Teil 23

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Die nächsten zwei Tage strichen recht unauffällig vorüber.
Am Montag ging mein Flieger, weshalb ich das ganze Wochenende mit Packen beschäftigt war. Da ich keinen wirklich großen Koffer hatte, musste ich leider leider zwei mitnehmen. Für sechs Wochen zu packen stellte sich aber auch als ziemlich schwierig heraus. Im Nachhinein war mein Schrank halb leer geräumt.
Ich verließ kein einziges Mal die Wohnung, nur selten ließ ich mich überhaupt außerhalb meines Zimmers blicken.
Es war mehr als schwierig für mich und ich wusste, dass ich jetzt erst einmal ein bisschen Zeit für mich brauchte, um das alles zu verarbeiten. In der Zwischenzeit hörte ich natürlich kein Wort von Wincent. Meine Freundinnen versuchten mich mit irgendwelchen Nachrichten aufzuheitern, doch ich war so mies gelaunt, dass ich kein einziges Mal darauf einging.
Ich konnte es immer noch nicht fassen. Was ging in Wincents Kopf vor, dass er mich so wegstieß. Noch vor ein paar Tagen hatten wir wie wild miteinander geflirtet und nach seiner eigenen Aussage waren wir dabei fast gemeinsam im Bett gelandet.
Ich verstand ihn nicht, ich konnte ihn einfach nicht verstehen.
Alles in mir zog sich zusammen, wenn ich nur an ihn dachte, wenn ich daran dachte wie weich sich seine Lippen auf meinen angefühlt hatten, wenn ich daran dachte wie er oberkörperfrei am Herd stand und Essen machte. Es schmerzte - keine Frage.
Doch sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen, half mir sowieso nicht viel weiter.
Ich packte in Ruhe meine Sachen zusammen und überprüfte immer wieder, ob ich auch alles hatte. Endlich waren Semesterferien und endlich konnte ich meine damals beste Freundin wiedersehen. Es war nicht so, dass zwischen Ella und mir irgendetwas vorgefallen war, was uns nicht mehr beste Freundinnen sein ließ. Wir hatten uns schon damals selten gesehen, da sie von meinen Eltern 300km und von Düsseldorf sogar glatte 600km weit weg wohnte, doch seit sie nach ihrem Abi nach New York gezogen ist, um dort zu studieren, hatten wir uns ein bisschen aus den Augen verloren.
Nicht dass es uns schwer fiel über Social Media und WhatsApp in Kontakt zu bleiben - darin waren wir schon früher Profis - die sechs Stunden Zeitunterschied zwischen New York und Deutschland legten uns manchmal Steine in den Weg. Tagsüber waren wir beide in der Uni und morgens und abends war der eine von uns beiden jedesmal entweder schon oder immer noch schlafen. An meinem Morgen war es bei ihr noch mitten in der Nacht und an ihrem Abend war es bei mir schon mitten in der Nacht. Dadurch fiel es uns manchmal schwer so sehr in Kontakt zu bleiben, wie wir es mal waren.
Nichtsdestotrotz standen wir uns noch immer sehr nah, wir erzählten uns trotzdem jeden Tag, was in unserem Leben gerade so abging. Nur dass wir auf eine Antwort eben mal einige Stunden warten mussten.
Ich konnte ihr alles sagen, ohne mich irgendwie zurückhalten zu müssen. Und so hatte ich ihr natürlich auch von Wincent erzählt - nicht ganz freiwillig aber naja. Nur dass es jetzt vorbei war, musste ich ihr noch sagen.
Ich freute mich unheimlich sie endlich wieder zu sehen. Normalerweise besuchte sie mich in den Sommersemesterferien und ich sie in den Wintersemesterferien, doch weil ihre Mitbewohnerin gerade eh für ein paar Wochen nicht da war, war das ganz praktisch, dass ich auch im Sommer zu ihr kam.
Ich freute mich dermaßen, von hier weg zu kommen.

asystoliaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt