Teil 14

72 7 0
                                    

Ich hatte das Gefühl, dass uns wirklich alle in der Schwimmhalle anstarrten und das war gar nicht mal so abwegig, denn das Schwimmbad bestand nur aus einem Becken und zwei Springtürmen. Mit dem Bademeister waren vielleicht insgesamt 30 Leute in der Halle, und wir eben.
"Wir setzen den neusten Modetrend", flüstertest du und sahst dich um.
"Wie auch immer, ich will nicht weiter angestarrt werden", sagte ich und lief zur Treppe des Beckens.
"Ich werde dich aber durchgehend ansehen", du liefst mir nach.
Ich lachte: "Das ist mir schon klar." Ich stieg mit den Füßen ins Wasser, es war eindeutig zu kalt.
Damit hattest du anscheinend keine Probleme, denn du gingst sofort rein: "Hättest du mehr Muskeln so wie ich, würdest du nicht so sehr frieren."
Ich rollte mit den Augen: "Danke."
"Wenn du jetzt nicht weitergehst, komme und hole ich dich", du lehntest dich amüsiert an den Beckenrand.
"Lass mir einfach Zeit."
"Zeit ist wertvoll, Elli."

Da hattest du mal wieder recht, Jack. Zeit war eines der wertvollsten Dinge, die man besitzen konnte und ich wusste sie zu schätzen. Jede einzelne Sekunde mit dir war ein Geschenk, das ich eigentlich gar nicht verdient hatte.

Ich ignorierte dich und stieg allmählich Stufe für Stufe mehr ins Wasser. "Wobei, Elli, du kannst dir ruhig Zeit lassen. Der Anblick ist sehr schön von hier unten", du grinstest schon wieder wie der Kater.
"Arsch." Ich stand bis zum Bauch im Becken, doch dann hast du mich mit einer Welle nass gespritzt. "Jack, du-", ich funkelte dich böse an.
"Arsch?", fragtest du.
"Ich hasse dich."
"Du hast eine seltsame Art deine Liebe auszudrücken, aber das spielt keine Rolle für mich", du sahst mich lachend an. Ich schüttelte den Kopf und tauchte dann unter. Ich begann eine Bahn zu schwimmen und du kamst neben mich: "Schneller kannst du nicht?"
Ich beschleunigte mein Tempo, aber du hieltest locker mit: "Das ist gemein."
"Süß."
"Ich bin nicht süß, Jack."
"Da sind wir mal wieder unterschiedlicher Meinung." Wir schwammen bis zum anderen Rand und ich hatte immer noch das Gefühl, dass uns alle beobachteten.

Was war so anders an uns? Ja, wir trugen Unterwäsche anstatt Bikini und Badehose, doch was war daran so schlimm? Oder starrten sie uns alle so an, weil wir hier fremd und in ihr kleines Kaff gekommen waren? Ohne dich wäre ich mir fehl am Platz vorgekommen, doch du hast mir immer das Gefühl gegeben richtig zu sein, wirklich geliebt zu werden.

Ich sah aus dem Augenwinkel, dass du mich anschautest: "Ist was?"
"Du bist wunderschön, Elli."
"Aus welchem Film kommt das denn?", ich lachte.
"Nennt sich mein Kopf."
"Das hier ist keine schnulzige Romanze, Jack. Das hier ist die öde unfaire Realität."
"Mit dir ist sie nicht mehr öde."

Genau dasselbe hätte ich dir auch sagen können. Seit ich dich das erste Mal im Park gesehen hatte, war kein Tag vergangen an dem ich nicht an dich gedacht habe. Jeder Tag bestand früher aus Rauchen, Essen und Schlafen. Ich gebe zu, ich hatte keinen Grund zu leben und habe öfter an Selbstmord gedacht, doch du hast das alles geändert, Jack. Allein dein Erscheinungsbild hat mich daran erinnert, dass es sich zu leben lohnt, dass es so viel mehr gibt als Krebs und eine Klinik am Arsch der Welt.

"Sehr kitschig."
"Naja, immerhin ertrinke ich nicht theatralisch wie der Jack in dem Film Titanic", du grinstest.
"Der ist nicht ertrunken", ich begann eine neue Bahn zu schwimmen.
"Sondern?"
"Erfroren, aber wenigstens konntest du dir den Namen merken", ich lachte.
"Ich weiß sogar, dass das Mädchen Rose hieß."
"Toll, Jack."
"Ich finde Elli schöner."
Ich rollte mit den Augen: "Du würdest auch Gisela gut finden, wenn ich so heißen würde."
Du kamst neben mich: "Nein, ich habe eine Tante, die so heißt, und ich kann sie überhaupt nicht leiden."
"Warum nicht?"
"Sie isst den ganzen Tag und schaut gleichzeitig Dokumentationen über Arme in Afrika. Sie regt sich immer auf, dass niemand hilft, aber anstatt zu spenden nervt sie nur jeden in ihrer Umgebung damit, und das ist nur ein Beispiel von ihr." Ich sagte nichts. "Was gibt es da zu lächeln?"
Ich unterdrückte mein Grinsen: "Ich finde das lustig, wie du dich über deine Verwandtschaft aufregst."
"Du sagst lustig, aber eigentlich meinst du süß. Stimmt das, oder hab ich Recht?"
"Idiot."
"Ich dich auch, Elli." Ich zeigte dir den Mittelfinger und schwamm an den Rand.

Ich habe dich immer für dein Selbstbewusstsein bewundert, auch wenn ich es nie zugegeben habe. Ich habe immer gehofft, dass ich auch offener zu dir sein könnte. Uns trennte so Vieles, Jack, und trotzdem hatten wir so viel gemeinsam. Wir waren beide mehr oder weniger durchgeknallt und vielleicht war das auch eine Eigenschaft, die uns verband, die uns einander nie vergessen ließ.

Einsam fällt Sterben leichterWhere stories live. Discover now