Kapitel 12 - Ein Kuss

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(Georges Sicht)

Am liebsten hätte ich einfach losgeheult, als er diesem Idioten, namens Logan, so in die Augen sah. Was hat ihn so fasziniert? Was hat dieser Arsch an sich, was Pete so fesselte?
Frau McLunt wartet schon hinter uns, sie hat alle hier weggeschickt. Vermutlich hat sie mich schreien hören. Ich musste irgendetwas sagen, genau indem Moment als er das Gesicht verzog vor Schmerz wurde es mir bewusst. Sonst hätte das die ganze Zeit so weiter gehen können und das hat er einfach nicht verdient.
"Pete, du kannst zurück in den Unterricht gehen, aber sei morgen um 9 hier.", freundlich lächelt sie ihn an. Er dreht sich zu mir, gibt mir einen flüchtigen Kuss, schon zum zweiten Mal nimmt er nicht meine Unterlippe in Beschlag und das irritiert mich regelrecht. Er macht es sonst immer. Einen Moment mustert er mich, prüft meinen Gesichtsausdruck, dann verschwindet er.

In mir breitet sich eine Leere aus, so habe ich sein Verschwinden noch nie wahrgenommen. Es ist, als würde er mir aus den Händen gleiten. "Damon?", fragt die Therapeutin, dabei mustert sie mich von oben bis unten. Stark schlucke ich, ein Schauer läuft mir über den Rücken, dann gehe ich mit ihr hinein.

Wir setzen uns hin, sie wieder gegenüber in ihren bequem aussehenden Ohrensessel. Sie lehnt sich zurück, hebt den Kopf leicht an und wartet, bis ich etwas sage.
Doch mir ist einfach nur nach weinen zumute. Da ich das nicht einfach tue, vergrabe ich meinen Kopf in meinen Händen und reibe mein Gesicht in ihnen.
"Ich habe wirklich Angst!", hauche ich, sehe erst jetzt in ihre Augen. Sie nickt mit einem verständnisvollen Blick.
"Weil du eben bloßgestellt worden bist?", fragt sie mit neutraler Stimme.
Verwirrt blinzle ich, denke an das, was eben geschah. Erst jetzt fällt mir auf, was ich und was die anderen sagten beziehungsweise schrieen. "Nein! Nicht deswegen, sie haben ja trotzdem keinen Verdacht.", antworte ich und bemerke, wie meine Hände zittern.
"Da ist dieser Junge, er hat sich zu Pete begeben und sie haben sich ganz tief in die Augen gesehen, als würden sie damit ganze Konversationen führen können. Und er hat mir eine reingehauen, wegen einer Sache mit Pete.", nur stoßweise bekomme ich Luft. Frau McLunt reicht mir ein Glas Wasser von dem Tisch, welcher vor uns steht. Dankend nehme ich es und trinke ein paar Schlucke. So komme ich einigermaßen zur Ruhe.
"Was war das für eine Sache?", will sie wissen. Sofort laufe ich rot an, denn diese Aktion war somit eine der schlimmsten, die ich je getan habe. Denn durch meinen Wurf habe ich eine öffentliche Demütigung angezettelt.
Reumütig erzähle ich, was am Freitag geschah, sie nickt nur, sagt erst etwas, als ich fertig bin.
"Verstehe. Du warst also eifersüchtig, weil du Angst davor hast, Pete würde sich auf dieses Mädchen einlassen, da er sich selbst nicht akzeptiert. Würde es dich so sehr verletzen, wenn er dieses Mädchen küssen würde?"

Mir fällt der Mund auf, natürlich würde es mich stören. Oder nicht? Immerhin ist er eindeutig schwul, ganz bestimmt nicht bisexuell. Und dadurch würde er vielleicht auch ein wenig Selbsterkenntnis erlangen. Wenn er es tun würde, dann könnte er es endlich lernen zu akzeptieren. Sich selbst annehmen.

"I-ich weiß nicht.", gestehe ich und sehe meine Hände hilflos an. "Sag Damon, wie hast du dich vorher gefühlt? Alle haben dich angegangen, haben dich als Verräter und Loser bezeichnet. Was hast das mit dir gemacht?", sie lächelt mich sanft an.

Gott, bestimmt hasst sie mich für das was ich Pete antue.

"Gar nichts, es war mir egal, die kennen mich ja eigentlich nicht. Nur von Pete würde es mich verletzen.", antworte ich mit rauer Stimme. Vorsichtig hebe ich den Blick, damit ich ihr in die Augen schauen kann. "Wieso denkst du also, wäre es so schlimm, dich zu outen?"

Auf einmal ist alles weg. Jeder Gedanke. Mein Atem stoppt. Kein Gefühl spüre ich in meinem Körper. Nur mein Puls erhöht sich, ich höre ihn in meinen Ohren rauschen. Und als ich wieder atme, vernehme ich es ebenfalls ganz deutlich, als würden mir zwei Menschen synchron ins Ohr atmen, das jedoch über ein Handy.
Eigentlich habe ich nie so richtig darüber nachgedacht. Pete hat es mir regelrecht verboten, immer meinte er, er will mich nicht dasselbe wie er durchmachen lassen. Doch ich bin nicht wie er, ich würde mich verteidigen, ich würde uns verteidigen!

Offiziell InoffiziellWhere stories live. Discover now