10. Die Naivität von Eltern, Erzrivalen ...

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"Könnt ihr kurz auf das Mäuschen aufpassen? Ich muss mal schnell einkaufen!", ruft unsere Mutter von der Tür aus, Sekunden bevor diese mit einem "Vielen Dank, ihr seid klasse, bis gleich." ins Schloss fällt.

~Wait, what?~

Sowohl ich als auch meine drei Brüder schauen etwas perplex Richtung Haustür, durch die unsere Mutter gerade verschwunden ist, ohne den dreien eine Chance auf eine Antwort zu geben.

"Aber ...", beginnt Clark, zeitgleich mit Bruces nicht weniger intelligentem Einwand "Äääh ...". Beide stocken, bevor sie noch richtig begonnen haben, zu protestieren. Wer will ihnen auch zuhören? Die geschlossene Tür?

"Tja, sieht so aus, als wären wir mal wieder Babysitter", stellt Peter schließlich schulterzuckend das Offensichtliche fest.

~Cool, dann könnt ihr mich ja jetzt ein bisschen unterhalten! Ich bin nämlich gerade wach und sterbe vor Langeweile! Also, wer von euch spielt mit mir?~

Clark erhebt sich aus unserem alten, durchgesessenen Sessel, auf dem er bis eben rumgelungert und seine Zeit mit Nichtstun und Löcher-in-die-Luft-starren totgeschlagen hat, und verkündet: "Also ich würde euch ja wirklich, wirklich gern mit der kleinen Pupskanone helfen, aber leider muss ich jetzt dringend meine Hausaufgaben erledigen."

Bruce hebt an zu protestieren. "Ach komm, das kannst du doch heute Abend auch noch machen. Oder morgen früh in der Schule. Oder gleich gar nicht, wie sonst auch."

Gewichtig schüttelt Clark den Kopf, ganz der erwachsene, große Bruder. "Das Ganze heißt HAUSaufgaben, weil man sie zuHAUSe machen soll", dabei betont er das Wort HAUS zweimal so überdeutlich, dass man die Großbuchstaben förmlich heraushören kann.

"Jaja, als ob. Seit wann machst du denn überhaupt deine Hausaufgaben?", frotzelt Peter.

"Und heute Abend wollte ich nochmal in die Stadt, nach dem Rechten sehen", übergeht Clark den Einwand seines jüngeren Bruders einfach. "The Brain hat schon lange nichts mehr von sich hören lassen. Der heckt bestimmt was Größeres aus."

~Uuh, The Brain!~ Den Namen habe ich von meinen Brüdern schon des öfteren gehört. Leibhaftig gesehen habe ich den Superschurken und Erzrivalen meiner Brüder allerdings noch nie.

"Der soll nur kommen", zeigt Bruce sich unbeeindruckt, "bisher haben wir noch jeden seiner Pläne vereiteln können. Gemeinsam sind wir unschlagbar!"

"Das letzte Mal war es aber ziemlich knapp", gibt Peter zu bedenken, "beinahe wäre er damit durchgekommen."

~Und drei gegen einen klingt auch schon ein klitzekleines bisschen ungerecht~, kann ich mir einen Einwurf nicht verkneifen. ~Was macht ihr denn, wenn er plötzlich auch seine Brüder mitbringt? Oder sogar eine Schwester?~

"Nur weil wir bisher alle seine Vorhaben durchkreuzen konnten, heißt das nicht, dass wir weniger wachsam sein dürfen", beendet Clark die Diskussion. "Denkt daran, weswegen wir das Ganze überhaupt angefangen haben!"

Was wirft er mir denn jetzt für einen komischen Seitenblick zu?

"Außerdem, ich sag nur, Wasserschaden! Von daher bin ich jetzt mal in meinem Zimmer."

Und mit der gesamten Autorität seines dreizehnjährigen Selbst stapft Clark die Stufen nach oben und lässt mich allein mit den Zwillingen im Wohnzimmer zurück.

"Das ist Erpressung", grummelt Bruce, und Peter stimmt ihm zu. "Das wird er uns noch die nächsten Jahre vorhalten."

„Gestern musste ich schon seinen Tischdienst übernehmen", beklagt sich Bruce.

„Mich hat er seine Socken zusammenlegen lassen", ergänzt Peter. „Wahrscheinlich wäre es leichter gewesen, einfach Mama alles zu beichten." Bruce seufzt nur.

~Tja, das habt ihr jetzt halt davon~, unterbreche ich die beiden bei ihrem Gemecker. Nicht, dass sie auf mich hören würden. ~Dann könnt ihr ja jetzt mit mir spielen!~

"Und was machen wir jetzt?", fragt Peter seinen Zwilling, "Jetzt wo Mama weg ist ..." Mehr muss er gar nicht sagen, bevor Bruce ergänzt: "Sie hätte bestimmt nichts dagegen, wenn wir Super Runner and the Furious 5 spielen!"

~Aber ganz sicher hätte sie was dagegen! Sonst könntet ihr das ja auch machen, wenn sie da wäre!~ Wie immer bleibt mein Einwand ungehört.

"Und der kleine Fusselmagnet?", fragt Peter. Meint er damit etwa mich?

"Kann ja zuschauen. Da lernt sie noch was fürs Leben!" Bruce ist Feuer und Flamme und schon auf halbem Weg, das Kabel für die Konsole zu besorgen, das Mama immer vorsichtshalber wegschließt. Sie meint wohl, damit hätte sie die Kontrolle über die „Bildschirmzeit" ihrer Söhne — Zitat Mama. 

Ob sie wirklich glaubt, dass wir nicht alle wissen, dass es in der rechten Schublade der Kommode unter einem Stapel alter Zeitschriften "versteckt" ist?

Manchmal ist Mama schon etwas naiv.

Und so finde ich mich in meinem Kindersitz neben dem Sofa wieder, während meine Brüder ihr Spiel zocken und sich dabei reinsteigern, als würde es tatsächlich um Leben und Tod gehen. Und nicht um eine doof verpixelte Figur in einer imaginären Traumwelt.

~Hey, ihr sollt mich bespaßen!~

"Weiter nach rechts, schnell!" Peter hüpft auf dem Sofa auf und ab, als wäre es ein Trampolin, und wedelt dabei so heftig mit dem Controller, dass ich kurz Angst habe, das Ding würde gleich quer durchs Wohnzimmer fliegen.

~Hallo?~

"Aufpassen, da kommt ein Troll von links!" Bruce fuchtelt wild mit den Händen, weil sein Bruder seine Figur wohl für seinen Geschmack nicht schnell genug auf die Seite steuert. Peter flucht.

~Hallo?!?~

"Da vorne sind noch ein paar Münzen." Peters hilfsbereiter Einwurf stößt auf taube Ohren, da Bruce gerade zu sehr damit beschäftigt ist, mit seinem Schwert auf eine schwarze Truhe einzuschlagen. "Ich will diese neue Rüstung!"

~HALLOOO!!!~ Das letzte Wort brabbel ich mit aller Lautstärke, die mir zur Verfügung steht. Was fällt denen ein, mich zu ignorieren!

"Pscht, Pupsi, sei mal leise, wir hören ja das Spiel gar nicht richtig!"

Ich spüre meine Augenbraue zucken.


(905 Wörter)

Call me Super, Baby!Where stories live. Discover now