Kapitel 14

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Die nächsten beiden Tage kam Emily gut damit klar, dass Lee nicht hier war. Sie hatte ohnehin genug um die Ohren was ihren Job betraf. Der Frühling hatte Einzug erhalten und damit auch die Pollen, die bei vielen Menschen Allergien auslösten. Doktor Rileys Praxis wurde täglich beinahe überrannt von Allergikern, die dringend lindernde Medikamente verschrieben haben wollten. Also war Emily rund um die Uhr beschäftigt, wofür sie wirklich dankbar war.

Abends, wenn sie oft schon im Bett lag, klingelte ihr Telefon und Lee rief sie an um sich nach ihrem Tag und nach ihr zu erkundigen. Dann redeten sie solange, bis Emily am Telefon beinahe einschlief. Sie vermisste Lee, aber versuchte, diese Tatsache zu verdrängen. Er würde ja bald wieder da sein und schliesslich wusste sie, dass sie sich langsam aber sicher an seine Abwesenheiten gewöhnen musste. Irgendwann würde die Band auf Tour gehen und da war Lee bestimmt länger als nur eine Woche weg.

Eines Nachmittags bekam Emily einen unerwarteten Anruf. Am anderen Ende der Leitung war ihre Mutter. Die Frau, von der sie seit gut zwei Jahren nichts mehr gehört hatte. Und dafür gab es auch einen sehr guten Grund. Völlig überrascht lauschte Emily ihren Worten während tausend Gedanken und Fragen durch ihren Kopf rasten. „Bitte komm mich doch mal wieder besuchen, Emily." Die Stimme ihrer Mutter klang beinahe flehend und Emily unterdrückte nur mit Mühe einen tiefen Seufzer. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Obwohl sie ihre Mutter so lange Zeit weder gesehen noch gesprochen hatte, verspürte sie keine grosse Lust, sie zu treffen. Aber wenn sie ihre Bitte nun abschlagen würde, dann würde das ganze Theater womöglich wieder von vorne losgehen und darauf konnte Emily auch gerne verzichten. Also sagte sie zu und versprach ihrer Mutter, sie bald zu besuchen.

Gesagt, getan. Am Samstag machte sich Emily auf den Weg nach Enfield, etwas ausserhalb Londons. Seit Jahren wohnte ihre Mutter dort und Emily war erst zwei, drei Mal dort gewesen um sie zu besuchen. Ihr entwich ein leises Seufzen, als sie den Wagen in die Strasse, in der sich die Wohnung befand, lenkte. Ihr Herz klopfte schneller als normalerweise und Emily konnte nicht leugnen dass sie aufgeregt war. Es war so lange her dass sie ihre Mutter das letzte Mal gesehen hatte und noch immer war ihr nicht ganz klar, weshalb diese sie angerufen hatte und unbedingt sehen wollte. Doch auf der anderen Seite freute sie sich darüber, ihre Mutter endlich mal wiederzusehen. Auch wenn sie es niemals zugeben würde, sie vermisste sie doch manchmal ziemlich.

Bei der Wohnung ihrer Mutter angekommen, parkte Emily den Wagen davor auf einen der freien Parkplätze und trat mit klopfendem Herzen an die Haustür. Es dauerte geschlagene drei Minuten, bis ihr nach dem Klingeln endlich die Tür aufgemacht wurde. In dieser Zeit hatte es sich Emily beinahe anders überlegt und wäre wieder gegangen. Doch dann zwang sie sich, an Ort und Stelle zu bleiben und zu warten. Nicht vergeblich, wie sich dann herausstellte. Sie stieg die scheinbar endlosen Stufen rauf in den vierten Stock des Familienhauses. Die Tür war auf, ihre Mutter stand im Türrahmen. Emily blieb zwei Meter vor ihr stehen und für einen Moment musterten sich Mutter und Tochter schweigend. Emily wusste nicht, wie lange sie beide dagestanden hatten. Doch es erschien ihr wie eine Ewigkeit, bevor ihre Mutter endlich sagte: „Komm doch rein." Sie trat zur Seite und liess Emily ins Innere der Wohnung.

Stumm folgte sie ihrer Mutter in die Küche. Dort standen bereits zwei Tassen Tee. „Willst du Kekse? Ich habe welche da." Emily schüttelte den Kopf und sah sich um. Nichts hatte sich hier verändert seit sie das letzte Mal hier gewesen war. Nach wie vor schien ihre Mutter noch immer nicht in der Lage zu sein, ihren Haushalt vollständig zu führen. Staub lag auf den Möbeln und in der Spüle stapelten sich die Teller, soweit Emily sehen konnte. Sie seufzte leise und liess sich auf einen Stuhl sinken. „Also...wie geht es dir?" Emilys Mutter sah ihre Tochter mit ihren blauen Augen eindringlich an. Sie war noch hübscher geworden in den letzten Monaten, während sie selbst immer mehr Falten bekam. Doch das machte ihr nichts aus. Bereits seit Jahren kümmerte sie sich kaum noch um ihr Äusseres. Nicht mehr, seit sie mit dem Spielen angefangen hatte. Doch auch jetzt, nachdem sie damit wieder aufgehört hatte, schaffte sie es nicht, sich vollständig aufzurappeln.

Love At First SightWhere stories live. Discover now