21. Rettung in Sicht!

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Zur gleichen Zeit am Riesenrad

"Sie ist weg!"

Clark sieht ein bisschen so aus, als müsste er sich gleich übergeben. Seine Augen sind geweitet und rot gerändert, die Atmung rasend und schrecklich keuchend, und auf seinem Gesicht und Hals haben sich vor lauter Stress hektische rote Flecken gebildet.

"Wer ist weg?", steht Bruce auf dem Schlauch.

Bei ihrem doch eher ungeordneten Rückzug haben sich die Wege der Jungs kurzzeitig getrennt. Erst jetzt, als die Luft endlich rein ist von fliegenden Zuckerwattebällchen, eingematschten Popcornschwärmen und wirbelnden Fusselwolken, trauen sie sich wieder an den Ort des Geschehens zurück.

"Die Pupskanone! Vorhin war sie noch da, und jetzt ist sie weg!" Panisch fuchtelt Clark mit seinen Armen, deutet abwechselnd auf das Riesenrad und ins Nichts. Vor Aufregung bricht seine Stimme an mehreren Stellen.

Die Gegend ist nach wie vor menschenleer und beinahe ausgestorben, nur vereinzelt herumliegende Konfettipfützen erinnern noch an die vergangene Schlacht.

"Wie, sie ist weg? Wie kann sie weg sein?" Auch Peter hat heute eine eher lange Leitung. Vielleicht hat er vorhin ein paar Schläge zu viel gegen den Kopf bekommen.

"Na, vorhin war sie noch da, oben auf dem Riesenrad. Und jetzt ist sie weg, nur ihr Buggy ist noch dort", erläutert Clark jetzt doch etwas verständlicher. Sein Dress besteht nur noch aus seinem unförmigen Jogginganzug, das Cape hat er in einem Müllcontainer entsorgt. Einfach unpraktisch, das Teil.

"Verdammt", kommt von Peter, "wie sollen wir das denn bitte Mama erklären?", dicht gefolgt von Bruces Einwand: "Das war ich nicht!"

"Ihr habt doch auch immer nur die gleichen Sachen im Kopf", platzt Clark der Kragen. "Das Wichtigste ist doch jetzt: Wo ist die Kleine, und wie kriegen wir sie wieder?"

Die Zwillinge senken mit hochgezogenen Schultern und schamroten Backen die Köpfe. Da müssen sie ihre Prioritäten wohl nochmal überdenken.

„Wie zum Henker ist sie eigentlich auf das Riesenrad gekommen?", sinniert Peter vor sich hin. Nun ist es an Clark, betreten den Kopf einzuziehen.

"Egal. Sie kann sich ja nicht in Luft aufgelöst haben", besinnt sich Peter dann wieder auf seinen Verstand. "Als letztes war sie im Riesenrad? Lasst uns dort anfangen zu suchen, vielleicht finden wir ja eine Spur."

Gesagt, getan.

Clark fliegt den Rummelplatz in der Luft ab, Bruce sucht am Boden, und Peter witscht in Lichtgeschwindigkeit durch die Gegend und scannt mit seinem Röntgenblick die Umgebung. Erschwert wird ihre Suche durch den einsetzenden Nieselregen, der ihnen langsam aber sicher durch die Kleidung zieht und eiskalt den Nacken herabrinnt.

"Hier ist was", kommt schließlich ausgerechnet von Bruce, "könnte das eine Spur sein?"

"Lass mal sehen", erwidert Clark, der nach Bruces Ruf direkt neben ihm gelandet ist und sich nun ansieht, worauf sein kleiner Bruder so aufgeregt deutet.

"Hmm", greift Peter die Gedanken seiner Brüder auf, "schwer zu sagen. Aber normal ist das nicht, oder?"

Alle drei stehen vor einem auf den Boden gemalten Pfeil aus neongrüner Farbe, neben dem ein Gebilde gezeichnet ist, das entfernt an eine Gurke mit vier Stacheln und einem Luftballon mit Ohren erinnert.

"Was zur Hölle soll das sein?", wundert sich Bruce.

"Keine Ahnung. Aber es ist unsere einzige Spur. Lasst es uns versuchen. Wenn es nichts ist, kommen wir eben wieder zurück", entscheidet Clark schließlich den weiteren Plan und fliegt schon einmal in Pfeilrichtung los.

"Dann mal los. Da hinten ist der nächste Pfeil", schließt sich Peter an und schießt in die entsprechende Richtung davon.

"Hey!", ruft Bruce empört, "wartet auf mich!"

...

Viele Kilometer, dutzende Pfeile und mindestens genau so viele Richtungswechsel später stehen die Drei in einem alten, verlassenen Industriegebiet. Der letzte Hinweis zielt deutlich auf das große, verrostete Tor einer Halle, in der wohl früher einmal größere Maschinen hergestellt wurden, die aber schon vor vielen Jahren dem Verfall überantwortet wurde.

Die Fenster sind trüb, teilweise zerbrochen und notdürftig mit Brettern vernagelt, aus den Ritzen im Boden wächst allerlei Unkraut, und irgendwo im Hof kleppert eine Platte aus Blech im Wind.

"Ich kann ... nicht ... mehr", schnauft Bruce, von der vielen Rennerei ganz außer Atem, "ich brauche ... eine Pause."

"Wir haben keine Zeit für Pausen!", widerspricht Clark mit viel Nachdruck in der Stimme, "Wir müssen die Kleine retten! Wisst ihr noch, genau deswegen haben wir dieses ganze Superheldenzeug doch erst angefangen."

Einen kurzen Moment denken die Jungs an den Moment zurück, als sie das kleine Würmchen das erste Mal gesehen haben. Winzig und zerbrechlich lag es in dem viel zu großen Babybett, noch ganz schrumpelig und müde schlafend nach der Geburt, ihre Mutter genauso erschöpft, aber glücklich lächelnd im Bett daneben, ihr Vater stolz im Hintergrund.

Zunächst wussten die Drei gar nicht so viel mit ihrer Schwester anzufangen, doch dann machte die Kleine breit gähnend die Augen auf.

Und um die Jungs war es geschehen.

"Wir wollten sie vor allem Übel beschützen", erinnert sich Peter, und Bruce ergänzt: "Wir wollten die Welt ein bisschen besser machen, für sie. Damit sie glücklich groß werden kann."

"Genau", bekräftigt Clark mit vor Rührung brüchiger Stimme, "und deswegen müssen wir sie da jetzt rausholen. Koste es, was es wolle. Sie ist doch noch ein Baby!"

Alle drei schlucken gegen den Kloß in ihren Kehlen.

"Dann los. Auf drei", gibt Peter schließlich das Kommando. "Eins", die Jungs sehen sich ein letztes Mal an, "Zwei", nehmen nebeneinander Aufstellung, und, "Drei!", stoßen das Tor auf und rennen wie eine große, gut geölte Einheit mit allerlei Kampfgeschrei in die Halle.

"Für die Pupskano...", kommt von Bruce.

"Fusselmagnet, wir retten d...", ruft Peter.

"Kleine, wir komm...", schafft Clark noch zu schreien, bevor auch er sich plötzlich in einem silbernen Netz wiederfindet.

Der Rest ist Schnarchen.

Call me Super, Baby!Where stories live. Discover now