Kapitel 5 - Therapiestunde

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(Petes Sicht)

Ich spüre Kälte neben mir, als der Wecker mich läutet.

7 Uhr.

Angeekelt verziehe ich mein Gesicht. Ein Klopfen an meiner Tür ertönt. "Ja...?", gebe ich stöhnend von mir. Mum tritt ins Zimmer, suchend sieht sie sich um.
"Wo ist denn dein Freund?", fragt sie, zieht ihre Stirn dabei kraus.
Misstrauisch sehe ich ihr in die Augen, dann zucke ich die Achseln und meine: "Hat Training."
Als sie sich auf einmal auf mein Bett setzt, schrecke ich hoch und lehne mich gegen die Wand. "Wer war das überhaupt?", will sie wissen.
In mir fährt alles auf Hochtouren. Wieso fragt sie das denn? Sie kann es nicht wissen, woher auch. Bis jetzt haben wir es sogar geschafft, unentdeckt zu bleiben.
"Einfach nur ein Freund.", gebe ich zurück. "Muss aber einer sehr Guter sein, du schienst gestern ziemlich fröhlich zu sein.", ihr warmes Lächeln erfüllt mich mit Freude, doch auch werden meine Wangen ganz heiß, mein Gesicht muss rot wie eine Tomate sein.
Sie beginnt zu grinsen, zum Glück ist es draußen noch dunkel, wodurch es nicht ganz so gut erkennbar sein kann.
"Jedenfalls kannst du ihn gerne wieder einladen.", meint sie und wuschelt mir durch die Haare. Ich nicke mit einem Lächeln, kaue auf meiner Unterlippe herum, als sie rausgeht.

Sie weiß es, ganz eindeutig.

WOHER WEIß SIE ES?!

Mein Herz pocht, mein Atem zittert. So habe ich es mir nicht vorgestellt. Ich schüttle den Kopf, rede mir ein, dass sie es nicht wissen kann. Wir waren immer so behutsam, haben immer die Tür abgesperrt.

Haben wir immer abgesperrt?!

Verzweifelt fahre ich mir durch die Haare.

Ohne noch weiter darüber nachzudenken, mache ich mich fertig und laufe hinunter in die Küche. Es ist mein Glück, von meiner Mum immer Frühstück gemacht zu bekommen, das spart Zeit.

Heute legt sie mir einen Teller mit einem Spiegelei, dazu Speck und Toast. Dankbar nicke ich ihr zu, dann beginne ich lustvoll zu essen.
Sie setzt sich gegenüber von mir an den Tisch, beobachtet mich neugierig.
"Wie lange kennst du ihn schon?", will sie wissen. "Mum, du redest von ihm, als würde ich ihn daten.", antworte ich, sehe sie gereizt an. "Wäre ja nichts dabei.", meint sie nur und hebt abwehrend die Hände hoch.
Ich zucke zusammen, hektisch suche ich mein Essen nach irgendetwas ab, was mir aus der Situation helfen könnte.
In mir steigt Wut auf. "Hör auf sowas zu sagen, wir sind beide Jungs!", gehe ich sie an. Voller Zorn schlage ich auf den Tisch und verlasse schnell den Raum.
Nur kurz erkenne ich ihren traurigen Blick, wie sie mir hinterhersieht.

Mit meinem Rucksack und Autoschlüssel laufe ich aus dem Haus zu meinem Auto. Darin breche ich in Tränen aus, lege den Kopf auf das Lenkrad und umklammere es, obwohl es ganz eisig ist, wie meine Hände selbst.
Nachdem ich mich beruhigt habe, blicke ich mich selbst kurz im Rückspiegel an. Meine Augen sind ein bisschen blutunterlaufen, doch bis zur Schule sollte sich das legen. Wenn es jemand merken würde, dann wäre ich dran.
Nun bin ich wieder fähig zu fahren.

Da ich immer relativ schnell eine Parklücke finde, habe ich meist noch zehn Minuten um zum Unterricht zu kommen. Vor der Schule wartet Alice auf jemanden. Ihr Blick gleitet durch die Gegend, dabei sieht sie aus wie ein aufmerksames Erdmännchen.
Ich bin mir nicht sicher, ob sie tatsächlich mich meint, doch sie winkt als ich näher komme.
"Peteee.", ruft sie freudig und wirft sich mir um den Hals. Zur Begrüßung gibt sie mir diesmal einen Kuss auf den Mund. Verwirrt blinzle ich oft. "Warum machst du denn das?", will ich wissen.
Sie grinst mich einfach nur an, harkt sich bei mir ein und so gehen wir hinein.

"Hast du auf mich gewartet?", frage ich, dabei liegt das auf der Hand. Fröhlich lacht sie, sie sieht mich an, als wäre ich verrückt, da es so offensichtlich ist. Ich muss schmunzeln, in ihrer Gegenwart fühle ich mich richtig wohl.

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