18. Yippie-Ya-Yay, Schweinebacke!

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Noch immer stehen beziehungsweise, in meinem Fall, sitzen wir reglos und warten auf das Zeichen zum Angriff.

Ich spüre, wie ein aufgeregtes Kribbeln durch meinen Körper fließt und mein Herz zum Rasen bringt, während ich mich gleichzeitig so lebendig und wach fühle wie schon lange nicht mehr.

~Wahnsinn, das muss ich echt öfter machen!~ Einen Augenblick genehmige ich mir, um dieses wunderschöne Gefühl zu genießen, dann fokussiere ich mich wieder auf meine Aufgabe.

Wen von den Dreien schalte ich als erstes aus?

Die Entscheidung wird mir abgenommen, als Bruce, der Warterei offenbar überdrüssig, einen Schritt nach vorne macht und schreit: "Zeig dich, du Feigling! Heute kommst du mir nicht so ungeschoren davon! Ich mach dich alle!"

So viel Kampfgeist muss belohnt werden, finde ich und schicke ihm gleich eine doppelte Portion Zuckerwatte in Richtung seines weit geöffneten Mundes. Sein Husten und Prusten sieht von oben ein bisschen so aus, wie ich mir immer Rumpelstilzchen vorstelle: von einem Bein aufs andere hüpfend, versucht er krampfhaft, die Zuckerwatte zu kauen und runterzuschlucken, um seinen Hals wieder frei zu bekommen.

Peter springt an die Seite seines Zwillings, nach wie vor fieberhaft die Umgebung nach ihrem Angreifer abscannend, und klopft ihm ohne Hinzusehen mit einer Hand fest auf den Rücken. Das Klatschen ist bis zu mir zu hören. Ob das wirklich hilft oder einfach nur wehtut? Bruces Gesicht ist in der Zwischenzeit ganz rot angelaufen.

~Nun zu dir!~ Ich wende mich Clark zu, ziele und lasse los.

"Hicks! Ach, verdammt, nicht -- hicks -- schon wieder", höre ich ihn trotz der Entfernung fluchen, während sein Körper in kurzen Abständen regelrecht durchgeschüttelt wird. Seine Flugbahn erinnert gerade mehr an einen Dopsball als an den gefeierten Superhelden.

"Woher kommt dieser Angriff?", höre ich Bruce seine Brüder fragen. Anscheinend hat er sich mittlerweile von der Zuckerwatte in seinem Mund befreit. Besser ist das, soll auch schlecht für die Zähne sein.

"Ich seh ihn nicht!", schreit Peter zurück, "er muss sich wohl unsichtbar machen können!"

~Du schaust nur nicht in die richtige Richtung~, kichere ich vor mich hin, ~nie schaut einer von euch in die richtige Richtung. Das habt ihr jetzt davon!~

"Geschieht ihnen recht, das sind solche Angeber!"

Überrascht schaue ich mich um, kann jedoch niemanden sehen. ~Hallo? Ist da wer?~, rufe ich, bekomme jedoch keine Antwort. Vielleicht habe ich mich ja auch verhört.

Zurück zu meinen Brüdern. Die stehen zwar etwas gebeutelt, aber nach wie vor aufrecht auf der Straße und scheinen noch keine Strategie gefunden zu haben, wie sie den unbekannten Angreifer aus seinem Versteck locken können. Bis dahin legen sie ihr Augenmerk wohl erst einmal auf ihre Verteidigung.

Clark hat sich ein paar Meter in die Höhe begeben und fliegt dort seine Kreise, wenn auch durch den Schluckauf deutlich unrund. Peter flitzt so schnell durch die Gegend, dass er kaum noch zu sehen ist, und sucht dabei offensichtlich die Umgebung ab. Und Bruce ist von einer riesigen Wasserblase beinahe vollständig eingeschlossen.

~Naa, Clarky, wie fliegt es sich denn so mit Schluckauf? Schwierig, oder?~ Was würde ich dafür geben, ihm direkt ins Gesicht lachen zu können. Aber gut, aus der Ferne geht auch.

Wie gerne würde ich ihrem Gewusel noch eine Weile zuschauen, allerdings ist bald Schlafenszeit und Mama wird uns sicherlich auch irgendwann vermissen. Daher beschließe ich, dem Ganzen ein Ende zu setzen.

"Komm schon raus, wenn du dich traust!" Der Ruf kommt natürlich von Bruce, dem die bisherigen Rückschläge sichtlich an die Nieren gegangen sind. ~Na gut, dann fange ich eben mit dir an!~

Auf einen gemurmelten Befehl meinerseits hin beginnt das überall auf dem Boden verteilte Konfetti sich zu sammeln, zu drehen und zu kreisen, bis sich ein haushoher Tornado aus den kleinen, bunten Papierschnipseln gebildet hat, der bedrohlich auf meine Brüder vorrückt.

"Achtung!", versucht Peter seinen Zwilling noch zu warnen, dessen Sicht durch die ihn umgebende Wasserschicht offenbar deutlich eingeschränkt ist, aber sein Ruf kommt zu spät: Mein Konfetti-Tornado umschließt Bruce, durchbricht seine Wasserwand, wirft ihn zu Boden und lässt ihn danach voller triefend nasser, klebriger Papierschnipsel zurück. Er sieht aus wie ein bunt angemalter, begossener Pudel, und als er sich dann noch einmal kräftig schüttelt, ist das Bild komplett.

Noch bevor die anderen beiden reagieren können, setze ich erneut zum Angriff an.

Meine mitgebrachten Fussel, mögen sie nach dieser Aufgabe in Frieden ruhen, schießen in Richtung Peter. Der weicht der dunklen Wolke mit einer blitzschnellen Drehung aus und sprintet dann in Turbogeschwindigkeit und Haken schlagend wie ein Kaninchen über die Straße — mithilfe meines Zeitlupenblicks finden meine kleinen bunten Helfer dann aber doch ihr Ziel.

Klong! Mit einem lauten Knall rennt Peter gegen einen Laternenpfahl, taumelt nach hinten, nimmt dann wieder Fahrt auf und kommt immerhin zwei Meter weiter, bevor er unter Ächzen und Klagen mit Bruce kollidiert, der sich gerade wieder aufgerappelt hat.

"Verdammt, ich kann nichts mehr sehen! Clark, Bruce, Hilfe, ich bin blind!"

~Ach Quatsch, du bist nicht blind, du hast nur Fussel vor den Augen!~, rufe ich ihm zu, kann mir aber das Lachen nicht ganz verkneifen.

Nach einer weiteren Kollision, diesmal mit einem geparkten Auto, scheint Peter einzusehen, dass sich seine Turbogeschwindigkeit ohne Sehvermögen eher nachteilig für ihn auswirkt, und tastet sich mit ausgestreckten Armen verhältnismäßig langsam durch die Gegend.

~Seht es doch ein, ihr habt einfach keine Chance gegen mich!~ Laut glucksend sitze ich in meinem Buggy, erste Lachtränen laufen meine Wangen hinab und mein Bauch schmerzt schon vom vielen Lachen.

"Da, ich hab -- hicks -- was gehört! Da lacht -- hicks -- jemand! Ich glaube, --hicks -- es kam aus -- hicks -- der Richtung!", ruft in dem Moment Clark und deutet Richtung Riesenrad.

Mist.

Call me Super, Baby!Where stories live. Discover now