Part 46

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Mit einer geübten Handbewegung wickelte mir das tiefgraue Handtuch zu einem Turban über die nassen Haare, schlüpfte in meine Klamotten und mein Blick flog über das überschaubare Wohnzimmer seiner Wohnung. Ich summte die Melodie eines Liedes, das im Radio erklang und dabei fiel mein Blick auf den Schreibtisch, auf dem ein paar Kugelschreiber lagen und darunter wirr hingeworfene Papiere. Ich vermutete stark, es handle sich dabei um Rechnungen, Mahnungen, doch auf den ersten Blick konnte ich das so genau nicht sagen.

Da fiel mein Blick plötzlich auf etwas ledernes, das unter den ganzen Papieren nicht ganz ins Bild passte und ich fragte mich, was es war. Meine Hand fasste die kühle, glatte Oberfläche. Lautlos zog ich es zwischen den Papieren hervor. Etwas in mir sagte, dass ich nicht das Recht dazu habe, in seinen Sachen herumzusuchen, aber die Neugierde siegte - wie so oft, um nicht zu sagen immer!

Der Einband wr leicht fettig, die Seiten verfärbt, das Gebundene oben und unten, sowie die Seitenränder abgewetzt, vermutlich vom vielen herumblättern. Nach einigen Augenblicken keimte erneut dieses Gefühl des Anstandes in mir hoch, sagte mir eindringlich, dass ich das Zeug schleunigst in die nächste Ecke donnern sollte und zu Louis in die Küche gehen sollte. Stattdessen setzte ich mich mit dem Buch auf die Couch, welche unter meinem Gewicht hässlich knarzte.

Vorsichtig blätterte ich Seite für Seite um, in der Angst, etwas zu verknicken. Die Schrift war tiefschwarz und geschwungen. Wirklich schön, das musste ich zugeben. Irgendetwas tief in mir sagte mir, dass das etwas besonderes war. Trotz alledem musste ich mich beherrschen, nicht damit zu dem Älteren zu gehen. Was in dem Büchlein geschrieben stand?

Zitate, Gedichte: Shakespeare, Wilde und Sparks. Teils waren es wiedergegebene Worte von den Künstlern, aber überwiegend wohl seine eigenen Gedanken, beziehungsweise Sprüche. Sie handelten alle von Liebe, der Sehnsucht, eine Person zu haben, mit der man für immer zusammen wäre. Es waren hoffnungsvolle, fast schon liebesgetränkte Worte und ich fragte mich, ob Louis das geschrieben hat, als er irgendwelche Pillen eingeworfen hatte oder ob er das nachts im Bett gemacht hat.

Das unscheinbare, fast lautlose Schleifen der Tür verriet mir Louis' Anwesenheit und ich fing fast an zu schmunzeln. Als ich die ersten Schritte in meine Richtung vernahm, hob ich den Kopf und sah ihn an. Kritisch hob die Augenbraue und verzog amüsiert das Gesicht.

Mit einen Satz war er blitzschnell am Sofa und als er sah, was ich meinte, blinzelte er kurz, hektisch, als ob er sich versehen hätte. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. "Was zum Teufel suchst du in meinen Sachen!?" kam es scharf aus dem anderen Ende des Zimmers und ich fuhr zusammen, glaubte, mein Herz hätte für einen Augenblick ausgesetzt. Das vorletzte Wort spuckte er dabei aus wie loderndes Feuer.

"I-ich ..." stotterte ich mit glühenden Wangen. Grob riss er mir das Buch aus den Händen und donnerte es in die Schublade am Schreibtisch, welche wenig später erzitterte. Genauso wie meine Finger, die nur so bebten. "Wusste nicht das du so poetisch sein kannst." entwich es mir und erst jetzt begriff ich, welch fataler Fehler. Wieder traf mich dieser Blick. Dieser tödliche Blick und ich fühlte mich für einen kurzen Moment auch tatsächlich tot. Mausetot.

Er ignorierte mich. Zeigte mir die kalte Schulter, die eiskalte. Und plötzlich war da wieder diese andere Seite von ihm. Die, die ich am liebsten nie kennengelernt hätte. Den Nachmittag ertrug ich seine Stimmung und sein dämliches Getue noch, doch als er am Abend beim Essen demonstrativ nur einen Teller deckte, ein Mal Besteck und dann noch den Deckel seines Bieres köpfte und es scheinbar in einem Zug exen wollte, wurde es mir wirklich zuviel. Meine flache Hand klatschte mit einem Knall auf die Tischplatte, das Geschirr erzitterte bedrohlich, genauso wie der gesamte Tisch, doch Louis zuckte nicht mal mit der Wimper.

"LOUIS VERDAMMT!" schrie ich und ich merkte, wie befreiend es war, endlich einmal den Mund aufzumachen, ihn anzubrüllen, ihm meine Meinung ins Gesicht zu sagen. "Was soll das? Ist dieses Scheiß-Buch wirklich der Grund, weshalb du mich den ganzen Tag ignorierst und wie Dreck behandelst!? Ich glaub das nicht. Und jetzt erzähl mir endlich die Wahrheit!"

Seine Mimik verhärtete sich, die Gesichtszüge wurden härter. Dann wandte er sich wieder seinem Bier zu, trank es leer, tat es seelenruhig, doch ich wusste, wie er auf Kohlen saß. Drauf und dran einfach zu verschwinden oder doch die Konfrontation einzugehen, mit mir zu reden, endlich ein einziges Mal mit offenen Karten zu spielen. Nach weiteren schweigsamen zehn Minuten brannten mir fast die Sicherungen durch und ich stand mit solchem Elan auf, dass sogar der Stuhl scheppernd nach hinten kippte. Der kurze, verwunderte Blick seinerseits entging mir nicht.

Rasend schnappte ich mir die Schlüssel seines Wagens, donnerte die Haustüre zu, sodass sie laut krachend ins Schloss fiel und setzte mich ins Auto. Dort atmete ich schwer, keuchend, hart. Erschöpft ließ ich mich nach hinten fallen. Ich war nicht im Stande zu denken, nur diese Frage in meinem Kopf kreiste in Endlosschleife immer und immer wieder, machte mich ganz wahnsinnig.

Was war der Grund für dieses Verhalten? Was verschwieg er mir? Ich schloss die Augen, schnallte mich ab und saß nun vollkommen regungslos im Auto. Warum ich nicht nach Hause fuhr? Ich konnte es nicht, musste wissen, was es damit auf sich hatte. Es verging eine Menge Zeit, in der ich nichts anderes tat als zu grübeln, den Gedanken wieder zu verwerfen und mir ständig, fast pausenlos durch die Haare zu fahren. Als ob mich das weiterbringen würde. Nein, das tat es nicht. Kein bisschen, im Gegenteil, dadurch wurde ich nur noch fahriger, unruhiger.

Die Dämmerung brach ein und die Straßenlaternen flimmeten auf, der Feierabendverkehr rauschte ein paar Straßen weiter vorbei. Dann, nachdem das dumpfe Rauschen verstummt war, stieß ich die Tür auf, klingelte an der Tür und erst jetzt wurde mir bewusst, wie kraftlos und gemartert ich war. Das einzige was ich wollte, war zu schlafen. Bei ihm, trotz all der Vorfälle. Vielleicht weil ich inständig hoffte, er würde sich mir bald offenbaren. Alles schien zuviel, jede Bewegung, jeder Atemzug kam mir nutzlos vor. Ich hatte das Gefühl, er würde mich hier ewig warten lassen, doch nach ein paar Minuten wurde die Tür aufgezogen und ein blasser brünetter schlorfte zurück ins Schlafzimmer, als wüsse er ganz genau, wohin ich wollte. Er setzte sich auf das Bett, ich warf meine Schuhe in die Ecke, warf mich rückwärts in die Matratze und schloss die Augen und plötzlich war an Schlaf gar nicht mehr zu denken. Zu aufgewühl war ich. Also blieb ich wach, sah stets zu meinem Freund, der die Hände gefaltet zwischen den gespreizten Schenkeln hatte, den Oberkörper gesenkt.

"Es waren Claire's Zitate", warf er irgendwann in die eingekehrte Stille.

"Was? Wovon redest du?" entfuhr es mir abrupt. Wieder diese Stille, die nun nur wenige Augenblicke andauerte. Er wandte sich um, blickte mir mit fahlen Augen ins Gesicht. Der nächste Satz ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.

"Das Buch, das du gefunden hast."

A/N: HALLO, Ankündigung am Rande, so wie es aussieht werde ich vielleicht versuchen dieses Buch innerhalb von 10 Tagen beenden. Weshalb? Well, ich habe sowieso noch ungefähr (!) 10-15 Kapitel geplant und beim Wettbewerb erzaehlesuns2 steht das man bis zum 20 Oktober sein Buch fertig haben sollte. Das ist mir Blitzleuchte gestern aufgefallen. Ich kann echt nicht versprechen das ichfertig werde, aber ich gebe mein bestes.

Jetzt meine Frage an euch: Ist es okay für euch oder fühlt ihr euch überrumpelt oder passt es euch gar nicht?

Seid bitte ehrlich und jetzt noch einen schönen Nachmittag euch allen.

Love,
Nina x

Football TeacherWhere stories live. Discover now