Teil 27

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"Warum ist eigentlich noch keine Flasche geöffnet?", rief ich, während du im Bad warst.
"Einen Augenblick, kleine Blume", grinsend kamst du mit einer Flasche Champagner und zwei Gläsern.
"Champagner?", ich lachte.
Du zucktest nur mit den Schultern: "Für den Anfang."
Du schenktest mir ein und ich hielt dir mein Glas entgegen: "Lass uns anstoßen."
"Auf uns", du lächeltest.
"Und deine Beförderung", fügte ich noch hinzu. Wir tranken beide einen riesigen Schluck und ich schnappte mir dann dein Feuerzeug: "Du hast ja nichts dagegen, oder?"
"Nur wenn du nicht drinnen rauchst."
"Warum?"
Du lachtest: "Hier sind überall Rauchmelder, Elli." Ich sah mich um, natürlich hattest du Recht.
"Dann gehe ich eben auf den Balkon." Es wurde schon allmählich Abend und der Himmel verfärbte sich.
Ich zog an meiner Kippe, als du dich neben mich stelltest: "Schöner Ausblick, oder?"
"Schon."

Ich wusste, dass du damit nicht die Sicht auf die Stadt gemeint hast, denn deine Augen waren die ganze Zeit auf mich gerichtet. Verrückt, dass du mich schön fandest.

"Lass mich mal ziehen."
Ich sah zu dir hoch: "Warum?" Du dachtest gar nicht daran mir zu antworten und risst mir die Zigarette aus der Hand. "Arsch." Und noch bevor ich meinen Stummel zurückbekommen konnte, küsstest du mich. Eine Hand an meinem Nacken, die andere mit der Kippe an meiner Wange.

So schmeckt es also, wenn man jemand küsst, der gerade erst geraucht hat. Wie könnte ich jemals deinen Mund auf meinem vergessen? Das war so atemberaubend, wortwörtlich.

Du grinstest und stecktest mir die Kippe zwischen die Lippen. Mit einem Lächeln nahm ich sie wieder in die Hand: "Du bist unmöglich."
"Ich liebe dich, Elli."
Ich wedelte mit der Hand: "Für sowas habe ich noch nicht genug getrunken." Du zogst mich zu dir heran, sodass sich unsere Oberkörper berührten. "Kannst du mich nicht einfach in Ruhe zu Ende rauchen lassen?"
"Warte, das haben wir gleich", du nahmst mir den Stummel wieder ab, zogst einmal kräftig und tratest ihn dann auf dem Boden aus.
Ich funkelte dich böse an: "Danach brauchst du nicht erwarten, dass ich dich küsse."
Ich wollte gehen doch du hieltest mich an beiden Handgelenken fest: "Ich weiß, dass du es auch willst."
"Lass mich los, du Arsch."
Du lachtest laut los: "Elli du bist so süß, wenn du versuchst böse zu sein."
Ich rollte mit den Augen: "Mir ist kalt, darf ich wenigstens rein gehen?"
"Wenn wir dort weitermachen."
Ich lachte: "Das überlege ich mir noch."

Doch so weit konnte es gar nicht kommen, denn meine Brust begann zu schmerzen.

Ich sah mich um und versuchte ruhig zu atmen, während du die Balkontür schlosst.
"Also?", fragtest du. Ich lief auf die Couch zu und ließ mich fallen. Du kamst sofort: "Ist alles in Ordnung?"

Ich wollte dir so gerne mit ja antworten, Jack. Aber das ging nicht, also blieb ich stumm.

"Scheiße Elli, sprich mit mir, was brauchst du?", du standest hilflos vor mir und ich schloss die Augen.
"Ich glaube, ich fühle ihn."
"Wen?", du setztest dich neben mich, sichtlich erleichtert, dass ich sprach.
"Klingt das doof, wenn ich sage, dass ich den Tumor spüre?"
Du schütteltest den Kopf: "Was ist denn los?"
Ich öffnete meine Augen nicht: "Nur Schmerzen, nichts weiter."
Ich musste nicht sehen, um zu wissen wie fassungslos du mich ansahst: "Spinnst du? Sag mir jetzt sofort was du brauchst."
"Dich", flüsterte ich.
"Elli, ich meine es ernst."
"Ich auch."
Du legtest den Arm vorsichtig um mich, als könnte ich zerbrechen, wenn du mich zu fest berührtest: "Hast du irgendwelche Medikamente in der Jacke, die du nehmen musst?"
"Nein, und jetzt hör auf."
"Das ist meine Schuld", du fuhrst dir durch die Haare.
Jetzt öffnete ich die Augen: "Sag das noch einmal und ich schlag dich butterweich. Ich habe nur seit wir abgehauen sind keine Schmerzmittel mehr bekommen."
"Du hast Schmerzmittel genommen?"
"Denkst du, ich würde den ganzen Tag durch die Gegend laufen und ab und zu eine rauchen? Natürlich gab es Untersuchungen und Teste."
Du sahst mich an: "Es war meine Idee abzuhauen, was habe ich mir nur dabei gedacht, wir müssen in ein Krankenhaus, jetzt sofort."
Ich hielt dich am Arm fest: "Nein."
"Doch, natürlich."
Ich drückte meine Nägel in deinen Arm: "Es war meine Entscheidung und ich habe mich für einen selbstbestimmten Tod entschieden."
"Du kannst deinen Krebs aber nicht selbstbestimmen, verdammt, Elli."
"Aber den Rest meines Lebens."

Stille. Ein endloses langes Schweigen. Ich atmete schwer und konzentrierte mich auf die schönen Dinge. Die Couch, auf der wir saßen war schön, die Suite war schön, der Himmel, der sich langsam verfärbte, und dass du neben mir saßt. Ich versuchte die Schmerzen, so gut es eben ging, auszublenden. Vielleicht wollte ich auch den Krebs nicht an mich heranlassen, was aber natürlich zwecklos war.

Ich zählte im Kopf bis 211, dann hattest du deine Stimme wieder gefunden: "Ich dachte, du hättest noch länger."
Ich beobachtete den Zeiger einer mit gold bestezten Uhr: "Ich hatte mir den Abend anders vorgestellt."
"Du hast gelogen, nicht wahr?" Ich schwieg und das diente dir als Antwort: "Ich habe es mir schon gedacht. Vier Monate, das wäre ja viel zu schön gewesen." Du begannst hysterisch zu lachen: "Und was eine blöde Idee, natürlich würde es ohne Medikamente schneller gehen, ich hätte nachdenken sollen."
"Hör auf, Jack."
"Womit denn?"
"Es tut weh, dich so zu sehen."
"Ebenso." Ich spähte vorsichtig zu dir rüber, deine Augen hafteten auf mir, als wäre ich das Einzige in einem weißen Raum.

Ich würde nicht heute sterben, Jack. Diesen Abend würde ich mir niemals nehmen lassen.

Einsam fällt Sterben leichterWhere stories live. Discover now