Kapitel 22

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Aufgelöst betrat Emily ihre Wohnung. Es hatte eine geschlagene halbe Stunde gedauert, bis sie es geschafft hatte, ihre Mutter am Telefon abzuwiegeln. Immer wieder hatte diese versucht, ihr ein schlechtes Gewissen zu machen: „Wieso ignorierst du mich? Wie kannst du nur so undankbar sein, ich bin deine Mutter!" Emily hatte die Lippen aufeinander gepresst und versucht, tief durchzuatmen. Ihre Mutter verstand es einfach nicht. Sie hatte das Gefühl, Emily würde ihr alles, was in den letzten Jahren, in ihrer Kindheit geschehen war. „Mum, ich kann mit dir nicht so weitermachen als wäre nichts gewesen. Und du machst es nicht besser mit deinen ständigen Anrufen. Ich brauche Zeit. Nein, ich will Zeit. Also lass mich in Ruhe." Bevor sie aufgelegt hatte, hatte sie ihre Mutter noch fluchen hören und etwas von „geizig" und „mich einfach im Stich lassen".

Hastig warf Emily ihre Tasche auf die Couch und ging ins Badezimmer. Erst nachdem sie sich Wasser ins Gesicht gespritzt hatte, fühlte sie sich ein wenig besser. Es war zum-aus-der-Haut-fahren. Sie war es leid ständig zusammenzuzucken wenn das Telefon klingelte. Sie hatte es satt, mit ihrer Mutter zu diskutieren. Emily verstand ohnehin nicht, wie ihre Mutter auf die Idee kam, sie könne ihr Geld geben. Nur weil sie mit Lee zusammen war? Sie hatte es bis jetzt immer abgelehnt, dass Lee ihr etwas Teures kaufte, es war ihr unangenehm. Sie verdiente ihr eigenes Geld und sie kam gut damit klar. Sie brauchte keine finanzielle Hilfe von irgendjemandem. Ihre Mutter allerdings schien zu glauben, Emily hätte nun Geld wie Heu. Bei dem Gedanken musste Emily beinahe lachen. Doch das Lachen blieb ihr im Hals stecken als ein stechender Schmerz durch ihren Kopf zuckte. „Na toll, jetzt kriege ich auch noch Kopfschmerzen", brummelte sie und ging in die Küche um eine Schmerztablette einzuwerfen.

Wenig später sass sie alleine am Esstisch und stocherte in ihren Makkaroni mit Käse herum. Wieso hatte sie überhaupt gekocht? Sie hatte überhaupt keinen Appetit. Seufzend schob sie den Teller ein Stück von sich weg und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Ein Blick auf ihr Handy sagte ihr, dass es beinahe acht Uhr abends war und sie bis jetzt weder einen Anruf noch eine SMS von Lee bekommen hatte. Er hatte ihr zwar versprochen, sich täglich mindestens ein Mal zu melden, aber vielleicht war ihm dies nicht möglich, dachte Emily. Sie war an einigen der Konzerte der Jungs gewesen und hatte gesehen, wie anstrengend und zeitaufwändig das Ganze hinter den Kulissen war. Ja, das musste es wohl sein. Lee hatte bestimmt keine Zeit sich zu melden. Und sie musste damit aufhören, ständig auf seine Anrufe oder SMS zu warten. Sie würde ansonsten früher oder später noch verrückt werden.

Emily hatte keine Ahnung wie spät es war als sie desorientiert auf der Couch aufwachte. Auf ihrem Bauch lag ein aufgeschlagenes Buch und das Wohnzimmer war hell erleuchtet. „Mist." Langsam setzte sie sich auf, legte das Buch beiseite und sah auf ihr Handy. Eine ungelesene Nachricht blinkte auf. Sofort öffnete sie diese.

Hallo, Süsse. Tut mir leid, dass ich mich erst jetzt melde. Ich hatte einfach keine Zeit dazu. Wir sind momentan in Deutschland, es ist toll! Heute war das Konzert in Berlin, morgen werden wir in München sein. Ich hoffe, es geht dir gut. Ich liebe dich. Lee

Lächelnd tippte Emily eine kurze Nachricht an Lee zurück. Sie war zu müde um jetzt noch viele Worte zu verlieren. Sie wollte im Grunde nur noch schlafen gehen. Sie rappelte sich nun endgültig hoch und nachdem sie sich mehr schlecht als recht die Zähne geputzt hatte, kroch sie unter die Decke und schlief sogleich wieder ein.

~

Einige Tage später war Emily mit Amanda verabredet. Diese hatte ihre und Duncans kleine Tochter in den Kindergarten gebracht und hatte nun den ganzen Vormittag Zeit um sich mit Freundinnen zu treffen. „Ich habe mich gefragt, ob du eigentlich nicht arbeiten musst heute?" Amanda sah Emily fragend an während sie langsam in ihrem nicht gerade kleinen Latte Macchiato Glas rührte bevor sie sich genüsslich einen Löffel voller Milchschaum in den Mund schob. Emily schüttelte den Kopf. „Nein, ab und zu habe sogar ich freie Tage." Sie konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen, obwohl ihr eigentlich nicht danach war. „Erzähl doch mal, wieso wolltest du dich unbedingt mit mir treffen?" Erneut musterte Amanda Emily eindringlich. Diese rutschte nun unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Mit einem Mal war ihr unbehaglich zu Mute. Wo sollte sie bloss anfangen? Es gab so viel was ihre Freunde momentan nicht wussten und sie konnte mit Lee nicht darüber sprechen. „Komm schon, raus mit der Sprache. Ich sehe dir an, dass dich etwas bedrückt. Und das liegt bestimmt nicht nur daran, dass du Lee vermisst."

Love At First SightWhere stories live. Discover now