Kapitel 6 - die zweite Hölle

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(Petes Sicht)

Ich freue mich noch eine Stunde mit George zu verbringen, doch irgendwie ist es anstrengend, wir reden doch auch sonst immer über Gefühle und jetzt irgendwie so mit diesem Pflichtgefühl.
"Also ihr habt euch gegenseitig sanft berührt...", beginnt McLunt, versucht den Faden wieder aufzunehmen. Wir beiden nicken, grinsen uns gegenseitig an, denn nie hätten wir das erzählt, wüssten wir nicht, diese Frau muss alles für sich behalten.

"Ja und dann hat Pete mich irgendwann geküsst. Nicht in der Dusche, schon bei den Umkleiden.", erzählt George, dabei wirkt er so gequält.
Die Therapeutin fordert ihn durch eine kreisende Handbewegung auf weiter zu reden, kurz prüft sie meinen Gesichtsausdruck, dann sieht sie wieder George an.
"Ich hatte nichts dagegen, doch war ich auch zu perplex um es zu genießen, weswegen meine Augen offen blieben und ich sah, wie uns jemand beobachtete. Da stieß ich ihn von mir und bezeichnete ihn als Schwuchtel.", seine Stimme versagt, er reibt sich kurz die Augen, als müsse er weinen, doch vermutlich brennen sie einfach nur.
"Was hast du dabei gefühlt, Pete?", ihre Augen durchbohren mich regelrecht, dabei ist ihr Blick so sanft. "Anfangs fand ich es gut, doch es war mein erster Kuss, dann auch noch mit jemanden aus dem Basketballteam, der mir ein blaues Auge schlug, der mich anfuhr, ich solle ihn nicht anstarren, ich hatte furchtbare Angst.", erzähle ich mit gesenkten Blick.
"Das hast du nie erzählt.", seine Stimme klingt so verraten, als hätte ich ihm sein Herz rausgerissen. In seinen Augen Gänze so viel Schuldbewusstsein. Ich zucke nur die Achseln, verdrehe die Augen, denn jetzt ist das ja wohl kaum mehr wichtig.
Die Therapeutin lächelt, sie nickt mir zu, sagt dann: "Das war sehr mutig von dir."
Ich zucke zusammen, sehe sie verwundert an und nicke dann einfach nur.
"Aber wie hast du dich gefühlt, als er dich von sich stieß und dir dieses Wort an den Kopf warf?", will sie nun wissen.

Darüber habe ich nie wirklich nachgedacht, es war einfach so. Ich habe es einfach akzeptiert und trotzdem weiterhin mit ihm geduscht, dann irgendwann in der Dusche gab er mir einen Kuss und sagte, er würde um 8 zu mir kommen.
Es gab nie einen richtigen Moment ab dem wir zusammen waren, wir waren es einfach, sind es zum Glück noch immer. Irgendwann haben wir halt beredet, wie das ablaufen wird.
Er wollte diese Beziehung nicht, er wollte mich das nicht alleine durchmachen lassen. Er wollte gar nichts davon wissen, doch wir waren uns schon längst verfallen, weswegen ich ihn überzeugen konnte, dass ich das Opfer spiele und es macht meiner Liebe zu ihm nichts aus.

"Weiß ich nicht mehr.", antworte ich wahrheitsgemäß. "Aber wieso ist das auch wichtig? Er hat mich halt weggestoßen, das ist halt so." Ich zucke nur die Achseln. Damon blickt die Therapeutin eindringlich an, als würde er versuchen aus ihrem neutralen Blick schlau zu werden. Vermutlich scheitert er daran genauso wie ich.
Ganz kurz ziehen sich ihre Augenbrauen zusammen, dann setzt sie sich gerade hin und lächelt uns so freundlich wie zu Beginn an.

"Ich beende die Stunde jetzt hier, kommt am Montag um 9 wieder, dann fahren wir fort.", sagt sie und sieht endlich nicht mehr so professionell aus, sondern wie ein normaler Mensch. Zum Abschied steht sie auf, reicht uns wieder ihre Hand. Wir beide stehen ebenfalls auf.
Während George sich mit einem "Wiedersehen" verabschiedet, bringe ich nur ein Nicken mit einem Lächeln zu Stande.

George nimmt meine Hände in seine, wir lassen sie kurz schaukeln, dann küsst er mich, ganz flüchtig, doch nicht kurz genug, wodurch ich seine Unterlippe nicht kurz zwischen meinen Zähnen halten kann. Er schüttelt lächelnd den Kopf, verdreht die Augen, ich grinse ihn nur an. Das macht er manchmal, mir ist nur nicht ganz bewusst wieso, doch danach grinst er immer ziemlich breit.
Er löst sich wieder von mir, sofort tritt die Kälte wieder ein, natürlich ist es nicht so kalt, wodurch ich zittern muss, doch lieber wäre es mir seine Wärme zu spüren.

Er stürmt aus dem Raum, ich warte noch kurz, lächle noch einmal die Therapeutin an. Diese jedoch wirkt ganz verdutzt als sie mich mustert. Verwirrt ziehen sich meine Augenbrauen zusammen, denn ich habe doch gar nichts getan. Erst jetzt gehe ich ebenfalls.
Ein Blick auf mein Handy verrät mir, die Stunde dauert noch 20 Minuten. Mit einem Seufzer mache ich mich auf den Weg zu der Klasse.

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