Teil 43

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"Du kannst die Vergangenheit nicht mehr ändern, aber lebe hier bei mir, in der Gegenwart."
Ich nickte: "Das tue ich." Ein Lächeln huschte über deine Lippen und du küsstest mich sachte.

Eigentlich hätte man uns mit meiner Sucht vergleichen können. Ich war die Zigarette Jack, und du das Feuer. Ohne deine Hilfe konnte ich nicht brennen, nicht leben. Du hast mich angezündet und jetzt bin ich bald komplett abgebrannt, bald werde ich nicht mehr existieren.

Ich schluckte das Schmerzmittel und schlief darauf auch relativ schnell ein. Das Einzige, was ich noch weiß, ist, dass du mir ein Lied gesungen hast, aber der Text ist mir leider entfallen. Ich bin in deinen Armen eingeschlafen, und als ich aufwachte, warst du weg. Die Decke war beiseite geschlagen und der Raum leer. Ich sah in jeder Schublade nach und auf dem Tisch, nirgends war ein Zettel, nirgendwo auch nur ein klitzekleiner Hinweis. Seufzend fiel ich wieder ins Bett.

Oh Jack, wenn du nur wieder Frühstück besorgtest, würdest du dir eine Standpauke anhören müssen. Ich meine, hattest du Spaß daran, mich immer wieder zu erschrecken und mir Angst zu machen?

Ich lief unruhig im Zimmer auf und ab, doch das wurde mir dann schnell zu anstrengend. Ein wenig später entschloss ich mich dazu, ein Bad zu nehmen, weil ich mich nur noch widerlich fühlte und außerdem brauchte ich Ablenkung. Nervös tippte ich mit den Fingernägeln auf der Badewanne herum, während das Wasser einlief. Mir fehlten die Kippen, aber ich versuchte mich mit dem Gedanken an dich abzulenken.

Weißt du Jack, Phantasie ist eine komische Gabe. Sie macht uns individuell und erfinderisch. Irgendwie eigenartig, dass man sie nicht anfassen und sehen kann, aber wir können das betrachten, was sie hervorbringt. Meine Phantasie hat mich oft an andere Orte mit dir geführt und darüber bin ich sehr froh, diese Momente gaben mir immer Hoffnung, Hoffnung darauf, dass nicht alles ein Ende hat.

Als meine Lider sich flatternd öffneten, war die Badewanne fast übergelaufen und ich hatte gerade noch Glück gehabt, dass ich rechtzeitig aufgewacht war. Wie konnte man nur so viel schlafen? Meine Finger tasteten fast komplett taub nach dem Wasserhahn und ich lauschte, ob ich von außen irgendwelche Schritte vernehmen konnte, aber da war nichts außer der Wassergeräusche, die entstanden, als ich mich bewegte. Ich benutzte das Shampoo vom Hotel und ließ dann wieder das Wasser ab. Nachdem ich aus dem Bad trat, war der Raum immer noch leer. Langsam begann ich mir wirklich Sorgen zu machen, wo stecktest du nur? Ich öffnete das Fenster und sah auf einen kleinen Hinterhof, aber es war weit und breit nichts zu sehen. Auch die Zigarettenpackung, die ich hinausgeschmissen hatte, war nirgends zu sehen, wahrscheinlich hatte sich der Nächstbeste darüber gefreut und Geld gespart. Ich seufzte und zog die Vorhänge zu. Mein Blick wanderte ein paar Mal von der Uhr zur Tür, aber nichts geschah, es änderte sich einfach nichts.

Jack, warum hast du mir das immer wieder angetan? Hattest du überhaupt eine Ahnung, wie es sich anfühlte, wenn ich nicht wusste, wo du warst? Ich war besorgt, traurig und sogar ein bisschen wütend, immerhin hattest du versprochen, nicht zu gehen und jetzt warst du schon wieder fort. Egal wie übertrieben das jetzt klingt, aber ich habe mir immer die schlimmsten Situationen ausgemalt, Jack. Hattest du einen Unfall? Warst du einfach nur unterwegs oder hattest du mich vielleicht verlassen, weil du meinen Anblick doch nicht mehr ertrugst? So viele Fragen, so viele Möglichkeiten und ich kenne keine einzige Lösung oder Antwort.

Das ständige Warten machte mich schon wieder müde und da ich nicht rauchen konnte, begab ich mich erneut in mein Bett. Wenn ich die Augen wieder aufschlage, würdest du bestimmt zurück sein, mit deinem dämlichen Kater aus dem Wunderland Grinsen und würdest mich auslachen, weil ich mir immer zu viele Sorgen mache.

Ich strich mit den Fingerspitzen über die Kanten der Schachtel und öffnete sie dann. Das weiße Ende der Zigarette war weich, als ich meinen Fingernagel darin verbohrte. Ungefähr 80mm lang und anfangs harmlos, ich zog eine Kippe heraus und rollte sie in meinen Fingern hin und her. Nicht jeder stirbt am Rauchen, dachte ich und zog mein Feuerzeug heraus. Das Tabakende verfärbte sich leicht orange, als ich die Flamme dicht genug an die Zigarette hielt. 10mg Teer und 0,8mg Nikotin. Ich zog und der bekannte Geschmack erfüllte meinen Mund und den Rachen. Mit leicht geöffnetem Mund pustete ich den Rauch durch die Zähne wieder nach draußen und beobachte, wie die Farbe orange wieder verblasste. Es fühlte sich einfach so richtig an, obwohl es so unglaublich falsch war.

Ich schlug die Augen auf, es war mittlerweile schon dunkel. Zuerst musste ich blinzeln, um mich an das Licht zu gewöhnen, doch allmählich verschärften sich die Umrisse vor mir. Da war die Uhr, das Bild, der Tisch, der Nachttisch, die zwei Türen, Stühle, ein Bett und kein Jack. Leise zog ich die Decke beiseite und stand auf, aber auch das Bad war leer. Stirnrunzelnd trat ich zurück ins Zimmer, alles lag noch genauso wie vorher, niemand hatte den Raum betreten oder verlassen.
"
Jack?", fragte ich in die Stille hinein und die Ruhe antwortete so wie sie immer antwortete, nämlich gar nicht.

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Es sind nicht mehr viele Kapitel bis zum Schluss.

Also eigentlich ist das Buch schon fertig geschrieben, deswegen stellt euch darauf ein, dass es 47 Teile geben wird.

Einsam fällt Sterben leichterWhere stories live. Discover now