9.Zeit und Gedanken

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Sarah

Den nächsten Tag durfte ich dank Mum schwänzen, die Tatsache, dass meine Patentante die Rektorin und meine Noten gut waren half natürlich auch, aber vor allem wollte Mum mir die Möglichkeit geben nachzudenken- jep manchmal war sie sonderbar cool.

"Dein Bruder hat versprochen später mal nach dir zu schauen, weil Sam und ich den ganzen Tag nicht zu Hause sein werden und dein Vater Levin abholt um etwas mit ihm zu unternehmen. Er kommt wahrscheinlich so gegen drei vorbei. Essen steht im Kühlschrank und Eis in der Gefriertruhe, Denk über all das nach mein Schatz, hab dich lieb" verabschiedete sie sich hastig und huschte auch schon wieder aus meinem Zimmer, während ich mich wieder in meine warmen Decken kuschelte und mit meinen Beinen nach der nur noch lauwarmen Wärmflasche fischte.


"Ich bin dann weg Sarah, bis später. Soll ich Kathi sagen, dass du krank bist oder die Wahrheit?" wollte Sam wissen und streckte den Kopf durch die Tür. "Sag ihr was du willst, das ist mir so ziemlich egal...ach und Sammy?" rief ich ihm hinterher. "Was?"


"Danke für gestern großer Bruder!"


Wortlos verschwand der Dunkelhaarige und als wenig später die Haustür noch ein letztes Mal ins Schloss fiel, war ich endgültig allein. Ächzend machte ich mich auf den Weg ins Badezimmer um mir eine heiße Dusche zu gönnen und meine Haare zumindest annähernd aus ihrer Vogelnest Frisur zu lösen, die sich über Nacht dort eingenistet hatte.


Mit müden abgehakten Bewegungen schaltete ich den Bluetooth Lautsprecher an und schaltete erstmal etwas Musik an, bevor ich mich unter den heißen Wasserstrahl stellte und genüsslich die Augen schloss. Wie angenehm eine heiße Dusche doch sein konnte...

Grummelnd schlurfte ich weiter zur Küche, kochte mir eine Tasse Tee und schaute nach, was meine Mutter mir zu Essen vorbereitet hatte. Erbsen, Reis und Soße fand ich im Kühlschrank vor und griff mir noch gleich einen Joghurt bevor ich mich auf den Balkon setzte und das machte, was mir dauerhaft alle empfahlen- nachdenken.

Raven Castello.

Ein Name, 13 Buchstaben und gefühlt 1000 Facetten von denen ich greade Mal zwei kannte: die fiese, hinterhältige und die weniger fiese trotzdem hinterhältige. Trotzdem mochte ich ihn irgendwo, denn die kurzen Momente, wenn er mal nicht so fies war, wenn er Witze machte, die nicht auf meine Kosten gingen, oder einfach nur lachte, ließen mein Herz pochen und brachten mich selbst zum lächeln.

Er war mysteriös und barg mehr Geheimnisse wie ein gutes Buch, dass man noch nicht kannte, eine Eigenschaft, die meine Neugier weckte.

Ich wollte endlich wissen wer Raven eigentlich war!

Ich wollte wissen wie ich ihn zum lachen bringen konnte, wie ich ihn treffen und verstehen konnte- im Grunde wollte ich alles über ihn wissen.

Sein ganzes Verhalten, sein Auftreten, seine Art und seine Ausstrahlung hatte mich vom ersten Moment an fasziniert und wieso bitte sollte ich meine Möglichkeit meine Neugierde zu stillen nicht nutzen?

Niemand würde mich dazu zwingen können ihn zu mögen, mehr als einen möglichen Freund gewinnen konnte ich nicht und selbst wenn das nicht funktionieren würde, dann hätte ich immerhin genug Informationen um mich an ihm zu rächen.

"Hier bist du! Ich habe dich schon gesucht" unterbrach Jamie mich anklagend und erschreckte mich mit seinem plötzlichen Auftreten so sehr, dass ich beinahe von meinem Schaukelstuhl gefallen wäre, hätte ich mich nicht im letzten Moment am Geländer abgestützt.

"Verdammt Jamie! Hör auf mich so zu erschrecken, irgendwann bekomme ich noch nen Herzinfarkt deinetwegen und verrecke!" fluchte ich und funkelte meinen großen, großen Bruder kampflustig an.

Seit wir klein waren liebte Jamie es mich zu erschrecken und lachte sich jedes Mal kringelig, wenn er es schaffte mich zu Tode zu erschrecken- was ihm leider beinahe immer gelang. Ich war nun einmal eine schreckhafte Person und es war wirklich fies das zum eigenen Spaß auszunutzen.

"Ach Rotkehlchen, ich freue mich auch dich zu sehen Kleines" kicherte er und gab mir einen Kuss auf die Wange. "Du solltest dich mal wieder rasieren!" Leicht beleidigt schlug ich seine Hand weg, die durch meine Haare wuscheln wollte und stand leicht widerwillig von meinem bequemen Plätzchen auf.

"Kleines ich bin 24 außerdem steht Marleen drauf" verteidigte er sich halbherzig und begutachtete kopfschüttelnd meinen Schlabberlook, bestehend aus einer kuscheligen, gefütterten Leggins und einem viel zu großen Pullover von Sammy.

"Allerdings bezweifele ich, dass dein Raven auf diesen Look steht, und den roten Eyeliner solltest du auch weglassen, der beißt sich mit deinen Haaren" witzelte er weiter und spielte auf meine vom weinen rot unterlaufenen Augen an, die nicht einmal versuchte zu verdecken.

"Ich dachte du willst mich trösten oder so und nicht mir sagen, dass ich scheiße aussehe" nörgelte ich und fügte noch schnell ein: "Außerdem ist es nicht mein Raven!" an um dem zu widersprechen. "Soll ich etwa lügen Kleines? Du sitzt hier rum und lässt dich einfach so fertig machen, komm schon du bist doch wohl mehr als das Rotkehlchen!"

"Hör auf mich Rotkehlchen zu nennen, was habt ihr bloß alles mit diesen blöden Spitznamen?" fauchte ich und schob schmollend die Unterlippe vor. Pumuckl, Pippi Langstrumpf, Rotkehlchen und am schlimmsten war sowieso Elephant. Irgendwann würde ich vermutlich ein Buch mit all meinen Spitznamen schreiben können!

"Wie nennt er dich denn?"

"Pumuckl und Elephant seit neustem. Ich glaube er ist einfach zu faul um sich Namen zu merken" kam es wie aus der Pistole geschossen von mir und ich hätte mir am liebsten selbst gegen die Stirn geklatscht dafür, dass ich bei er direkt an Raven denken musste und somit prompt in Jamies Falle getappt war. Triumphierend grinste mein großer Bruder mich an und ich erkannte in seinen Augen den gleichen Schalk wie in den Augen meines Onkels.

Jake und Jamie waren sich so ähnlich, dass es fast gruselig war, aber das war auch nicht wirklich verwunderlich, denn Jake hatte Jamie vieles beigebracht- zB. wie man am besten andere erschrecken konnte, oder auf den Arm nahm...

Erst als Jamie zunehmend angefangen hatte Jake auf den Arm zu nehmen und zu erschrecken hatte er erkannt, dass er einen ziemlichen Fehler begangen hatte, weshalb weder ich noch Sammy oder Levin in den Genuss seiner Lehren gekommen waren und es unserem Bruder so nicht Mal heimzahlen konnten.

"Also doch dein Raven! Komm schon Sarah du magst ihn, sonst würde es dich nicht so verletzen. Erzähl mir von ihm Mum wollte mir nichts verraten, nur dass er dich bloß gestellt hat. Wir sind Beide neugierig, das liegt in der Familie Kleines" kicherte er und stellte den aufgewärmten Teller mit Reis vor mir auf dem Wohnzimmertisch ab.

Unwillkürlich fragte ich mich wie lange er schon da war und ob ich wirklich so vertieft in meinen Gedanken gewesen war, dass ich ihn nicht früher bemerkt hatte. "Was willst du wissen? Ich weiß selber nicht viel über ihn" Jamie lachte auf und warf sich neben mich auf die Couch. "Rotkehlchen, ich habe extra früher Schluss gemacht um mehr Zeit zu haben, also los erzähl mir alles von ihm!" Ich stöhnte genervt und stocherte in meinem Essen herum um Zeit zu schinden...

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Wie immer seeehr spät, aber naja :D

Wie findet ihr Jamie?


She wants a BadboyWhere stories live. Discover now