die Essen zu kochen hat und Wäsche zu waschen hat. Seitdem hielt sich Richard aus der Erziehung heraus, auch wenn er versucht, so viel Zeit wie möglich mit ihr zu verbringen. Sein ständiges umherreisen ermöglicht dies allerdings selten. Deshalb verbringen Mutter und Tochter viel Zeit miteinander.
Etwa siebzehn Jahre ist sie schon alt. Ihr Vater wollte sie schon mehrmals mit edlen Adelsherren verheiraten. Egal wen er ihr anbietet, sie lacht jeden einzelnen aus. Einmal schlug sie sogar jemanden zusammen und besiegte jemandem beim Fechten, um nicht heiraten zu müssen. Viele gebildete Männer bezeichnet sie sogar als unzureichend intelligent, um sich mit denen abzugeben. In ihren Worten lag stets Verachtung, sie verabscheut diese. Sie verbirgt es nicht einmal, sie gibt es sogar mehrfach offen zu.
Eines Tages stellte sie wieder jemanden vor. Sein Name ist Erwin, etwa zwei Jahre älter wie sie, in Begleitung eines streng aussehenden Mannes. Erwin hat eine Narbe im Gesicht, blondes Haar und strahlend grüne Augen, wie Fina. Seine Statur ist muskulär und sein Lächeln strahlt heller als die Sonne. Darin liegt nur Freude, nichts weiter. Fina hat zu dieser Zeit schon nicht in den Kopf bekommen, wie Männer und Frauen zusammen leben können, es ging nicht in ihren Kopf hinein.
Hinter dem jungen, gutaussehenden Mann stand jedoch ganz unschuldig, etwa in selben Alter wie Fina, ein Mädchen mit schulterlangen, blondem Haar, einen typischen Kleid wie es fast jeder trägt. Sie ist blass, aber im Gegensatz zu ihrer Mutter scheint diese Blässe aufgetragen zu sein. Eine Modeerscheinung des Adels, wie es ihre Mutter trägt.
„Wie heißt du?", fragt Fina neugierig. „Erwin. Erwin von..." Genervt redet Fina dazwischen. Dafür wäre sie von ihrem Vater sicher geschlagen worden, wäre da kein Besuch vor ihr. Das würde sie später sicher noch bezahlen müssen. „Deinen Namen kenne ich schon. Wie heißt sie?" Es ist eine Sache jemanden zu unterbrechen, aber den Vater, ein Familienoberhaupt zu übergehen grenzt an eine Frechheit. Sein Gesicht färbt sich leicht zornesrot, er beherrscht sich aber. Das blonde, zierliche Mädchen im wahrscheinlich selben Alter antwortet ihr nicht. „Ist sie stumm? Oder hat sie etwa gelogen und die Zunge verloren?"
Der fremde Vater grummelt kurz. „Antworte ihr auf ihre Fragen." Sie blickt auf, hält den Kopf aber immer noch gesenkt. „Ich bin Amilia, meine Dame." Sie deutet einen kurzen Knicks an. Fina tut es ihr gleich. „Vater, ich habe es mir überlegt. Vielleicht könnten diese netten Herrschaften doch bei uns bleiben. Verzeiht meine
Unhöflichkeit. Ich werde selbstverständlich als Wiedergutmachung etwas zubereiten." Sie verbeugt sich, diesmal deutlich vor Erwin und seinem Vater und bittet sie anschließend in ihr Haus.
Sie bereitet eine Gemüsesuppe zu, die anscheinend jedem Vorzüglich schmeckt. „Ich hatte mir schon überlegt, dir mal deine Rechte vorzulesen, aber dies nehme ich wohl zurück." Der fremde Familienvater ist ein strenger Mann, aber zuweilen zu gütig, wie gerade eben. Es ist am späten Abend. „Ich möchte Vorschlagen, dass Amilia bei mir die Nacht verbringt. Schließlich bringt es Unglück, vor der Hochzeit zu schlafen, oder Irre ich mich da?" Sie schlägt ein Kreuz, um ihre religiöse Dazugehörigkeit zu symbolisieren, auch wenn sie an diese Geschichte nicht glaubt. Sie lügt sich gerade eine Hochzeit mit Erwin zusammen, was ihn wohl erfreut, da er die Lüge mehr als abkauft. Er scheint sie wirklich zu glauben. „Außerdem haben wir gerade kaum Betten frei. Eine Schande, aber ich gelobe Besserung."
„Eigentlich sollte der Vorschlag nicht von einer Dame stammen, aber nun gut, ich stimme zu." Fina drängt Amilia dazu, ihr den Hof zu zeigen. Sie zeigt ihre liebsten Hobbys, das Meer, ihr Haus und ihre kürzlich errungene Leidenschaft, das Zeichnen. Sie ist noch sehr ungeschickt darin, wie sie selbst behauptet. Ihr Zimmer ist voller Zeichnungen, die sie als unbrauchbar betitelt, so sehen sie auch durchaus aus. Der Versuch, Menschen und Tiere
zu zeichnen, endet auf diesen Bildern in einem Chaos aus Strichen und Formen.
Ihr Zimmer ist hübsch eingerichtet, ihr Bett groß. Etwas trostlos, aber dafür hat sie die Angewohnheit, alles mit ihren "Kunstwerken" voll zu hängen. „Du bist die ganze Zeit so still? Ist alles gut Amilia?" Sie wirkt immer noch so schüchtern wie vorher. „Nun meine Dame, es geziert sich nicht ohne Erlaubnis zu sprechen." Fina bekommt einen Lachanfall. „Um Gottes Willen". Sie schlägt wieder ein Kreuz. „Nicht vor mir, nicht wo wir unter uns sind. Fühl dich wie zu Hause." Amilia betrachtet Fina. Ihr Haar ist feuerrot, ihre Augen grün, ihre Figur wirkt noch etwas kindlich, man sieht ihr jedoch die Merkmale ihrer Mutter an. Ihr Gesicht ist etwas rötlicher, als die meisten anderen, als würde sie den ganzen Tag toben und herumtollen. Fina trägt ein weißes, enges Kleid. „Ach, ich hasse diese Kleidung. Und dieses blöde Korsett. Wie kommst du damit zurecht?" Amilia schaut immer Fina auf die Füße, statt in ihr Gesicht. „Als Dame ist es meine Pflicht, so etwas zu tragen. In etwa so heilig und wichtig wie Gott."
An diesem Abend ist eine Saat in ihr aufgekeimt, die jemand in ihr oder sie selbst gepflanzt hat. Nach ein paar freundlichen, austauschenden Worten löste sie ihr Kleid, ihr Korsett, legt es vorsichtig beiseite, um sich danach auf Amilia zu stürzen. Sie wehrte sich nicht dagegen, ließ es über sich ergehen, ehe sie nach kurzer Zeit Fina in die Arme nahm und sich diesem Zauber ergab.
Nach dieser Nacht und der darauffolgenden plötzlichen Abreise der Familie, sah sie Amilia nie wieder. Es war eine unvergessliche Nacht, auch wenn Fina nicht wirklich wusste, was sie tun sollte.

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