Teil 11

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Tja und wer saß da jetzt neben mir?
Richtig. Wie hätte es auch anders sein können? Wincent Weiß.
Verstohlen schaute ich ihn von der Seite an. Er sah erbärmlich aus, richtig fertig mit Gott und der Welt. Bedröppelt blickte er auf seine Hände, die die Flasche Bier umschlossen.
„Was führt dich hier her?", fragte er während mein Blick noch immer auf ihm ruhte.
Schnell schaute ich weg. „Das könnte ich dich genauso fragen."
„Man beantwortet aber keine Frage mit einer Gegenfrage", erwiderte er, wobei seine Mundwinkel fast unmerklich für eine Millisekunde etwas höher wanderten.
„Na gut." Ich stöhnte. „Hab schon wieder eine wichtige Klausur verhauen. Und du?"
Er stöhnte ebenfalls. „Hab meine Prüfung verhauen."
Wahrscheinlich meinte er seine Motorradführerschein Prüfung. Ich wusste, dass er in letzter Zeit ziemlich viel Stress deshalb gehabt hatte. Dass ihn die verhauene Prüfung jetzt fertig machte, konnte ich gut nachvollziehen.
„Kann man alles wiederholen", machte ich den lächerlichen Versuch ihn aufzumuntern.
Er schaute mich ein paar Sekunden an. „Deine doch auch."
„Auch wieder wahr", murmelte ich und trank einen Schluck aus meiner Flasche.
Ich war auf eine Art und Weise enttäuscht von mir und meiner Leistung. Gestern hatte ich noch so viel gelernt und dann doch für nichts und wieder nichts.
So wie Wincent schaute, musste es ihm ähnlich gehen.
Ich hielt es für unangebracht genauer nachzufragen, warum er die Prüfung verhauen hatte, da ich selber auch nicht gerne darauf antworten würde.
Stattdessen wunderte ich mich noch immer darüber Wincent genau hier in der x-beliebigsten Bar zu treffen.
Und er schien offenbar genau das gleiche zu denken.
„Was führt dich hier her?", fragte er. „Bin mit dem Zug nach Hause gefahren und die erst beste Bar vom Hauptbahnhof aus gesucht. Und warum bist du ausgerechnet hier?"
„Tja ich wollte in eine Bar in der mich höchstwahrscheinlich niemand kennt", murmelte er während er das Etikett an seiner Bierflasche mit dem Daumen glatt strich.
„Tut mir Leid, dass ich dir einen Strich durch die Rechnung gemacht habe."
Wincent schaute mich ehrlich überrascht an.
„Nein, so meinte ich das gar nicht. Deine Anwesenheit ist gerade sehr angenehm. Ich meinte nur, dass hier drin wahrscheinlich keine 14-jährigen Mädchen kreischend auf mich zugerannt kommen können."
Es erleichterte mich ein bisschen das zu hören. Denn ob ich's mir eingestehen wollte oder nicht: Ich freute mich, dass Wincent hier war und ich nicht alleine wie eine Alkoholikerin hier saß.

asystoliaWhere stories live. Discover now