Part 29

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Draußen empfing uns die kühle Sommerbrise und ich schob die Hände tief in die Taschen meines Sweaters. Ich sah, wie das Mädchen neben mir bibberte und glaubte, ihre Hände zittern zu sehen. Selbst Schuld, wenn sie sich so lüftig kleiden musste.

Wahrscheinlich wollte sie John mit aller Gewalt schnellstmöglichst vergessen, doch das war bestimmt nicht durch eine Menge Ablenkung getan. Spätestens wenn sie wieder zu Hause war, würde sie die ganze Story einholen. Ich sprach aus Erfahrung. Als Harry uns verkündete, er würde für ein Jahr zum Millitär gehen und dann das der Vertrag auch noch mindestens bis Ende August ohne Verlängerung laufen würde, gab mir den Rest. Ich taumelte zu Billy's Kneipe, war gereizt, maulte jeden und alles an, was mir in den Weg kam, war kurz davor mich mit Liam zu prügeln. Die anderen drei konnten mich gerade noch davon abhalten, auf ihn einzuschlagen. Nebenbei, zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch schon einiges intus. Dort ließ ich mich zulaufen, kippte einen Wodka nach dem anderen hinunter, bis ich nicht mal mehr wusste, wie mein Name lautete und wo ich wohnte. Hackedicht irrte durch die Straßen, suchte nach meiner Wohnung, taumelte herum. Stundenlang. Nachdem ich über meine eigenen Füße gestolpert war, brach ich mir die Seele aus dem Leib und fühlte mich danach noch viel elender, als im betrunkenen Zustand. Irgendwann mitten in der Nacht gabelte mich John auf. Ausgerechnet John..

Mich wunderte es das er mich überhaupt mitgenommen hat. Schließlich hätte ich ihm seinen schweineteueren Range Rover tatsächlich vollkotzen können. Die Fahrt verlief stumm und keiner von uns beiden sagte ein einziges Wort. Dafür war ich ihm dankbar. Kein herablassendes Grinsen. Er erzählte es sogar nicht mal in seiner Mannschaft herum. Die Sache war einmalig und blieb unter uns. Ha, das klang als ob ich über einen One - Night - Stand reden würde. Danach, als ich wieder zu Hause war, kam alles wieder hoch. Alles was ich die Stunden zuvor versucht habe, zu vergessen. Die wenigsten Menschen trinken, weil es ihnen schmeckt. Im Grunde wollen sie nur vergessen. Für einen Moment, ein paar Minuten, Stunden nicht mehr an dies und jenes Problem denken. Dann war da noch dieser kleine Bruchteil von meist Teenies, die tranken, weil sie dachten, es wäre cool. Cool, sicher, dachte ich zynisch.

Ich schüttelte den Kopf, als würde ich die Erinnerungen dadurch loswerden. Gott, diese Nacht war grausam. Einr Weile brauchte ich, um mich wieder zu sammeln, an etwas anderes zu denken, einen klaren Kopf zu haben.

Ein Ehepaar kam auf uns zugelaufen, gestikulierend und als sie vor uns zum Stehen kamen, plapperten sie wild darauf los. Nichts schlimmers als diese Leute, die ohne Punkt und Komma drauflosredeten. Ich verstand irgendetwas von Pizzaria und hungrig. Nachdem die beiden endlich ihren fürchterlichen Redefluss gestoppt haben, öffnete das Mädchen neben mir gerade den Mund und wollte etwas sagen, doch ich fuhr ihr dazwischen.

"Die Straße runter, die nächste links und dann immer gerade aus." erklärte ich fachmännisch und als sie sich höflich bedankten, winkte ich ab und sie wandten sich um, um den Weg zur vermeintlichen Pizzaria zu gehen. In diesem Moment verfluchte ich mich bei Brad, ein Bekannter aus der Stadt, der vorhin auch in der Kneipe war und immer Kippen zum verticken hatte, keine gekauft zu haben oder mir bei Zayn keine geschnorrt zu haben. Um diese Uhrzeit bekam man an keiner Ecke mehr was und der nächste Automat war Meilen entfernt. Mist, fluchte ich innerlich und kickte zerknirscht eine zerknickte Cokedose auf dem Boden weg. Joannas entgeisterer Gesichtsausdruck holte mich zurück.

"Du hast ihnen den Weg zur Mülldeponie gezeigt!" Empörung schwang in ihrer Stimme mit und ich hatte Mühe, nicht zu grinsen. Mit einem Schritt nach hinten blieb ich stehen, verschränkte die Arme vor der Brust. "Na du bist aber 'ne ganz Schnelle, hm?" Nach einem verächtlichem Blick von ihr fuhr ich fort. "Du weißt doch ganz genau, dass ich nicht der Ehrlichste bin, also tu doch nicht so."

Ihr hektischer Blick wanderte immer wieder zwischen mir und dem Ehepaar, das im Moment um die besagte Ecke lief. Ich wusste, wie beunruhigt sie war. Amüsiert verzog ich das Gesicht zu einer Grimasse. Da wurde mir bewusst, dass sie gleich da sein würden. "Los komm renn, bevor die Alten wieder kommen!" raunte ich ihr zu, bevor ich ihre Hand nahm und mit ihr losrannte. So wie der Olle vorhin dreingeschaut hat, konnte er sicher ziemlich ungemütlich werden. Etliche Straßen weiter wurden wir langsamer. Wir hätten dableiben sollen, schoss es mir durch den Kopf. Das wäre eine Show gewesen. Wie sich der Alte aufgeführt hätte und dachte, seine Worte würden mich in irgendeiner Weise treffen oder verletzen. Lachhaft.

Was wäre das Leben ohne Risiko, würde Harry jetzt sagen. Ich sah ihn schon leibhaft vor mir, mit diesem dummen, jungenhaften Grinsen an den Lippen und den Grübchen an den Wangen. Gott, Harry war schon so ein Kaliber.

Mein Blick fiel auf seine Schwester. Sie hielt die Luft an, bließ sie wieder heraus und fuhr sich durch das zerzauste Haar. Vorhin hat sie vorgeschlagen, noch einen Film anzusehen. Kein Wunder das sie sich ablenken wollte - nach so einer Überraschung. Aber das Training, in die Kneipe und anschließend noch ins Kino gehen? War das nicht ein bisschen viel für ihren Geschmack?

Ein heftiger Windstoß zerrte an unserer Kleidung und ich hatte das Gefühl, er würde zunehmend stärker werden. Ich zog mir die Kapuze meines Pullis über den Kopf und versuchte gegen die Lautstärke des Sturms anzukämpfen.

"Und du willst wirklich noch ins Kino?" Sie grinste breit, bejahte. Mir war im Moment gar nicht danach, mich mit ihr in irgendeine Schnulze zu setzen. Schon allein der Gedanke daran drehte mir den Magen um.

"Musst du morgen nicht arbeiten?" entgegnete ich und stellte es sofort in Frage. Seit wann interessierte mich soetwas?

"Hab mir frei genommen." grinste sie, fast stolz und das Grinsen war wie festgeklebt. Wollte gar nicht mehr weg von ihren Lippen. Ein bedächtiges Nicken folgte. Dabei war ich mir gar nicht so sicher, ob sie morgen wirklich frei hat. Konnte ich ihr das glauben? Ich beschloss sie zu Hause brav abzuliefern und dann noch ein bisschen um den Block ziehen. Dabei vielleicht eine Tussi aufgabeln und sie mit in meine Wohnung nehmen.

Es kam ganz anders als geplant. Nachdem ich die Kleine begleitet habe, strolchte ich an alten Fabrikgebäuden vorbei, am Stadtpark, der nachts irgendwie etwas mythisches an sich hatte. Es war schweinekalt und ich habe am Nachmittag die frostigen Temperaturen vergessen. Der Wind schnitt mir ins Gesicht, in den Hals wie Rasierklingen und ich beschleunigte mein Tempo. Ungeduldig tigerte ich die Straßen entlang, bis ich mich dann, so gegen zwölf auf den Weg zur Wohnug machte. Auf und ab, mir noch an 'ner Ecke einen Joint zu besorgen. Ich brauchte jetzt noch was - einen Kick. Sonst würde diese Nacht ätzend langweilig verlaufen und danach war mir so gar nicht. Obwohl langsam die Müdigkeit in mir hochkroch, zog ich um einen weiteren Häuserblock. Nichts los heute, stellte ich ernüchternd fest und verzog die Lippen. Wo steckten die heute alle?

Etwa zehn Minuten später schlug mir der altbekannte Geruch meiner Wohnung entgegen, den ich schon tausend Mal gerochen habe. Es roch nach kaltem Zigarettenrauch, Schweiß und Männerdeo. Mittlerweile war ich hundemüde und ließ mich in die ausgesessene Couch fallen, ließ meinen Blick durch's Fenster gleiten, blieb an etwas hängen. Um genauer zu sein, an jemandem.

Ich glaubte, mich getäuscht zu haben, kniff prüfend die Augen zusammen. Eine Tussi, welche sich die Klamotten wechselte. Daran könnte man sich gewöhnen dachte ich und stellte die Lamellen des Gitters größer, sodass ich mehr sehen konnte.

Gegenüber wohnte ein Typ, den man so gut wie nie über das Jahr sah. Keine Ahnung, was er immer in seiner Bude machte. Pornos drehen vielleicht. Ich lachte, lehnte mich zurück. Jedenfalls zog dort bestimmt alle zwei Monate ein neuer Untermieter ein.

Lüstern beobachtete ich die neue Nachbarin und kam zu dem Schluss, dass sie gar nicht mal so schlecht aussah, wie ich auf die Entfernung feststellen konnte. Als hätte sie mich entdeckt, was durch die Dunkelheit schlichtweg unmöglich war, zog sie die Vorhänge ganz zu. Ich grinste, stand auf, warf die leeren Bierdosen und Schnäpse weg, die noch von Jenny stammen mussten und ging ins andere Zimmer, um mir ein Bier zu holen. Nachdem dies getan war, zog ich mein Handy heraus, scrollte gelangweilt meine Kontakte durch. Ich könnte Zayn anrufen, mit ihm etwas besseres rauchen, als das Zeug, welches ich sonst konsumierte. Zayn hatte die richtigen Dealer, demnach auch dementsprechenden Stoff. Könnte googlen, wo Harry momentan ungefähr stationiert war. Könnte nochmal raus in der Hoffnung um diese Uhrzeit würden mehr Leute unterwegs seun. Könnte mich einfach ins Bett legen und versuchen zu schlafen. Das letzte von all dem tat ich.

-

Ein Klingeln durchbrach die Stille und ich tapte im halbdunkeln zur Tür. Schwache Morgensonne drang durch die Lamellen und ich besaß lediglich drei Fenster, sodass es hier meistens eher düster statt brutal hell war. Wer zur Hölle... Schlaftrunken zog ich die Tür auf. Kaum war dies getan, zischte mein Gegenüber mit schneidend scharfem Ton:

"Was hast du ihr gesagt?"

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Besuch von .. ja von wem wohl... *mond emoji*

love you all,
nina

Football TeacherWhere stories live. Discover now