Teil 10

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Es hätte ewig so weitergehen können, wenn es nach mir ginge. Unsere kleinen Streitereien, unsere Küsse und unsere gemeinsame Zeit. Es fiel mir schwer, aber ich fragte nicht wohin wir gingen, denn wahrscheinlich wollte ich es gar nicht mehr wissen.

"Warum rauchst du nicht?", ich sah dich an.
"Für mich gibt es keinen Grund."
"Verstehe."
Dein Mund zuckte leicht nach oben: "Elli meine Freundin."
"Blitzmerker", ich pustete in die Luft."
"Ich hätte nicht gedacht, dass ich in diesem Leben nochmal eine Freundin haben würde", du sahst zu mir.
"Gewöhne dich nicht daran, das endet schneller als du denkst", ich zog an meiner Kippe.
"Schön zu wissen, dass du uns so siehst", dein Blick ging zum Boden.
Ich fing an zu lachen: "Du weißt genauso gut wie ich, dass das hier endet."
"Lass uns nicht über das Ende sprechen, wenn wir noch ganz am Anfang sind."
Ich hustete: "Wir sind schon mittendrin, Jack." Wir liefen eine Weile schweigend nebeneinander her und ich fragte mich über was du nachdachtest.

Über was hast du nachgedacht, Jack? Ich habe mir vorgestellt wie es wäre, wenn wir uns an einer Bar kennengelernt hätten, während einer Party, so wie ganz normale Teenager. Wie wäre es gewesen, wenn wir uns in der Schule das erste mal gesehen hätten? Hätten wir dann unsere ersten lächerlichen Dates in einem Kino mit Popcorn und Cola verbracht? Oder wären wir in einer schlechten Pizzeria essen gegangen? Es gibt so viele Möglichkeiten andere kennenzulernen und wir haben einen solch verrückten Weg gewählt.

Eine befahrene Straße erstreckte sich vor uns. "Können wir etwas essen?", ich sah zu dir hoch.
"Ich kann essen, bei dir bin ich mir da nicht so sicher."
"Sehr witzig", ich schmiss meine Zigarette ins Gebüsch.
"Auf was hätten Sie denn Lust?"
"Das ist die falsche Frage", grinste ich.
Du runzeltest die Stirn: "Warum?"
"Du solltest lieber nach Essen fragen und nicht worauf ich Lust habe. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge."
"Ach, ja? Dann will ich jetzt aber wissen, worauf du Lust hättest."
"Feiern."
"Morgens?", du begannst zu lachen.
"Wenn nicht jetzt, wann dann?"
"Wir gehen jetzt erst mal etwas essen."
"Auf was hättest du Lust?", fragte ich dich.
"Pizza."
Ich schloss zu dir auf: "Du weißt, dass ich das nicht so meine."
"Ist mir egal, ich habe Hunger", du beschleunigtest deinen Gang.
"Du Arsch, ich sollte mich nicht so abhetzen."
"Aber trinken und rauchen darfst du?"
Ich rollte mit den Augen: "Na schön, ich renne."
"Wir sollten irgendwo Geld wechseln."
"Da kommst du aber früh drauf."
"Anstatt mir meine Unfähigkeiten aufzuzählen, könntest du mal mit denken, wo man sowas machen kann."
"Ich bin das Mädchen, du der Hochintelligente, also ist das deine Aufgabe."
"Du tust gerade so als wärst du dumm."
Ich zuckte mit den Schultern: "Wenn du meinst."
"Da vorne ist ein Restaurant", du deutetest auf ein Geschäft an einer Ecke.
"Die dürften uns mit einem großen Schein bezahlen lassen", ich lachte.
"Ist Ihnen dieser Laden auch nobel genug?"
"Du bist unlustig, Jack."
"Dann lass mich einen Witz erzählen."
"Nein.", ich hielt mir die Ohren zu.
"Ach Elli, womit habe ich nur ein so tolles Mädchen verdient?"

Ich weiß nicht, ob du davon ausgegangen warst, dass ich diesen Satz nicht hörte, aber ich habe ihn gehört. War das ernst gemeint, Jack? Ein tolles Mädchen? Ich war eine Kettenraucherin und Krebspatientin, so krank und kaputt, da war kein Platz mehr für ein Wort wie toll.

Wir gingen an einen freien Tisch und nahmen die Speisekarten. "War das Essen in der Klinik gut?", du sahst von der Karte auf.
"Es ging, teilweise ja, teilweise nein und bei dir?"
"Ich mochte es, aber manchmal haben sie bestimmten Personen etwas ins Essen gemischt."
Ich sah dich an: "Wie meinst du das?"
Du lächeltest: "Manche weigerten sich ihre Medikamente zu nehmen, oder wollten nicht einsehen, dass sie zu einer Untersuchung mussten. Da kam es schon hin und wieder mal vor, dass einer vom Stuhl fiel."
"Du auch?"
"Ich war der Vorzeige-Patient, Elli."
"Ja, ja."
"Ich meine es ernst, ich habe nie widersprochen oder etwas Dummes getan."
"Jetzt schon."
"Nein, das hier war notwendig."
"Warum bist du dann nicht rausgekommen?"
Du sahst weg: "Das spielt keine Rolle."
Ich musterte dich: "Für mich schon."
"Das ist unwichtig, Elli."
"Sag schon."
"Ich bin einer ihrer gefährlichsten Patienten."
Ich lachte los und das viel zu laut: "Das hast du nicht ernst gemeint, oder?" Du sahst mich einfach nur an und meinen Lachanfall ignoriertest du vollkommen. Dein Blick ging zurück zur Karte. "Hallo?", ich wedelte mit meiner Hand vor deinem Gesicht.
"Das war ernst gemeint."

Gott, Jack. Ich konnte dich in diesem Moment nicht ernst nehmen, es tut mir leid. Aber wie sollte ich auch glauben, dass eine unsterbliche und zugleich so hinreißende Person, wie du, gefährlich sein könnte? Das klang für mich so, als hätte mir jemand weiß machen wollen, dass all diese Märchen über Hexen und Vampire wahr seien.

Ich sagte nichts dazu und blätterte um. "Ich esse Pizza", meintest du.
"Ich einen Burger."
"Mit Pommes?"
"Ohne würde ich ja nicht satt werden", ich schloss die Karte.
"Ich habe keine Ahnung, wie groß die Portionen hier sind, aber ich wette, dass du sie nicht packst."
"Du wettest gerne."
"Nur wenn ich weiß, dass ich nicht verliere."
"Dann lass uns wetten."
"Um was?", dein Grinsen kehrte zurück.
"Um gar nichts."
Du gabst mir die Hand:"In Ordnung."

Wem gab ich damals die Hand? Eigentlich wussten wir so wenig voneinander und trotzdem teilten wir so viel.

Einsam fällt Sterben leichterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt