Teil 31

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Ich wollte das nicht glauben, ich konnte einfach nicht. Du sprachst einfach weiter: "Und bevor du ein falsches Bild von mir hast, der Typ hatte es verdient, er hatte schon mehrere Mädchen an unserer Schule vergewaltigt, unter anderem meine Schwester und keiner von ihnen hat sich getraut den Mund aufzumachen." Ich konnte in diesem Moment einfach nicht anders, als ihn unentwegt anzustarren, mein Mund war wie versiegelt. "Glaub mir, Elli, ich habe für diese Tat bezahlt", du deutetest auf deine Narben, "die Schuld zerfrisst mich förmlich."

Ich war diejenige, die den Grund für deinen Aufenthalt in der Psychiatrie wissen wollte, aber das hätte ich niemals wissen wollen, Jack. Ich konnte es ja nicht mal glauben.

"Wie?", war das Einzige, was aus meiner Kehle drang.
"Wie?", wiederholtest du.
"Wie hast du ihn umgebracht?"
"Ich habe ihn erschossen, er musste nicht lange leiden", antwortetest du. Und dann tat ich etwas, das nicht mal ich selbst verstand, es war mehr oder weniger ein Reflex.

Ich habe dich in den Arm genommen, Jack. Ich habe dich so fest ich konnte gehalten, als hätte ich Angst, du könntest verschwinden, wenn ich losließe. In diesem Moment wusste ich einfach nicht, was ich tun sollte. Du tatst mir leid und auf der anderen Seite war ich völlig entsetzt. Wie konnte ich nur so falsch liegen? Ich hatte mir jeden möglichen Grund ausgemalt, weshalb du in die Psychiatrie musstest, aber niemals Mord. Töten. Umbringen. Mein Freund war ein Killer.

"Hasst du mich jetzt?"
"Sollte ich?"
Du schütteltest stumm den Kopf: "Ich hoffe nicht."
"Ich kann dich nicht hassen, egal was du getan hast." Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich weinte, bis du mir eine Träne wegwischtest.
"Das ist Vergangenheit, Elli. Ich werde nie wieder jemandem wehtun, das habe ich mir geschworen."
"Außer dir selbst." Ich fuhr über deine Narben und sah dir ganz tief in die Augen: "Kannst du mir etwas versprechen?"
"Alles."
"Wenn ich nicht mehr bin-"
Du unterbrachst mich: "Elli, bitte-"
"Nein, lass mich ausreden!", schrie ich. Augenblicklich verstummtest du und sahst mich erwartungsvoll an. "Wenn ich nicht mehr bin, wirst du in ein anderes Land ziehen und dort neu anfangen. Du wirst dein eigenes Versprechen einhalten und niemandem mehr wehtun und somit auch dir nicht." Du sahst mich an, eine ganze Weile beobachtetest du mich nur.
"Ich verspreche es dir."
Jetzt zog ich dich wieder an mich: "Danke."
"Kannst du mir auch etwas versprechen?"
"Was?"
"Vergiss mich nicht, vergiss uns bitte niemals."
Schon wieder hatte ich Tränen in den Augen: "Wie könnte ich dich jemals vergessen, Jack? Ich verspreche es." Und jetzt sah ich auch die Tränen, die dir herab liefen und eine viel zu kurze Ewigkeit lagen wir uns einfach nur in den Armen.

Jack, ich will, dass du weißt, dass du für mich nie ein Mörder warst. Du warst für mich noch immer der Junge, der mir früh um sechs auf einer Parkbank eine Zigarette spendierte. Der Junge, der mir wieder beigebracht hat zu leben, du warst einfach derjenige, der mich geliebt hat und ich habe auch dich geliebt, und wie ich dich geliebt habe.

"Wir sollten von hier weg, bevor es hell wird", murmeltest du.
"Weg?"
"Wir hatten nie vor zu zahlen."
Ich wollte nicht lachen, aber dennoch tat ich es mal wieder: "Das ist so typisch."
Und da war es wieder, dein Kater aus dem Wunderland Grinsen und ich liebte diesen Blick noch immer: "Es wäre doch sonst viel zu langweilig, kleine Blume."

Was veranlasste mich eigentlich genauso wie vorher weiterzumachen, auch wenn ich dein Geheimnis jetzt kannte? Die frühere Elli wäre total verletzt gewesen und hätte dann nie wieder mit dir gesprochen, aber diese Elli gab es nicht mehr. Sie war gestorben, damals in aller Frühe, als wir das erste Mal schwarzgefahren sind.

Ich schmiss deine Klamotten auf dich und zog mich selbst an. "Ausgezogen gefällst du mir besser", murmeltest du.
"Arsch", lachte ich.
"Was war das?", und schon lag ich unter dir. Du hieltst meine beiden Handgelenke fest umklammert und ich versuchte, mich aus deinem Griff zu lösen, doch es war nahezu unmöglich. "Du hast mich beleidigt", du grinstest so unglaublich heiß, oder lag das noch am Alkohol?
"Ich würde es auch jederzeit wieder tun, du Arsch."
"Ich liebe dich auch", und schon landeten deine Lippen auf meinen.

Ich habe nie verstanden, was passierte wenn wir uns küssten. Es war irgendwie magisch, es war jedes Mal aufs Neue wieder wunderschön. Deine Zunge suchte meine und mein Körper vibrierte förmlich. Deine Hand wanderte an meinen Nacken, genau dorthin, wo ich sie am liebsten hatte. Es war so unbeschreiblich wundervoll deinen Atem auf meiner Haut zu spüren und ich hätte wirklich alles dafür gegeben, dass es niemals endete, dass wir niemals aufhörten zu existieren, dass wir einander nie verloren, dass wir immer füreinander da sein würden, und dass wir nie im Leben aufhören würden uns zu lieben.

Einsam fällt Sterben leichterWhere stories live. Discover now