8. Überraschungen, wohin man schaut

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~Na, das nenne ich mal einen Frühstart! Bissl unfair, oder?~

Wo mich Bruces Angriff mit dem Wasserstrahl doch ziemlich überrascht hat, zuckt Peter nicht einmal mit der Wimper. Vielleicht hat er auch schon damit gerechnet. Immerhin trainieren die beiden nicht das erste Mal miteinander, und Peter kennt seinen Bruder ja nun wirklich lange.

Gut genug offenbar, als dass ihn Bruce Überraschungsangriff nicht mehr wirklich überraschen würde.

Die Fontäne des Brackwassers, das Bruce anscheinend aus einer der Regentonnen abgezweigt hat, schießt genau auf Peters Gesicht zu, erreicht dieses jedoch nicht einmal im Ansatz. Stattdessen scheint Peters Form plötzlich zu verschwimmen, um Sekundenbruchteile später in zwei Metern Entfernung wieder aufzutauchen. Zurück bleiben nur ein paar aufgewirbelte Blätter.

Huch, wie hat er denn das gemacht?

"Mann, Bruce, du bist ja immer noch so langsam!", macht sich Peter über seinen Bruder lustig.

"Abwarten, Peter, abwarten", antwortet dieser und platziert sich in die Nähe der Regentonnen, wahrscheinlich um nah am Nachschub zu sein. "Das war nur zum warm werden!"

Bruce wedelt mit den Händen, als wollte er sie lockern, dehnt seine Finger und streckt sie schließlich zu den Seiten aus. Keine Sekunde später erheben sich aus einer der Regentonnen erneut mehrere Kugeln Wasser und fliegen zu Bruce, wo sie sich in Reih und Glied vor ihm aufzustellen scheinen und sachte in der Luft schweben.

"Dann zeig mal, was du kannst!", ruft Peter lachend von der anderen Seite des Platzes.

"Ich tret dir mit meinem Wasser in den Hintern!", entgegnet Bruce, schon mit einer leichten Zornesröte im Gesicht, "dann werden wir ja sehen, ob du dann immer noch lachst!" Er mag es nicht, ausgelacht zu werden.

Peter antwortet, indem er sich mit dem Rücken zu Bruce dreht und ihm seinen Hintern entgegenstreckt. "Na auf, das will ich sehen", wedelt er kichernd mit dem Po. Damit hat er seinen Bruder jetzt endgültig motiviert.

Und tatsächlich liefern sich die beiden in den nächsten Minuten eine gnadenlose, wenn auch etwas einseitige Wasserschlacht: Bruce schleudert eine Wasserfontäne nach der anderen auf Peter, während dieser sich immer wieder rechtzeitig in Luft aufzulösen scheint und bisher allem Augenschein nach noch keinen einzigen Tropfen Wasser abbekommen hat.

Wie zum Teufel macht er das?

Ich kneife die Augen zusammen.

~Peter, mach mal langsam, ich kann nichts erkennen!~

Natürlich macht Peter nicht langsam.

Wieder kneife ich die Augen zusammen, während ich wie wild auf meinem Schnuller herumnuckel. Ich würde mir wirklich wünschen, ich könnte mehr erkennen! Meine Augen sind mittlerweile nur noch schmale Schlitze und brennen schon verdächtig, so sehr konzentriere ich mich darauf, Peters Bewegungen zu verfolgen.

Der Druck auf meine Augen steigt, meine Stirn ist vor Anstrengung gerunzelt, es bilden sich schon erste Tränen, weil ich mich nicht traue zu blinzeln, um auch ja nichts zu verpassen.

Plötzlich lässt der Druck nach, als hätte sich etwas in mir gelöst. Stattdessen sehe ich Peters Bewegungen nun klar und deutlich: wie er sich duckt, springt und zur Seite bewegt, eine Pirouette nach links dreht und dann wieder mehrere Schritte nach vorne rennt. Er wirkt beinahe behäbig, wie er sich vor Bruce stellt, eine Grimasse schneidet und ihm die Zunge rausstreckt.

Ist er plötzlich doch langsamer geworden?

Wobei, wenn ich mir den Rest der Welt so anschaue, scheint diese regelrecht in Zeitlupe abzulaufen, während sich Peter lediglich auf eine normale Geschwindigkeit reduziert bewegt. Bruce wirkt, als hätte ihn Peters Eisatem an Ort und Stelle eingefroren, so langsam reagiert er auf Peters Provokation, eine Wasserfontäne vor ihm beinahe in der Luft erstarrt, das zornrote Gesicht in wütende Falten gelegt. Er mag es WIRKLICH nicht, ausgelacht zu werden.

Ein Spatz, der gerade über den Platz fliegt, müsste bei diesen langsamen Flügelschlägen eigentlich vom Himmel fallen. Die Wolken, die bisher in einem gemächlichen Tempo über den Himmel gezogen sind, scheinen nun bei absoluter Windstille vor dem Blau des Hintergrunds festzustecken.

Fasziniert beobachte ich die einzelnen Flügelschläge einer Biene, die sich in einer einsamen Löwenzahnblüte neben meinem Sitzplatz herumtreibt. Gerade erinnert ihre Geschwindigkeit eher an eine Schnecke als an ihr übliches emsiges Treiben.

Ich blinzle, und die Welt bewegt sich wieder in normalem Tempo. Ich konzentriere mich und drücke meine Augen halb zu, und wieder scheint alles in slow motion.

Cool!

Wo Clark seinen Laserblick und Peter seinen Röntgenblick hat, habe ich anscheinend einen Zeitlupenblick. Wie praktisch, damit habe ich endlich mal genug Zeit, mir die Welt in aller Ausführlichkeit anzuschauen. Kann einer angehenden Wissenschaftlerin wie mir nur nützlich sein.

Neben dem Schluckaufverteiler ist das nun schon die zweite Superpower, die ich an mir entdeckt habe. Wenn das so weiter geht, kann ich meinen Brüdern bald Konkurrenz machen.

Stolz und zufrieden mit mir und meiner neuen Kraft kuschel ich mich tiefer in meinen Buggy, drehe mich wieder zu meinen Brüdern ...

... und blicke direkt in eine Wasserfontäne, die auf mein Gesicht zuschießt.


(792 Wörter)

Call me Super, Baby!Where stories live. Discover now