Teil 7

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"Bitte legen Sie Ihre Tickets zurecht und halten Sie sich für eine Kontrolle bereit", ertönte eine Stimme aus dem Lautsprecher.
Ich sah dich an, aber du bliebst gelassen: "Das ist jetzt wohl der Zeitpunkt, an dem wir auf der Toilette verschwinden sollten."
Ich rollte mit den Augen: "Bekommst du eigentlich immer das, was du willst?"
"Schön wäre es. Zum Beispiel würde ich dich wollen."
"Schnulzig", ich ging auf die Toiletten zu.
"Aber süß, gib es zu."
"Ein wenig." Wir drängten uns in den kleinen Raum und es war ekelhaft. "Es stinkt", flüsterte ich.
"Jetzt werd doch nicht so unromantisch, kleine Blume."
"Erstens ist dieser Ort hier nicht romantisch und zweitens bin ich das auch nicht."
"Ach ja?", du lehntest dich mit beiden Händen an die Wand, sodass ich mich weder wegdrehen, noch sonst irgendetwas tun konnte.
"Ja", piepste ich mehr oder weniger.

Dich so nah an mich ranzulassen war keine gute Idee, doch jetzt war es sowieso schon zu spät, nicht wahr? Ich meine welches Mädchen hätte jetzt noch daran denken können, wie es wäre in einer Klinik zu sein und dort zu vergehen? Das war alles nur ein paar Minuten entfernt und jetzt war ich drauf und dran in einer stinkenden ICE Toilette mit dir rumzumachen, während wir uns eigentlich vor der Kontrolle versteckten. Das klingt so unrealistisch, aber da standst du. Das war wahrscheinlich das Verrückteste was ich jemals getan hatte. Das Verrückteste was wir getan hatten, oder war deine Idee abzuhauen kranker gewesen?

"Was wird das, wenn es fertig ist?", ich traute mich nicht laut zu sprechen.
"Wonach sieht es denn aus?"
"Die Vorstellung, jetzt mit dir hier rumzumachen, ist widerlich."
"Du hast recht, hier ist es ekelhaft. Die Vorstellung mit dir rumzumachen allerdings nicht."
"Jack, lass das." Du nähertest dein Gesicht meinem.
"Ach Elli."
"Ich meine es ernst, hör auf", doch ich flüsterte es nur noch, dann war es schon zu spät. Unsere Lippen berührten sich und ich hatte verloren.

Nie konnte ich dir widerstehen, nie habe ich es geschafft etwas zu tun, dass du nicht wolltest. Irgendwie hasste ich dich dafür und gleichzeitig war es ein Grund warum ich dich so mochte. Viel zu sehr mochte.

"Und findest du es immer noch widerlich?"
Ich hatte die Augen geschlossen: "Hör jetzt ja nicht auf." Doch dann klopfte es. Ich sah dich panisch an, aber du konntest nicht aufhören zu grinsen.
"Entschuldigen Sie bitte, aber ich muss Ihre Fahrkarte kontrollieren", erklang eine männliche Stimme von Außen.
"Sag was", flüstertest du.
"Warum ich?"
"Du bist ein Mädchen."
Ich rollte mit den Augen: "Einen Moment noch."
Dein Lächeln wurde breiter: "Ich wusste gar nicht, dass du so zuckersüß klingen kannst."
Der Schaffner antwortete: "Lassen Sie sich ruhig Zeit, ich werde erst den anderen Abteil kontrollieren."
"Vielen Dank, das ist sehr nett." Ich vernahm die Schritte, die sich entfernten. "Wir müssen hier raus", ich schloss die Tür auf. Der Zug rollte langsamer, wir waren am nächsten Bahnhof angelangt.
"Schlaue Idee." Ich funkelte dich böse an. Wir waren die ersten, die den Zug verließen.
"Hey, ihr da!", der Schaffner trat zur Tür.
"Fuck", flüstertest du.
Ich lachte und begann zu rennen: "Komm schon Jack, oder hast du Schiss?"
Dein Grinsen war unverwechselbar: "Schiss? Oh nein, kleine Blume."

So kam es also dazu, dass wir über einen Bahnhof rannten und ich keine Ahnung hatte wo wir uns befanden. Wir rannten, bis wir den Ausgang erreicht hatten, von mir aus hätte es auch ewig so weitergehen können.

Ich musste husten.
"Das war so unnötig", du atmetest schnell.
"Was?", brachte ich unter dem Husten hervor.
"Er hätte niemals den Zug verlassen", du lächeltest.
"Na toll", mein Husten beruhigte sich nicht.
"Alles in Ordnung?"
"Ja, nur ein bisschen Husten."
"Willst du etwas trinken?" Ich nickte nur. "Und was?"
Ich grinste: "Also wenn du so fragst."
Du sahst mich genervt an: "Ich denke Wasser reicht."
"Alkohol ist Wasser, nur mit Gefühlen."
"Elli, du bist echt unmöglich."
Ich lachte: "Das sagt der Typ, der mich in einer stinkenden Zug Toilette geküsst hat."
"Und genau dieser Typ kauft dem Mädchen, das das zugelassen hat, jetzt ein Wasser."
"Das war jetzt süß."
"Komm mit, da vorne ist ein Bäcker."

Wie du dich um mich sorgtest war so wunderschön. Jedoch hättest du es nicht tun sollen. Du hättest mich nicht küssen sollen, und ich hätte es nicht zulassen dürfen. Diese ganze Sache mit uns ähnelte schon einem schlecht geschriebenen Roman. Es kam mir vor, als hätte der Autor keine Ideen mehr gehabt. Als hätte es für das happy end nicht gereicht.

Einsam fällt Sterben leichterDove le storie prendono vita. Scoprilo ora