Der süße Kuss des Blutes - Kapitel 41

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"Ihr seht furchtbar aus." James betrachtet die drei jungen Damen, die sich etwas zu viel mit Alkohol bereichert hatten. „Wir freuen uns auch, dich zu sehen."
Der Diener grinst für eine kleine Sekunde, bemüht sich aber, sofort wieder einen neutralen Gesichtsausdruck anzunehmen. „Also für drei Personen ein ordentliches Frühstück." Keiner beschwerte sich deswegen. Ein gutes Frühstück nach einer harten Nacht wie dieser wirkt wahre Wunder, hofft man zumindest. Keiner spricht ein Wort. Nicht, weil sie wütend aufeinander sind, sondern niemand hat die Kraft oder Nerven übrig, bis Melissa die Stille bricht. „Ihr habt das gestern Abend getan, damit die beiden ihre Ruhe haben, oder? Sie sind ineinander verliebt, oder irre ich mich so?" Anna hat das von Melissa nicht erwartet, die sonst niemals den Mund aufreißt, auch nicht, wenn andere ihr etwas angetan haben. Ein schlechtes Gewissen breitet sich in ihr aus. Sie hatte Melissa absichtlich zum trinken animiert, damit die beiden Turteltäubchen ihre Ruhe haben und der Wahnsinn ihrer unheimlich traurigen Schwester mal ein Ende hat. Gerade will sie sich rechtfertigen. „Ach, vergesst es. Ich war gestern egoistisch. Ich wusste, was ihr erreichen wolltet und ich wollte Fina nicht kampflos aufgeben. Aber als ich allein schon beobachtet habe, mit welch funkelnden Augen sie ab und an zu deiner Schwester blickte, hätte ich eigentlich aufgeben soll. Es war unangebracht. Ich glaube außerdem nicht, dass ich sie so liebe wie Sophia es tut. Vielleicht ist es nur ein Begehren oder etwas Ähnliches. Sorry, dass ihr wegen mir verkatert seid, aber wenigstens haben die beiden zueinander gefunden, glaube ich, keine Ahnung."
Besorgt schaut Cloe Melissa an, die aus dem Fenster in den Blumengarten schaut. Seitdem Fina aufgetaucht ist, hat sich ihre Persönlichkeit rapide verändert. Sie war ruhig, zurückhaltend, zum knuddeln. Sie entwickelt sich momentan zu einer Frau, die ihre Meinung mitteilt und teilweise sogar rebellisch wird. Entweder hat sie eine verspätete Entwicklung, was sie aber nicht glaubt, oder aber, es hat etwas mit der Frau zu tun, in die Sophia unsterblich verliebt ist. Was auch immer die Blaäse bei Melissa ausgelöst hat, es verändert sie. Ist es nur der Anblick, die reine Anwesenheit oder wird sie absichtlich manipuliert? Dies scheint ihr aber etwas zu weit hergeholt. Eine verrückte Theorie, um etwas zu erklären.
„Melissa, ich, also wir... Es tut uns leid. Wir hätten dich trotzdem nicht so behandeln dürfen. Beziehungsweise ich, es war schließlich meine Idee."
„Ach Anna. Mach dir deswegen mal keine Vorwürfe. Es war von uns beiden dumm, aber es ist passiert. Also alles gut." Das bereinigt zwar ihr Gewissen nicht komplett, aber diese Lösung des Problems gefällt ihr sehr gut.

Zum Glück gesellt sich jemand dazu, sodass diese bedrückende Atmosphäre unterbrochen wird. „Ihr seht ja hervorragend aus. Besser, als ich ehrlich gesagt erwartet hätte." Sie schleicht die Treppe geräuschlos herunter. Ihre Schwester hat Fina nicht dabei. Schade. Sie hätte jetzt gern die beiden Hand in Hand gesehen, wenn sich Sophia den getraut hat. „Es können nicht alle so bezaubernd aussehen." Fina lächelt breit. Nicht weil sie sich geschmeichelt fühlt, sondern weil sie es von der blonden Frau am Tisch erwartete. Sie geht nicht auf Melissa ein, sie weiß sowieso schon, dass sie nicht den Hauch einer Chance bei ihr hat. Darum geht es auch gerade gar nicht. „Schade, dass ihr so verkatert seid, aber morgen ist ja auch noch ein lustiger, toller Tag. Schlaft und ruht euch heute aus, morgen können wir gern mal was unternehmen. Ach James, bist du schon dabei?"
„Natürlich", ruft es aus der Küche. Fina trägt heute eine schwarze, enganliegende Hose und ein hellgraues Oberteil, wobei die rechte Schulter frei liegt und die andere verdeckt ist. „Na sieh mal einer an, wer sich da zu uns gesellt. Du hast aber lange für die Haare gebraucht." Sophia hat die Treppe gerade mit einem Fuß betreten und sie wurde schon von Fina bemerkt, die mit dem Rücken zu ihr steht. Sie muss ein wahnsinnig gutes Gespür haben.

Was sie noch mehr verwundert: Sie ist schneller fertig geworden als sie selbst. Ihre Geliebte muss echt den dreh heraushaben. Anna springt sofort auf -wenn auch mit deutlich reduzierter Geschwindigkeit und eigenartigem Gangbild- und geht auf sie zu. „Komm mal kurz mit, ich muss mich mit dir unterhalten."
Sophia weiß auch schon worüber. Also geht sie wieder das kleine Stück nach oben auf den gruseligen Gang mit dem Fenster am Ende, wo ihre Schwester sie sicher ausquetschen will. „Wie ist es gelaufen? Du MUSST es MIR erzählen, du schuldest mir schließlich was."
Sophia schilderte kurz den Abend, belässt es aber bei dem Kuss im Garten und etwas knutschen. Die Szene der letzten Nacht teilte sie nur mit einem Menschen.
Anna beobachtet ihre Schwester, die noch nie so glücklich gewirkt hat, wie heute. „Schwesterchen. Ich wünschte ich könnte heulen. Es ist so schön, dich endlich mal richtig glücklich zu sehen. Komm her." Sie drückt ihre Schwester an sich, wobei sie ein paar Schritte zur Seite taumelt und mit Sophia umfällt. Es gab keinen lauten Aufprall, es ist, als würde es der Boden verschlucken. „Entschuldige. Ich bin noch nicht so ganz ausgenüchtert. Hilfst du mir bitte hoch?"
„Hm, ich könnte dich auch hier liegen lassen. Ich bring dir dein Frühstück auch hierher, in Ordnung?" Sophia hält ihre Hand entgegen, sie wollte ihre Schwester nur ärgern. Diese schnaubt kurz. „Jaja, du mich auch." Mit viel Kraft gelingt es ihr irgendwie, ihre Schwester wieder auf die Beine zu bekommen. „Boah, bin ich froh, wenn dieser verfluchte Tag vorbei ist. Nie wieder, nie, nie wieder."

James tischte ein halbes Festmahl auf, er hat sich an den Tisch dazu gesetzt, aber größtenteils geschwiegen. Er antwortet ziemlich knapp und kurz, als wolle er kein Gespräch, nur, dass sich seine Herrin und seine Gäste sich unterhalten, scheint sein Wunsch zu sein. Es gab Brötchen, Brot, Ei, Speck und vielem mehr, wie in einem Hotel. „Ich hoffe, ihr schmeißt das alles nicht weg." James schüttelt den Kopf. „Natürlich nicht. Die Gärtner, die hier vorbeikommen, essen zwischendurch etwas und nehmen es dann für sich oder für ihre Familie mit nach Hause."
„Willst du den gar nichts essen?" Sophia wirkt etwas besorgt. Sie hat die köstlichen Speisen weder angerührt, noch angesehen. Sie hat gestern Abend schon fast nichts angerührt. „Ich verzichte. Du kennst doch mein Ernährungsverhalten. Habe ich dir doch schon kurz erzählt."
Sophia schläft beinahe das Gesicht ein. Sie meint es also tatsächlich wirklich ernst. Sie denkt echt, dass sie ein Vampir ist, sich nur von Blut ernährt, von nichts anderem. Diese kleine Information behält sie aber lieber für sich. Es muss ja nicht jeder wissen, für was sie sich hält.

Der süße Kuss des Blutes |GirlxGirl [Abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt